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zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde er abgebrochen
und durch den jetzigen ersetzt.
Die Notiz über Müllheim und Schopfheim ist
noch kleiner:
„Die Amtsbezirke Müllheim und Schopfheim haben
in Gemeinschaft ein prachtvoll ausgestattetes „Hebel-
Album" dargebracht". (O.B. Nr. 124.)
Nun zu den Berichten darüber, wie der Festtag
im Markgräflerland selbst begangen wurde.
Den Bericht aus Lörrach brachte der ,,Oberländer
Bote" natürlich zuerst (O.B. Nr. 113 v. 22. 9.
1856). Das Fest (am 21. Sept. begangen) begann
hier wie allerorten mit Fahnen- und Girlandenschmuck
, mit Böllerschüssen und musikbegleiteten
Umzügen, über den Festgottesdienst zum
Höhepunkt, dem Festessen mit Reden und Trinksprüchen
, und zu den nachmittäglichen Vergnügungen
der Kinder auf dem Festplatz und endete
spät in der Nacht mit Feuerwerk und Tanz. Geschah
in Lörrach so das durchaus Übliche, so hatten
sich andere Orte mehr einfallen lassen und
kamen mit ihren Berichten drüber im ,,Oberländer
Boten" auch tatsächlich zu Wort, wenn
auch reichlich verspätet.
Die Kanderner hielten ihr Fest jedenfalls
für besonders gelungen — und von heute aus
gesehen sicher mit Recht. Ihr Bericht spricht von
„mehrfachen Festlichkeiten ..., welche hauptsächlich
wegen den früher dahier bestandenen Verhältnissen,
als auch wegen des kleinen Urnfangs unseres Städtchens
sowie wegen der daraus hervorgegangenen
Gemüthlichkeit mit Recht verdienen, der Öffentlichkeit
übergeben zu werden, und als Beweis wahrhafter
Vaterlandsliebe gelten können".
(O.B. Nr. 115 v. 26.9.1856.)
Und wirklich: Schon am 20. September begann
Kandern die Feier dadurch, daß man mit Musik
(der „Bergmusik") in den Gemeindewald Egerten
zog, der
„vor 40 bis 50 Jahren noch eine Waide" gewesen
und „in dieser Zeit in einen prachtvollen Tannenwald
umgewandelt worden"
war. Da nun der Name ,,Egerten" (Brache) nicht
mehr entsprechend war, tauften die Kanderner
den Wald „In den Friedrichstannen" und eine
dort neu errichtete Waldhütte „Luisenhütte". Es
gefiel ihnen so gut in ihrem neubenamsten Gemeindewald
, daß sie — nach Absolvierung der
üblichen Feierlichkeiten am Sonntag, versteht
sich — am Montag, den 22. September, gleich
noch einmal einen Festzug dorthin unternahmen,
„wobei sich alt und jung, Männer und Frauen, Jünglinge
und Jungfrauen, sämtlich in der fröhlichsten
Stimmung vereinigten, und wobei wiederholt die
Musik und der Gesangverein und mehrere passende
Trinksprüche das Ihre redlich beigetragen haben.
Der Rückweg wurde erst abends spät bewerkstelligt
und mit Musik an der Spitze und unter Fackelbeleuchtung
durch die Stadt bis zum Stadthaus
marschiert, woselbst zum Schluß noch einige Touren
getanzt wurden. (O. B. Nr. 115.)
Von Steinen berichtet die gleiche Nummer
der Zeitung einen üblichen Festverlauf. Der Berichterstatter
schreibt ihm jedoch eine besondere
Note zu, die durch die Teilnahme der „Sämmt-
lichen fünf Schulen des Kirchspiels, wohl über
450 Kinder" — Steinen (Ort und Fabrik), Höllstein
, Hüsingen und Hägelberg — an den Umzügen
entstand. Das Festessen hatte man auf den
Abend verlegt, der „hochverehrte, greise, aber
noch rüstige Herr Pfarrer Ziegler" hielt dabei
die Festrede. Das offensichtlich im Kreis der Gemeinde
gedichtete Festlied ist im Wortlaut mit
abgedruckt. (O. B. Nr. 115 v. 26. 9. 1856.)
Der Berichterstatter aus Binzen kommt als
letzter zu Wort. Er nimmt klugerweise von der
Aufzählung sämtlicher Programmpunkte Abstand
und beschränkt sich darauf zu berichten, wie
denkwürdig das Fest den Schulkindern gestaltet
wurde. Sie mußten erst die „kräftige Ansprache"
des „Herrn Geistlichen" über sich ergehen lassen,
die mit Hochrufen und dem Lied „Heil unserm
Fürsten, Heil" endigte. Dann erst
„erhielt jedes Schulkind, 157 an der Zahl, für 4 kr.
Weißbrod, eine Portion Käs und ein Glas Wein.
Ebenso erhielt jedes Schulkind eine schöne Festgabe,
die ihm die Nummer bezeichnete, welche es aus
dem aufgestellten Glückshafen herauszog. Waren bis
jetzt alle Anwesenden sichtlich erfreut, so herrschte
auf einmal eine feierliche Stille, als der Herr Geistliche
zehn der ärmsten Schulknaben vortreten ließ,
und nach einer passenden Anrede jedem Tuch zu
einem Kleide überreichte, das Herr Z... r von Kandern
zur Vertheilung an diesem Tage und zur Erhöhung
der Festfeier hierher übermachte, und wofür
diesem edlen Geber hiermit der wärmste Dank
nochmals ausgesprochen wird. — Schließlich ist noch
zu bemerken, daß weder die Gemeindekasse noch
der Ortsarmenfond einen Zuschuß zu den Ausgaben
für diese Festlichkeiten leisten durften, indem Herr
Altbürgermeister Sch. das Brod allein bezahlte und
die geistlichen und weltlichen Vorgesetzten, sowie
viele andere gutthätige Einwohner durch freiwillige
Beiträge die übrigen Kosten und Auslagen deckten".
Es gibt bei alledem zu denken, daß gerade die
vier genannten Orte und keine andern von ihren
als Loyalitätskundgebungen gedachten Festlichkeiten
berichteten: Lörrach und Steinen hatten
1848/49 als besonders revolutionär gegolten, und
in Binzen und Kandern hatte damals ausnehmend
heftige Parteinahme für und wider die
Revolution die Gemüter erregt — wie ja der
unter den Männern der Deputation genannte
Bürgermeister Schanzlin von Kandern als hauptsächlicher
Gegenspieler der Revolution für das
Fürstenhaus eingetreten und von den Revolutionären
mißhandelt worden war. Man konnte also
lange nach dem Fest jähr mit Recht — soweit es
sich um die Markgrafschaft handelte — sagen:
Diese Vermählung war ein Fest des ganzen Landes
; in dem bunten unt heitern Bilde der Feierlichkeiten
spiegelte sich die neue Befestigung
des Verhältnisses zwischen Volk und Dynastie,
vor der die Erinnerung an die Revolutionszeit
allmählich verblaßte" (H. Oncken). Indessen gibt
die Meinung der Zeitungen selten die Meinung
des Volkes wieder, und mancher Badener mochte
schon 1856 mit der Heirat seines Fürsten nur
einen weiteren Schritt in die verhängnisvolle
preußische Richtung der badischen und auch der
deutschen Politik und Geschichte getan sehen, die
die kommenden Jahrzehnte bestimmen und die
selbst Großherzog Friedrich schwere Stunden
bereiten sollte. b. Gmeiner
Herausgeber: Hebelbund Müllheim i. B.
Redaktion: Konstantin Schäfer, Oberlehrer, Neuenburg
Anzeigenannahme: F. Wolfsberger, Müllheim, Wehrgasse 5
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Druck: Markgräfler Druckerei, Müllheim i. B.
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