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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-02/0017
Im Markgräflerland vor hundert Jahren (7)

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Im amtlichen Verkündigungsblatt für die
Großh. Bezirksämter Lörrach, Müllheim, Schopfheim
und Schönau, Nr. 22 vom 18. Februar 1857
liest man folgende Anzeige:

Nachricht für Auswanderer nach Brasilien!

Mehrere Familien und ledige Personen werden nach
Rio Janeiro gegen ganzen Vorschuß der Reisekosten
von Hamburg ab unter günstigen Bedingungen zu
engagieren gesucht, und mit schönen, neuerbauten
Dampfschiffen befördert.

*

Regelmäßige Abfahrten der Post - Segelschiffe von
Havre, Bremen, Antwerpen und Liverpool nach
New-York, New-Orleans und Australien.

*

Dampfschiffe zwischen Antwerpen, Hamburg und
Liverpool nach New-York. — Überfahrtspreis im
Zwischendeck ab Mannheim mit der Seekost 90 fl.

Näheres bei F. J. Trenkle in Kandern

Diese Anezige ist nicht die einzige ihrer Art.
Sie zeigt nur besonders gut zwei Arten von Auswanderung
: Einmal die von Schiffahrtsgesellschaften
und Maklern organisierte Wanderung
von ganzen Bevölkerungsgruppen; dies war vor
allem die Praxis des 18. Jahrhunderts und des
beginnenden 19. Jahrhunderts gewesen, als die
aufstrebenden Uberseeländer ihren Bedarf an
Arbeitskräften im alten Europa rasch zu decken
versuchten. Mit dem 19. Jahrhundert setzt dann,
begünstigt durch den Ausbau des Weltverkehrs,
die Auswanderung von Einzelpersonen ein; diese
zweite Art findet sich in der Anzeige durch das
Angebot der Reisemöglichkeiten ebenfalls vertreten
. Sie ließ der Initiative des Einzelnen mehr
Spielraum und wandte sich hauptsächlich an die
Entschlosseneren unter denen, die in der europäischen
Heimat keine Existenz mehr fanden
oder zu finden glaubten.

Mit dem Jahre 1857 war die Aus Wanderungsbewegung
in Baden zwar bereits im Rückgang,
doch lassen sich fast in jeder Zeitungsnummer
unter der Rubrik der amtlichen Bekanntmachungen
immer noch die stereotyp gehaltenen und
dreimal erscheinenden Auswanderungsanzeigen
finden, deren eine (Amtl. Verk. Bl. Nr. 26 vom
27. Februar 1857) hier mitgeteilt sei:

Auswanderung

(3) Nr. 3985. Jakob Brünner, Johann Jakob ötlinger
und Anna Guhl, sämtliche ledig und volljährig von
Grenzach, beabsichtigen, nach Südamerika auszuwandern
. Es wird daher Tagfahrt zur Schuldenliquidation
anberaumt auf Montag, den 2. März ds.
Js., früh. 8 Uhr. Hierbei haben etwaige Gläubiger
ihre Forderungen umso gewisser anzumelden, als
ihnen sonst von hier aus nicht mehr zur Befriedigung
derselben verholfen werden könnte.
Lörrach, den 18. Februar 1857

Großh. Bezirksamt: Winter

Bis der Auswanderungslustige in der Heimat
seine Geschäfte abgeschlossen und die behördliche
Erlaubnis zum Verlassen des Vaterlandes
hatte, verging wohl mancher Monat. War es aber
so weit und wurde es Ernst, so gab ihm die Heimat
ihr Mitgefühl und ihren Segen mit auf den
Weg in die Fremde — ganz so, wie im „Oberländer
Bote" Nr. 33 vom 16. 3. 1857 berichtet ist:

„Grenzach, 11. März. Gestern abend verließen elf
Glieder der hiesigen Gemeinde die heimischen Ufer
des Rheines, um solche mit denen des La Plata, im
fernen Südamerika, zu vertauschen. Es war darunter
eine Familie mit drei Kindern unter 7 Jahren,
die übrigen ledige Personen.

Bei einer großen Menge von Zuschauern fuhren
dieselben unter zahlreicher Begleitung von Freunden
und Verwandten auf dem Rheine ab, um in
Basel zu übernachten.

Schwer, ja zentnerschwer, lag ihnen, wie es in dem
bekannten Liede heißt, der Abschiedstag auf der
Seele, und das Scheiden von der ihnen vielleicht
erst jetzt recht lieb gewordenen Heimat, von Eltern
und Freunden schien ihnen fast unmöglich. Besonders
rührend war der Abschied einer Tochter von
ihrem greisen Vater, so daß kaum ein Auge der
Zuschauer von Tränen leer blieb.

Noch aus dem Schiffe erscholl den unter bangen
Gefühlen Zurückgebliebenen das letzte Lebewohl.
Möchten die Scheidenden in ihren Hoffnungen nicht
getäuscht werden!"

Der Verfasser des rührenden Artikels ließ es damit
noch nicht genug sein, sondern fügte auch
noch ein Gedicht bei; es lautet:

„Vom sichern Borde stieß der Nachen
Hinaus auf den bewegten Rhein;
Läuft er wohl an La Plata's Ufern
Auch in den sichern Hafen ein?

Warum ergreift für ferne Zonen
Ihr doch den morschen Wanderstab?
Beut ja zuletzt doch Mutter Erde
Euch hier wie dort — ein stilles Grab.

Fischer".

Reguläre Auswanderung war jedoch nicht der
einzige Weg, auf dem das Markgräflerland jener
Tage an Bevölkerung und Arbeitskräften Einbuße
erlitt. Es gab auch damals schon die Werbebüros
der verschiedenen Fremdenlegionen, die
junge Männer an sich zu ziehen versuchten. Von
solchen Büros im Oberland ist verschiedentlich
die Rede. So übernimmt der „Oberländer Bote"
Nr. 26 vom 27. Februar 1857 die Nachricht eines
Korrespondenten der „Freiburger Zeitung" aus
den Niederlanden:

„Auf Antrag des Ministers der Kolonien soll auf
der Schweizer Grenze ein Werbehaus für unsere
Kolonialarmee errichtet werden. Der Großherzog
von Baden hat seine Einwilligung zur Errichtung
eines Werbe-Depots in Lörrach gegeben. Der
Lieutenant-Colonel Scharten aus der indisch-niederländischen
Armee ist zum Commandanten des Depots
ernannt und wird ' sein vollständiges Cadre
haben".

Die Redaktion des „Oberländer Boten", die es

besser als die Freiburger wissen mußte, bemerkt

hierzu noch:

„Bis jetzt ist hier in Lörrach von Errichtung eines
solchen Werbehauses noch gar nichts bekannt geworden
; es sind dazu noch keinerlei Einleitungen
hier getroffen, wir haben noch keine königl. niederländischen
Offiziere gesehen, müssen deshalb die
Richtigkeit vorstehender Nachricht vorerst noch bezweifeln
".

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