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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-01/0016
„In hiesigen Kreisen will man wissen, daß die Maßregeln
, welche in Bezug auf die Mobilmachung, wie
bisher bestimmt war, am 2. Januar zur Ausführung
kommen sollten, nunmehr bis zum 15. Januar hinausgeschoben
worden seien. Es sollen auch bereits Mitteilungen
in dieser Beziehung an verschiedene Höfe
ergangen sein. — Die obige Kunde hat hier umso
größere Freude erweckt, als die Friedensliebe, welche
das preußische Kabinett beseelt, dadurch wieder
eine neue Besiegelung von aller Welt erhält, falls
die Angabe sich vollkommen bewahrheitet".

(„Oberl. Bote4' Nr. 2 v. 2.1.1857.)

Wie weit her es war mit der Friedensliebe des
Preußischen Kabinetts, möge dahingestellt bleiben
. Preußen lag jedenfalls weit weg von Neuenburg
, zwischen ihm und dem umstrittenen Fürstentum
eine Reihe deutscher Bundesstaaten, von
denen keinesfalls gewiß war, ob sie den Durchmarsch
preußischer Truppen ohne weiteres gestatten
würden, und lag die kriegerisch aufgewühlte
Schweiz; an Preußens Zögern mochte
auch die Intervention besonders Frankreichs und
Österreichs schuld sein; endlich vertraute es auf
das Londoner Protokoll vom Jahre 1852, das die
Zustände in Neuenburg garantiert hatte. So
konnte trotz dem eidgenössischen Säbelgerassel
gesagt werden:

„Die Hoffnung auf eine friedliche Beilegung des
Streites zwischen der Schweiz und Preußen erhält
sich fortwährend. Die Absendung einer Kollektivnote
der vier Mitunterzeichner des Londoner Protokolls
an den (schweizerischen) Bundesrat wird als
gewiß betrachtet". („Oberl. Bote" Nr. 2 v. 2.1.1857.)

Die französischen Nachbarn der Markgräfler —
und die Markgräfler wahrscheinlich auch —
sahen die Dinge unter folgenden Gesichtspunkten:

„Von allen Seiten laufen heute friedlichere Berichte
ein, und man will wissen, daß Frankreich neuerdings
der Schweiz Vorschläge gemacht, denen die
Eidgenössische Bundesversammlung nicht aus dem
Wege gehen werde. In den benachbarten Schweizer
Kantonen sieht es freilich sehr kriegerisch aus, allein
man hat sich doch schon mit dem Gedanken vertraut
gemacht, daß es nicht so bald zum Schlagen kommen
werde. Der Grenzverkehr hat bis jetzt noch
keine eigentlichen Hemmungen erlitten. Für Schweizer
Rechnung wird sehr viel Proviant aufgekauft
und man hat bereits viele Lieferungsverträge abgeschlossen
. Noch zeigt sich keine Spur von der Aufstellung
eines französischen Beobachtungskorps, daher
man auch aus diesem Umstände schließt, daß
man von Seiten Frankreichs die Hoffnung nicht aufgegeben
, ein friedliches Ubereinkommen zu erzielen
. Bei dem Aufschwung, welche in der jüngsten
Zeit die meisten gewerblichen Institute genommen,
wäre ein Krieg von großer Kalamität; nicht nur
für die Schweiz, sondern für alle an dieselbe grenzenden
Länder. Auch bemerkt man mit Vergnügen,
daß allenthalben in der Beurteilung des preußisch-
schweizerischen Konflikts wenig vorgefaßte Leidenschaft
herrscht", (ebd.)

Die Hoffnung auf eine friedliche Beilegung des
Streites war gewiß berechtigt. Napoleon III.,
immer bemüht, eine europäische Rolle zu spielen
, dabei aber Preußen von seiner Ostgrenze bei
Neuenburg fernzuhalten, suchte immer wieder
eine schnelle und unauffällige Lösung zu vermitteln
, die für die Schweiz akzeptabel war:

„Frankreichs neuer Vorschlag in Bern geht, wie man
versichert, dahin, die Gefangenen zu befreien und
vorläufig auf polizeilichem Wege, also nicht kraft
eines Gesetzes von dem eidgenössischen Gebiet zu
entfernen. Die übrigen Mächte schließen sich diesem
Vorschlage an... Man hält für wahrscheinlich, daß
wenn die Bundesversammlung irgendwie gut beraten
, auf der bezeichneten Grundlage ein Arangement

zustande kommen könnte... Preußen würde, wenn
sich das verwirklicht, einen neuen Beweis seiner
Mäßigung geben, und den etwaigen gegnerischen
Widerstand in größerem Unrecht erscheinen lassen.
Daß übrigens noch jetzt von Seiten einer beteiligten
Regierung in Deutschland Schwierigkeiten wegen des
eventuellen TruDDendurchmarsches erhoben würden,
wird bezweifelt". („Oberl. Bote" Nr. 3 v. 5. 1. 1857,
nach der „Kölner Zeitung".)

Das war klargesehen. Die Sympathien für die
Schweiz waren im Innern Deutschlands, ja schon
in Württemberg, nicht sehr groß. Eine Kriegsanleihe
, die die Schweiz in Frankfurt und Stuttgart
zu machen versuchte, kam nicht zustande
und das „Journal de Francfort" kommentierte
dies laut ,,Oberl. Boten" Nr. 3 vom 5. Jan. 1857
unmißverständlich so:

„Welchen Ausgang der Krieg in Bezug auf die
Schweizer Verfassung nehmen wird, vermag wohl
für jetzt noch niemand zu beurteilen; immerhin
werden aber schon jetzt Bedenken laut, ob mit Zuversicht
darauf zu rechnen ist, daß nach Beendigung
des Krieges Schweizer Behörden vorhanden sein
werden, welche eine von den jetzigen Behörden
contrahirte Anleihe anzuerkennen verpflichtet und
bereit sind".

In Süddeutschland wurde naturgemäß die Frage
des Durchmarsches preußischer Truppen vordringlich
besprochen, und man geht gewiß nicht
fehl, wenn man annimmt, die Bevölkerung, besonders
des Oberlandes, sei nicht erbaut von der
Aussicht gewesen, die sich da eröffnete. Als gar
in Württemberg einige Volksvertreter gegen den
Durchmarsch auftraten, kehrte die ,,Badische
Landeszeitung" solchen gefühlsmäßigen Tendenzen
vorbeugend den Rechts- und Billigkeitsstandpunkt
hervor, sehr energisch daran erinnernd
, daß es einen Deutschen Bund und eine
Einheit der deutschen Staaten gäbe — ganz im
Sinne des Großherzogs Friedrich also, der um der
Einheit Deutschlands willen und zugunsten Preußens
die Stimmung und Meinung seiner Untertanen
zu übersehen gewillt war:

„Von der Schweizer Grenze schreibt die „Bad. Landeszeitung
" unterm 3. Januar: Die verschiedenen
Blätter der benachbarten Schweiz bringen heute
teils mit größerem, teils mit geringerem Jubel den
Wortlaut des von einigen württ. Abgeordneten an
den Ständischen Ausschuß gerichteten Antrags in
Betreff des Durchmarsches preußischer Truppen.
Wir staunen über die Keckheit, mit welcher behauptet
wird, der Streit wegen Neuenburg berühre die
Rechte und Interessen des Deutschen Bundes nicht,
und wir sind um den passenden Ausdruck verlegen,
um uns über die Auffassung zu erklären, daß gedachter
Streit nicht einmal die Rechte und Interessen
des preußischen Staates selbst berühre. Nicht
einmal schweizerische Blätter stellen eine solche
Behauptung auf, und wenn sie es je tun würden,
so könnte man sie noch entschuldigen; daß aber
deutsch gesinnte Abgeordnete eines deutschen Bundesstaates
im eigenen Vaterlande verdammen, was
sie im gleichen Atemzuge an der Schweiz loben,
nämlich ein Einstehen aller Bundesglieder für die
Interessen der Einzelnen, — das verrät eine solche
leidenschaftliche Auffassung des ganzen Streits, daß
man sich kaum mehr wundern darf, wenn man von
Vernunft nicht mehr viel verspürt. Warum, so fragen
wir, nimmt sich denn die ganze Schweiz um
Neuenburg an? Gewiß nur, weil man der Ansicht
ist, daß Neuenburg zur Schweiz gehöre. Was wäre
von einem einzelnen Schweizer Kanton zu halten,
der sich dem Durchmarsch eidgenössischer Truppen
widersetzen wollte? Man würde ihn des Verrats am
Vaterlande beschuldigen! Und nun sollten die württembergischen
Abgeordneten in Wahrheit nicht begreifen
, daß der preußische Staat ebenfalls (von

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