Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-01/0008
Theodor Seidenfaden:

>öi'e OdjimmelFöpfe Scefbucg

Der Ratsherr Johann Peter von Lupfen, der
am Münsterplatz, zu Freiburg wohnte und einer
der reichen Männer der Stadt war, erfuhr das
Leid des Lebens, als ihm bei einem Landsterben
seine junge und schöne Frau — Adelheid hieß
sie und stammte aus Basel —, erkrankte und für
immer Abschied von ihm nehmen mußte. Dem
Anscheine nach war es wenigstens so; denn Frau
Adelheid lag bleich und gestreckt und rührte
sich nicht mehr, und Johann Peter von Lupfen
war so ergriffen, daß er sie in ihrem Hochzeitsschmucke
, einer goldenen Halskette mit Rubinen,
einem Haargeschmeide ähnlicher Art und den
entsprechenden Ringen begraben ließ.

Das gereichte ihm und der Frau zum Glück,
denen aber, die der Kostbarkeiten wegen den
Frevel übten, der wie kein anderer verpönt ist,
zum Verderben. Es schlug zwar auch für sie zuletzt
ins Gegenteil um, blieb aber der schwarze
Fleck ihres Lebens.

Der Diener des Hauses und die Köchin, die
einander zugetan waren, aber nicht heiraten
wollten, weil sie arm waren und glaubten, der
Besitz mache das Glück einer Ehe aus, hatten die
Verblichene im weißen Atlaskleide und ihrem
Schmuck gesehen, sich einen Augenblick angeschaut
und nach dem Begräbnis zueinander gesprochen
, es sei verbrecherisch, wenn ein Mann,
der nicht wisse, wie reich er sei, solche Kostbarkeiten
in einen Sarg und also ins Grab stecke,
indes zwei Arme nicht wüßten, wovon sie einen
Hausstand gründen könnten; denn wenn auch
der Herr von Lupfen ein ausgemauertes Familiengrab
besitze, darin die Toten seiner Sippe
seit Jahrhunderten auf den Jüngsten Tag warteten
: sie zerfielen wie die Armen, die im Dreck
der Würmer lägen, nur etwas später, aber ebenso
sicher, und was Gold und Rubinen an einem
Gerippe zu tun hätten, sei nicht einzusehen.

Deshalb schlichen sie noch in der selben
Nacht mit einer brennenden Laterne, vermummt,
auf den Friedhof. Es war später Herbst, aber die
Bäume trugen noch Blätter, und ein leichter
Wind bewegte sie, indes die letzte Mondsichel
durch das Gewölk trat.

Die Vermummten hoben den Deckel der
Gruft, stiegen auf den Eisensprossen, die aus
dem Mauerwerk ragten, hinein, fanden beim
Licht ihrer Laterne den Sarg und öffneten ihn.

Da aber gab es eine Erschrecken, dergleichen
weder der Diener noch die Köchin für möglich
gehalten hatte. Frau Adelheid war nämlich nur
Scheintod, kam, als der frische Windzug sie traf,
zu sich selbst, atmete und hub an, sich zu rühren.
Indes der Diener ihr, halbirr vor Spannung und
Furcht, obwohl er noch nichts gemerkt hatte, die
Halskette abstreifen wollte — die Köchin stand
daneben und hielt die Laterne —, schlug sie die
Augen auf, seufzte und stieg aus dem Sarg.

Wie der Diener und die Köchin aus der Gruft
und vom Friedhof wieder zum Münsterplatz und
in die Dachstube des ratsherrlichen Hauses gefunden
hatten, wußten sie nicht, als sie dort,
eine halbe Stunde später, unbemerkt von den

Bewohnern, auf der Bettkante saßen und sich
entgeistert anstarrten. Die Laterne, so stellten
sie fest, war zurückgeblieben, und weiter wagten
sie kein Wort.

Nach einer Weile aber geschah es, daß eine
Hand gegen die Haustür klopfte und der Ton
schauerlich durch die Nacht des Münsterplatzes
hallte. Da schlich der Diener an das Fenster der
Dachstube und stieß es vorsichtig auf, erlauschen
zu können, was sich begebe, und die Köchin trat
neben ihn. Derweil beide ihre Herzen wie nie
zuvor schlagen hörten, vernahmen sie ein Zwiegespräch
, das sie aufs neue mit Schrecken erfüllte
.

Wer draußen sei, rief Johann Peter von Lupfen
, der sich, wie die Lauscher wortlos feststellten
, aus dem Fenster seines Schlafzimmers
lehnte.

Die Frau des Hauses, erwiderte die Stimme,
woraufhin die Köchin, entsetzt, die Hand ihres
Liebsten umfaßte und sich dicht an ihn drängte.

Das sei unmöglich, entgegnete der erschrok-
kene Ratsherr, weil sie begraben auf dem Friedhof
liege, woraufhin die Heimgekehrte versetzte:
sie werde ihm ein Zeugnis geben, dessen er sich
nicht versehe; so sicher in kurzem seine Schimmel
aus dem Speicherloch auf das Münster blickten
, so gewiß stehe sie, die ihm angetraute Ehefrau
, vor der Tür!

Währenddem das Wort verklang, hörten der
Diener und die Köchin ein Schnauben und
Stampfen auf der Treppe, daß sie aufschrien,
sich in eine Ecke kauerten und glaubten, das
Gericht der Welt breche auf sie herab. Als dann
die Schimmel über den Boden polterten und ein
Loch in den Giebel stießen, so daß sie die Köpfe
hindurchstecken und den Münsterturm anblicken
konnten, mußten die beiden Verstörten tatsächlich
glauben, der Untergang bereite sich, und sie
rissen die Tür der Stube auf, sahen bei dem
fahlen Mondschein die Schimmel und hörten, wie
Johann Peter von Lupfen an der Haustür seine
Frau begrüßte.

Daß er sie in überströmender Freude umarmte
, war ihnen selbstverständlich, nicht aber
war es ihnen jener Ruf, der das Gesinde weckte
und aufforderte, in den Saal zu kommen und
sein Glück zu teilen. Sie wagten kaum, sich anzusehen
, hörten Türen schlagen, die Mädchen
und die beiden Kutscher laufen und fragen, und
stürzten dann, fürchtend, die Frau könne verraten
, was sich begeben habe, hinunter und taten,
was sie bei Beginn ihres verbrecherischen Weges
nicht für möglich gehalten hätten: sie warfen
sich im Saale dem glücklichen Paar zu Füßen
und bekannten vor ihm, den Mädchen und den
beiden Kutschern ihre Schuld.

Neben der Heimgekehrten stand, immer noch
mit entzündetem Lichte, die Laterne, die ihr
beim Heimweg geleuchtet hatte, auf dem Tisch
brannten die drei Kerzen des Silberleuchters,
und Frau Adelheid saß im Sessel, bleich zwar,
aber schön und im Glänze ihres Schmuckes, der

6


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-01/0008