Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fs
Hebelbund Müllheim [Hrsg.]
Die Markgrafschaft: Beiträge aus Geschichte, Kultur und Wirtschaft des Markgräflerlandes
8. Jahrgang, Heft 11/12.November/Dezember 1956
Seite: 19
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1956-11-12/0021
Wie es dazu gekommen war, erzählt uns am
besten der Schiffer und Eigentümer des Fahrzeugs
:

„Ich heiße Heinrich Studer, bin Bürger und
Schiffmann zu Neuenburg, 26 Jahre alt und
geheurathet.

Ich führte den 27ten September (1782) das
Neuenburger Schiff als Meister von Basel nach
Neuenburg zurück. Es waren zwei zusammengebundene
Weidlinge. Ich hatte nebst vielen
Waren etlich zwanzig Personen ohngefähr, wovon
ich aber nur einige wenige kannte und nennen
kann. Darunter waren der Höß von Krozingen
nebst einigen anderen aus diesem Ort, ferner
ein Händler von Habsheim (der Käsmann) nebst
einem Weibsbild von dort; eine Frau von Neudorf
, der Schäfer - Balzer von Tonsul (Tunsei)
nebst der Vögtin (Anna Maria Bindtnerin) und
ihrem (blinden) Knaben, der Joseph Müller von
Heitersheim, der Melchior Drescher von Freiburg,
der Müller von Weinstetten, außer mir noch zwei
Schiffleute, Joseph Müller und Kapeier, ein
Franzos (Franz Schawan) und einige andere, die
ich weder von Gesicht noch dem Namen nach
kenne.

Ohngefähr eine Viertelstund unter Neudorf
rief ein Mann am Elsässer Ufer: „Arrete!" Ich
wußte nicht, ob es gegen das Schiff gemeint seye
und was er haben wolle. Ich glaubte, er riefe
nur aus Spaß so. Er schrie aber noch einmal:
,,Arrete!" Der Joseph Müller, Schiffer, rief ihm
wieder zu, was er wolle? Wir dachten, man verlange
, wir sollten zufahren und fingen an, das
Schiff zu lenken, als der Schuß von ihm schon
losging, und wir den Andreas Höß rufen hörten,
er seye getroffen".

Studer hatte als verantwortlicher Schiffer auf
die Fahrstraße zu achten und darum keine Zeit,
seine Blicke weiter umherschweifen zu lassen. So
ist sein Bericht über diesen Vorgang nicht so
anschaulich, wie der des Heitersheimer „Basel-
Bott" Müller, dem wir nun das Wort geben
wollen:

„ ... es war abends gegen 4 Uhr, als ich zwei
Mannspersonen an dem französischen Ufer mit
Schießgewehren stehen sah. Einer davon schrie
drei- bis viermal „arrete!", welches ich und andere
sehr vernehmlich hörten, allein nicht verstunden
, was er sagen wolle, indem wir nichts
Französisches wußten. Unser Schiff, welches in
zwei zusammengebundenen Waidlingen bestund,
ging mitten in dem Talweg des Rheins, wie man
sich nämlich leicht einbilden kann, daß man mit
zwei beladenen Schiffen, worin außer den Waren
noch gegen zwanzig Personen befindlich gewesen
sind, nicht an dem Ufer, sondern in der Mitte
des hohen Rheins, wo der Zug am stärksten ist,
daher fahren müsse. Weil wir nicht wußten, was
man durch das „arrete" mit uns wollte und das
Neuenburger Schiff von jeher frei, ohne es anzuhalten
, passieret worden, fuhren wir ruhig fort.
Einer von den zwei Mannspersonen schoß aber
sein Gewehr ab und zwar nicht in die Luft, sondern
gegen dem Schiff zu. Der Andreas Höß selig
von Krozingen schrie auf einmal, er seye getroffen
worden. Er zog die ledernen Hosen über den
Schenkel herunter und zeigte das Merkmal des

Schusses an dem rechten Schenkel, neben oder
unten an dem rechten Hinterbacken. Ich sähe,
daß an dem besagten Orte des Schenkels ein
großes blaues Mal und in der Mitte desselben,
wo die Kugel getroffen, das helle rohe Fleisch
befindlich sey".

Studer weiß darüber nur zu sagen, daß Höß
die Wunde gezeigt habe: ,,... sähe aber nicht
darnach, weil ich zu viel Arbeit hatte".

Bei den späteren Verhören gaben die beiden
französischen Schützen, namens Mitteiberger und
Blaise Fitsch, an, die Schiffer hätten auf den
Anruf nicht geantwortet, ihre Fahrt weiter fortgesetzt
, und noch über das, ihnen den Hintern
gewiesen (,,... en nous meprisants au point de
nous montrer le derriere").

Es könnte durchaus möglich sein, daß dies
geschah. Eine lustige Fracht von Menschen auf
der Heimfahrt — wenn es dem Stall zugeht,
kann es geschehen, daß selbst der lahmste Gaul
wiehert; dazu die herrliche Rückendeckung durch
einen langen alten Paragraphen: man besaß
zweifelsohne das historische Vorfahrtsrecht. Auf
den Schiffen beteuerte man selbstverständlich
seine Unschuld. Einer der Fahrgäste hatte sich
auf einem Warenballen müde ausgestreckt und
hatte sich von den vorbeistreichenden Wellen
einschläfern lassen. Dabei mußte er wohl sein
unschuldig Hinterteil den Bandeliers tragenden
Wächtern der königlichen Zolleinnahmen gezeigt
haben. Der Schuß saß ziemlich genau, und die
Ehre des königlichen Bandeliers war wieder hergestellt
. Andreas Höß allerdings starb im nächsten
Jahr am Wundfieber. Selbst die mitfahrenden
französischen Untertanen gaben unter Eid
an, daß ein derart unanständiges Benehmen nicht
vorgekommen sei.

Doch lassen wir den Tunseier Bürger Balthasar
Wiek weiter erzählen:

,,... mittlerweile lenkte der Schiff mann das
Schiff dem elsässischen Ufer zu und zwar umso
mehr, als der andere, welcher noch nicht geschossen
hatte, durch die Bewegungen mit seinem
Gewehr es auch zu tun und zu schießen drohte.

Derselbe fand sich gleich bei dem Anländen
ein. Ich sah bei meinem Eide kein Bandelier an
ihm. Ich und andere wußten demnach nicht, wofür
wir ihn ansehen sollten. Er hatte das Gewehr
noch bei sich; ich forderte es ihm selbsten ab,
weil ich nebst einigen anderen aus dem Schiffe
indessen gegangen war. Ich sagte ihm, er möchte
antworten, wer geschossen habe. Er antwortete,
der Brigadier vom neuen Weg habe geschossen,
er selbst habe demselben abgewehrt, er habe es
aber doch getan".

Anderen Zeugen gegenüber gebrauchte er dabei
wenig gute Ausdrücke über seinen Kameraden
. Er nannte ihn einen, „der betrunken und
ein Spitzbub sei". Er selber sah auch nicht gerade
vertrauenerweckend aus, darum verstehen wir
auch den Fortgang, wie ihn Wiek uns erzählt:

,,Ich sagte zu dem Schiff mann, er solle das
Gewehr von mir abnehmen, damit nichts übles
geschehe. Melchior Drescher und andere aber
verlangten, der Mensch solle in das Schiff sich
begeben, welches auch geschehen ist".

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