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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-02/0018
War der Freiburger Korrespondent demnach
einer Zeitungsente aufgesessen? Oder war der
Artikel nur eine Selbstanzeige des Werbebüros,
das mit dem Hinweis auf die vom Großherzog
gegebene Erlaubnis Stimmung für sich machen
wollte? Das letztere ist wahrscheinlicher. Und
stimmte es mit dieser angeblichen großherzoglichen
Erlaubnis? Leider ist darüber nichts zu
hören. Auch nichts derart, daß sich die großherzogliche
Regierung gegen jenen Artikel und gegen
das Werbebüro überhaupt gewandt hätte.
Es blieb den Eidgenossen überlassen, das Treiben
der fremden Werbebüros am Oberrhein
anzuprangern. Unter dem 13. März 1857 druckt
der „Oberl. Bote" eine Schweizer Stimme ab:

„Die „Basler Zeitung" schreibt: Über das holländische
Werbedepot in Lörrach wendet sich der Bundesrat
um genauere Erkundigungen an Baden. Zugleich
hat er an die Kantone ein Kreisschreiben erlassen
, in dem auf die Nachteile dieses indischen
Dienstes aufmerksam gemacht wird. Bei der holländischen
Einrichtung, daß die Offiziere aus besonders
formierten und nur aus Landeskindern bestehenden
Unteroffiziersbataillonen gezogen werden, ist jedem
Fremden der Eintritt in das Offizierkorps verschlossen
. Für Gemeine und Unteroffiziere sind aber die
Besoldungs- und Pensionsverhältnisse der Art, daß,
wer auch dem tödlichen Klima widersteht, doch
keinem auch nur halbwegs geschützten Alter entgegensehen
kann. Die kontonalen Behörden werden
deshalb ermahnt, auf allfällige Werber ein scharfes
Auge zu haben".

Auch die nächste Warnung kommt nicht von der
badischen Regierung, wie man nach dem Vorangehen
der Schweizer hätte erwarten sollen, sondern
aus Bayern. Am 18. 3.1857 übernimmt der
„Oberländer Bote" (Nr. 34) einen Artikel aus der
„Neuen Münchener Zeitung":

„Die Kreisamtsblätter des Königreichs warnen, unter
Hinweisung auf die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen
, die bayerischen Staatsangehörigen vor
dem in Lörrach errichteten niederländischen Werbedepot
..., wobei den Behörden zugleich der Auftrag
erteilt wird, bei Ausstellung und Visierung von
Reiselegitimationen auf jene Bestimmungen gegen
den unerlaubten Eintritt in fremde Dienste besonders
hinzuweisen und gegen Zuwiderhandelnde einzuschreiten
".

In der gleichen Nummer des „Oberländer Boten"
kommt noch einmal eine Schweizer Stimme zu
Wort:

„Bei Anlaß der Warnungen des Bundesrates vor
dem Werbebüro in Lörrach hat der Regierungsrat
von Aargau den Bundesrat aufmerksam gemacht,
daß seit bald zwei Jahren in Säckingen, also unmittelbar
an der Schweizer Grenze, ein Werbedepot
für Neapel bestehe, dessen Tätigkeit namentlich auf
die Schweiz berechnet sei, und von dem sehr zu
wünschen wäre, daß demselben durch geeignete
Verwendung bei der badischen Regierung Einhalt
getan werden könnte".

Wie die Sache weiterging, weiß der Chronist
nicht mehr zu berichten. Doch nun zur eigentlichen
Auswanderung zurück. Und hier ist von
Interesse, daß um eben die Zeit jener Vorgänge,
die eingangs geschildert wurden, nach Ausweis
der „Freiburger Zeitung" das neueste, 5. Heft
der von dem Großh. Ministerium des Innern herausgegebenen
„Beiträge zur Statistik der inneren
Verwaltung des Großherzogtums Baden'' herauskam
. Es behandelte die Auswanderung in den
Jahren 1840 bis 1855. Die „Freiburger Zeitung"
und nach ihr der „Oberländer Bote" (Nr. 25 vom

25. Febr. 1857) faßte die Ergebnisse des Heftes
wie folgt zusammen:

„Während in den Jahren 1840—49 im Ganzen nur

23 966 Personen auswanderten, verließen in den
Jahren 1850—1855 62 444 Personen die Heimat, um
in fernen Ländern eine neue zu suchen. Unter diesen
86 410 ausgewanderten Personen befanden sich
14 002 Familienhäupter mit 47 978 Angehörigen und

24 430 ledige selbständige Leute. Darunter sind jene
— meistens ledige Personen — nicht begriffen, die
ohne förmliche Auswanderungserlaubnis außer
Land gezogen sind, deren Zahl aber nicht zu ermitteln
ist, da sie stets wieder zurückkehren können.
Von den Ausgewanderten fallen 42 919 auf die
Klasse der Landwirte, 23 559 auf jene der Handwerker
und 19 932 Personen hatten andere Erwerbszweige
. Die weit überwiegende Mehrzahl (81701)
ging nach den nordamerikanischen Ländern. Die
Gesamtsumme des mitgenommenen Vermögens berechnet
sich auf 15 006 716 fl., worunter 13 230 297 fl.
eigenes Vermögen der Auswanderer sich befanden
und 1 776 419 fl. die gewährten Unterstützungen
betrugen; im Durchschnitt fallen auf den Kopf etwa
173 fl. Dabei ist übrigens nicht gerechnet, wäs jene
Personen mitnahmen, die ohne Erlaubnis fortgingen
, und was zum Behuf der Auswanderung aus
Amerika von Anverwandten gesendet wurde.

Der Betrag des Reiseaufwandes war, wenn eine
größere Anzahl Personen gleichzeitig nach Amerika
auf Staatskosten befördert wurde, 92 fl., bei einzelnen
Auswanderern dagegen stieg er auf 100 bis
125 fl., je nach der Höhe der jeweiligen Uberfahrtspreise
. Während 1854 die Zahl der Auswanderer auf
21 561 Personen gestiegen war, fiel sie 1855 auf
3 334 Köpfe und scheint die eingetretene Besserung
der allgemeinen Lage des Arbeiterstandes auch in
dieser Beziehung vorteilhaft eingewirkt zu haben".

(Fr. Ztg.)

Die Zahlen sind beachtlich, wenn man sich vor
Augen hält, daß Baden 1855 1314837 Einwohner
zählte. Zur Ergänzung der obigen statistischen
Angaben diene jedoch ein Artikel vom November
des Vorjahres (1856), den der „Oberl. Bote"
(Nr. 137 vom 17.11.1856) aus der „Bad. Landeszeitung
" übernommen hatte:

„Die Auswanderungen nach den überseeischen
Staaten haben in den letzten zwei Jahren außerordentlich
abgenommen. Die Auswanderung des
Jahres 1855 hat kaum ein Drittel der von 1854 erreicht
. Durch herbe Erfahrungen des Jahres 1854
wurde der Glaube erschüttert, als seien die Vereinigten
Staaten nicht nur das Asyl einer erwünschten
bürgerlichen, rein politischen Freiheit, sondern
auch eine unerschöpfliche Quelle sicheren Verdienstes
für alle, die dahin kommen. Aber auch im
Inland h|ben sich die Ansichten geändert. Vor
nicht langer Zeit wurden Leute auf Kosten der
Regierung und einzelner Ortschaften zum Auswandern
veranlaßt, als ob die Auswanderung ein Heilmittel
gegen die Armut sei. Jetzt ist man davon
zurückgekommen. Man wendet, statt Auswanderer
zu unterstützen, die Aufmerksamkeit darauf, neue
Industriezweige einzuführen und überhaupt auf die
richtige Verbindung einer gesunden Industrie mit
dem Ackerbau. Dieses Verfahren hat in unserem
Großherzogtum schon die besten Früchte getragen.
Wir wollen nicht an die verschiedenen Industriezweige
im Schwarzwald erinnern, sondern erwähnen
unter anderen nur die vielen Zigarrenfabriken,
welche in vielen Orten errichtet sind und Hunderten
einen sicheren Verdienst geben".

Mit diesen Überlegungen jst aber nun bereits
ein anderes Thema angeschlagen — sie rühren
an die gesamte soziale Frage jener Zeit. Über sie
wie über die wirtschaftliche Lage einzelner Bevölkerungsgruppen
Badens und des Markgräfler-
landes soll ein andermal berichtet werden.

Julian H.

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