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ihm die Hurstin einen Krug Apfelwein aus dem
Keller holte.
So war der Hursten - Ambrosi alt geworden.
Und eines Tages lag er krank in der Kammer
und der Doktor machte ein bedenkliches Gesicht.
Die Hurstin lief mit verheulten Augen durchs
Haus und fragte den Ambros wohl zwanzigmal
am Tag, ob er gern etwas Besonderes haben
möchte. Und da fiel dem Ambros denn auch
etwas ein:
„Eine Flasche Bier möchte ich", sagte er am
zweiten Tag.
„Eine Flasche Bier!", sagte die Frau. „Mann,
ich glaub du stirbst mir!"
' So einen Wunsch hatte der Hurst sein Leben
lang nicht kundgetan. Die Hurstin wunderte sich.
Aber sie war nicht vom Schlag jenes schwäbischen
Wingerterweibs: Als dessen Mann im
Sterben lag und vor seinem Ende doch einmal
von einem stets auf später gesparten, besonders
guten Fäßchen zu kosten begehrte, sagte das
Weib zu ihm: Gang, behilf dich jetzt noch vollends
ohne den Wein! — Nein, die Hurstin gönnte
ihrem Ambrosi die ersehnte Flasche Bier. Gleich
schickte sie die Tochter in den „Pflug" hinüber,
im Nu war die wieder da und die Hurstin konnte
ihrem Mann einschenken.
Der sah durstig zu, wie das Bier golden ins
Glas floß und der weiße Schaumkranz sich zum
Glasrand hob. Gierig schnupperte er den kühlen
Duft ein und trank langsam und andächtig.
Es schmeckte, das Bier. Kein Wunder. Der
Ambrosi hatte ja ein Leben lang darauf gewartet
. Dafür schmeckte es ihm jetzt, wie kein Trunk
ihm je vorher geschmeckt hatte. Während er
trank, stiegen Bilder in seinem Hirn auf: Er sah
sich auch einmal im Wirtshaus sitzen, in der
Runde der Altersgenossen, — auch sein Hut
hing an den Rehgehörnen, — auch für ihn
schlurfte der Pflugwirt zur Theke, um auch für
ihn ein Glas ums andere zu zapfen. Und auch er,
der Hursten-Ambrosi, legte mit lauter, erhobener
Stimme den anderen seine Meinung dar, über
das Wetter, das Vieh und die Politik.
Die Vision verging, als der Ambrosi das Glas
geleert hatte und absetzte. Aber der Geschmack
des Biers war noch frisch auf seiner Zunge, und
er schmatzte und sagte:
„Wenn ich gewußt hätte, daß Bier so gut ist,
wäre ich als auch in den Pflug gegangen!"
„Komm, Mann, trink noch einmal", sagte die
Hurstin und füllte das Glas wieder.
Der Hurst trank. Es schmeckte schon nicht
mehr so gut wie beim ersten Glas, und auch die
Bilder blieben diesmal aus. Statt dessen sah er
über den Rand des Glases auf das wohlhäbige
Bettzeug, auf die sauber tapezierten Wände der
Kammer, durchs Fenster auf die schöngehaltenen
Apfelbäume im Hausgarten, auf Scheuer und
Stall und auf seine Felder dahinter. Er sah Frau
und Tochter mit bekümmerten Augen an seinem
Bett stehen. Und plötzlich war er wieder sehr
zufrieden mit sich und seinem Leben und wie er
es geführt hatte. Und das, was beim ersten Glas
als Wunschtraum in ihm aufgestiegen war, erschien
ihm plötzlich nicht mehr begehrenswert.
Wozu andere ein Leben lang braudien, geschah
ihm in einem Augenblick: Er erkannte die Leerheit
des Biertischgeredes, die Langeweile der in
den Wirtshäusern verhockten Nachmittage, die
Schalheit aller jener Wünsche, die man nur entstehen
läßt und befriedigt, um es anderen gleich
zu tun. Als der Hurst soweit war, schlenkerte er
mit dem gewohnten verächtlichen „Äh, so ebbs!"
die Hand zur Seite.
Und da die Frau ratlos stand, weil sie' die
verachtende Gebärde auf den eben noch so gelobten
Trank bezog, hielt ihr der Ambrosi das
leere Glas zum Füllen hin und sagte: „Das Bier
meine ich nicht damit; schenk ein, was noch da
ist!" — Und trank fröhlich auch noch den Rest.
Der Hursten - Ambrosi ist danach nicht mehr
aufgestanden. Aber bis zuletzt blieb er zufrieden
und freute sich, daß ihm das Bier so geschmeckt
hatte, — daß er so lange darauf hatte warten
können und — daß er dabei gar nichts versäumt
hatte.
Im Markgräflerland vor hundert Jahren (8)
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Ein neues Schützenhaus in Lörrach? — Wer
würde den Lörrachern ein so kriegerisch ange- 1
hauchtes Unternehmen — ein neues Schützenhaus
zu bauen — zutrauen? Nun, wir sind, wenn
wir vom neuen Lörracher Schützenhaus reden,
nicht im Jahre 1957, sondern runde hundert
Jahre davor. Und vor genau hundert Jahren, im
März, wurde der Bau dieses neuen Schützenhauses
begonnen, dessen Name dann auf den
heute noch stehenden Gasthof „Schützenhaus"
überging. Wer aber von denen, Hand aufs Herz,
die im heutigen „Schützenhaus" einkehren, weiß
noch etwas von jener versunkenen Zeit, und
weiß noch davon, weshalb das schöne Lokal, in
dem er sitzt, einen so militärischen Namen hat?
Graben wir wieder einmal in den alten Zeitungen
, um zu finden, was wir wissen wollen. —'■
Unterm 23. März 1856 berichtet der „Oberländer
Bote" (Nr. 36):
„Lörrach, 21. März. Die Grundsteinlegung des neuen
Schützenhauses wurde diesen Mittag im Beisein der
hiesigen Herren Beamten, welche besonders zu dieser
Feier eingeladen waren, der Schützen, der Aktionäre
, sowie vieler sonstiger Einwohner und Bürger
vorgenommen. Vor der Grundsteinlegung geschah
eine Ansprache des Schützenvorstandes, Herrn Bürgermeister
Kalame, und wurde von Herrn E. Herbster
die dem Grundstein einverleibte Urkunde verlesen
. Ansprache und Urkunde wird der „Bote" im
nächsten Blättchen mitteilen".
Und wirklich findet sich in der nächsten Nummer
(Nr. 37) des Blattes beides abgedruckt. Hören
wir zuerst, was der Herr Bürgermeister und
Schützenvorstand zu sagen wußte: Nachdem er
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