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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-02/0004
Richard Nutzinger:

(Bott focgt!

Eine nachdenkliche Erinnerung an J. P. Hebel vor 150 Jahren

In seinem Neujahrsgedicht „Der Geist in der
Neujahrsnacht", das erstmalig am 1. Januar 1808
in der Freiburger Zeitung" erschien, läßt Hebel
das alte Jahr, das in der Gestalt eines Greises
auftritt, zu dem Büblein mit seinem Sonnenblick,
das das neue Jahr darstellt, die Worte sagen, die
ich beim Neujahrsempfang in kleiner Abwandlung
auch unserem Herrn Bundespräsidenten als
Wunsch ausgesprochen habe:

„Gib mer frei wohl acht zuem güetige Fürsten
in Karlsrueh, zue de Fryburger Heere un zue
de Landen im Brysgau, aß sie kei Leid erfahre,
un bring ene Freude un Gsundheit!"

Auffällig ist hier die Zusammenstellung des
Großherzogs mit den Freiburger Herren, ja überhaupt
die Erwähnung der Breisgauer Lande, erklärlich
aber aus der Tatsache, daß im vergangenen
Jahr 1807 eine Entscheidung von Seiten des
Fürsten gefallen war, die den Freiburger Herren
nicht eben erwünscht sein mochte: Der Großherzog
hatte es durch sein Veto verhindert, daß
Hebel als Pfarrer nach Freiburg gegangen war.

Seit Anfang Dezember 1806 spielte diese Versetzungsangelegenheit
. Damals schreibt er an
seine Gustave Fecht in Weil: „ ... Denn wer nur
Ja sagen darf, um Stadtpfarrer und Universitätsprediger
in Freyburg zu sein, das bin ich. Ist mir
so etwas an der Wiege gesungen worden? Steht
so etwas im Bohnenlied? Die Stelle ist mir angeboten
. Sie können denken, wieviel ich in beide
Waagschalen zu legen habe, wie es an mir zieht
und zurückhält. Ich wollte mich augenblicklich
auf die Post setzen und hinaufreisen, um mich
droben zu entscheiden, aber das Wetter ist gar
zu stürmisch. Unterdessen schwanke ich unentschlossen
hin und her wie ein Uhrenperpendikel".

Fast sieht es so aus, als neige sich bei Hebel
selbst die Waagschale zugunsten für Freiburg,
obwohl ihn seine zahlreichen Karlsruher Freunde
zurückhalten wollen. Denn er schreibt weiter in
diesem Brief: „Einmal will und muß ich doch
gehen. Ich habe Sie nie getäuscht, wenn ich sagte,
daß ich nicht in Carlsruhe bleiben wolle. Auch
habe ich diesen Vorsatz nie geändert, nur von
einem Jahr auf das andere verschoben. Ich soll
auch collegia lesen. Schmidt in Hügelheim und
Baron Cronfels in Freyburg meinen, ich soll
gehen. Rathen Sie mir! Wenns auf Spitz und
Knopf ankommt, soll Ihr Rath mich bestimmen".

Hebel zögerte weiter und schob die Entschei-
dun hinaus bis über Weihnachten; er war nicht
der Mann eigener Initiative und schneller Entschlüsse
. In den letzten Tagen des Jahres 1806
setzt er sich dann wirklich auf die Post und
fährt an Ort und Stelle zur Inaugenscheinnahme
und zur Besprechung mit den Herren in Freiburg
, aber dieser „Lokaltermin" scheint ihn in
neue innere Konflikte gebracht zu haben. Denn
es ist ja bekannt, daß er auf der Rückreise von
Freiburg bei einem Freund in Emmendingen
übernachtete und sich dort unruhig und in

ständigen Überlegungen in seinem Bett wälzte,
bis um 2 Uhr der Nachtwächter vor seiner
Schlafstube seinen eigenen Wächterruf erschallen
ließ:

„Un wem scho wieder, eb's no tagt,
die schweri Sorg am Herze nagt,
du arme Tropf, dii Schlof isch hi!
Gott sorgt! es war nit nötig gsi."

Diese seine Worte gaben ihm Trost, er legte
sich auf die andere Seite, schlief ein und ließ
einen Höheren sorgen und entscheiden. Und
diese Entscheidung fiel denn auch schon in den
nächsten Tagen, und zwar durch den Mund des
Fürsten. Am 11. Januar bereits schreibt Hebel
an Haufe in Straßburg: „Ich bleibe in Carlsruhe,
wie es scheint. Unter anderem will's der Großherzog
haben, was mir sehr lieb ist, damit ich
nicht selber wählen darf".

Also auf des Großherzogs Wink hin hat Hebel
diese gewiß verlockende Stelle in Freiburg nicht
angenommen, und als in der darüber entscheidenden
Kabinettssitzung noch einmal Hebels
Name fällt, sagt der Großherzog dazu: „Diesen
habe ich mir selbst verbeten, er soll hier bleiben
". An seiner Stelle kommt nun ganz überraschenderweise
ein Pfarrer Gg. Friedr. Wucherer
nach Freiburg, der es offenbar hauptsächlich auf
die zu lesenden Kollegien abgesehen hatte; denn
wenige Jahre nach seiner Versetzung legt Wucherer
sein kirchliches Amt nieder, um sich ganz
als Professor der Physik und Technologie (!) an
der Freiburger Universität zu habilitieren, wo
er dann auch zum Prorektor aufrückt.

Nun gibt man in Karlsruhe Hebel den Rat,
aus diesem seinem Verzicht sogleich einen Gewinn
zu schlagen, selbst ein „Wucherer'1 zu werden
und beim Großherzog um eine Aufbesserung
des Gehalts einzukommen. Aber Hebel ist vornehm
genug, die fürstliche Gunst nicht zu solcher
Spekulation auszunützen. Und der Großherzog
ist vornehm genug, Hebel, ohne daß er darum
bittet, eine monatliche Staatszulage von hundert
Gulden ab Januar 1807 ausbezahlen zu lassen.
Hebel bleibt in Karlsruhe, und von einer Versetzung
ist von nun an nicht mehr die Rede.

Dieser Mangel an männlicher Entschlossenheit
mag für manchen Hebelfreund wie ein trüber
Schatten über Hebels Charakterbild liegen.
Allein diese vermeintliche Schwäche liegt vielmehr
in Hebels sehr ernstem Verantwortungsgefühl
und vor allem in der untrüglichen Erfahrung
seines schweren Lebens begründet, daß
Gott uns schon die rechten Wege führt und daß
ihm der Mensch nicht durch voreilige Entschlüsse
ins Handwerk pfuschen darf. „Gott sorgt!" Und
Gott hatte auch in diesem Falle des Verzichts
auf Freiburg gesorgt und dazu als Werkzeug sich
des Fürsten bedient. Denn es ist nicht auszudenken
, was uns durch eine Versetzung Hebels
nach Freiburg verloren gegangen wäre. Hebel
hätte ja sogleich die Herausgabe seines „Rheinländischen
Hausfreunds*4, die mit dem Gymna-

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