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rheinischen Tiefebene, infolge der durch Hochwasser
verursachten ständigen Ab- und Um-
lagerung seiner Schotter in ein Gewirr von
Wasseradern auflöste mit Inseln und Kiesbänken
dazwischen. In großen Windungen durchzieht der
Rhein die von ihm geschaffene Ebene, indem er
sein Bett durch die niedersinkenden Sand- und,
Kiesmassen fortwährend erhöht und daher bei
Hochwasser eine schwere Gefahr darstellt. Um
dieser Gefahr zu begegnen, hat man den Flußlauf
durch Dämme gesichert, manche Windungen
abgeschnitten und auf diese Art das Gefälle vergrößert
. Dem selben Zwecke diente auch die
Verlegung der Rheinmündung. Während der
Fluß früher bei der sog. „Rheinspitze" in den
See mündete, das heißt an St. Margarethen und
Rheineck vorbeifloß, wurde ihm nun ein direkter
Weg gewiesen. Eine dritte, die älteste Mündung,
heißt „Rohrspitze". Auch an der neuen Mündung
hat der Rhein seine aufschwemmende Tätigkeit
wieder aufgenommen. Noch eine ganze Strecke
weit in den See hinein vermag man die trüben,
braunen Fluten des Flusses vom grünblauen Seewasser
zu unterscheiden. Dann sinkt das schlammige
und sandige Rheinwasser infolge seiner
Dichte und Schwere nieder und setzt auf dem
Boden des Sees seinen Lauf gegen Konstanz fort,
wo es geklärt aus dem großen Destillierbehälter
des Obersees heraustritt. Durch Lotungen hat
man das unterseeische Bett des Rheines eine
ganze Strecke weit von der Mündung an der
„Rheinspitze" recht genau feststellen können.
Dasselbe ist der Fall bei der Mündung des Flusses
in den Untersee, die nach einem kurzen Lauf
von vier Kilometern nach seinem Austritt aus
dem Obersee erfolgt.
Der Bodensee und der weitere Lauf des
Rheines von Konstanz bis Schaffhausen sind eingebettet
in die geologische Formation der Molasse
. Diese besteht hauptsächlich aus einem
wenig festen Sandstein von grünlich grauer
Farbe. Die Molasseschicht ist größtenteils bedeckt
mit Lehm und Sand, welche in der Eiszeit
durch den Rheingletscher über die Landschaft
ausgebreitet wurden. Die weiche Gesteinsart hat
auf der Strecke von Stein bis Schaffhausen die
Form der Rheinufer beeinflußt. Das Bett des
Flusses erreicht hier mit 300 Metern die größte
Breite auf der ganzen Strecke bis Basel. Die Ufer
sind flach; Schnellen fehlen im Fluß. An einigen
Stellen durchschneidet hier der Rhein die Endmoränenzüge
des ehemaligen Rheingletschers, so
bei Stein, Dissenhofen und Schaffhausen. In der
der Eiszeit vorangehenden geologischen Periode
ist der Rhein nicht nach Westen zu in der heutigen
Richtung geflossen, sondern nach Norden hin
zur Donau; erst später hat er vom Bodensee aus
den Weg nach Schaffhausen eingeschlagen.
Ganz im Gegensatz zur Strecke von Stein bis
Schaffhausen ist das Rheintal von Schaffhausen
bis Waldshut oft schluchtenartig eng, und auch
von hier abwärts bis Basel ist das Tal nicht sehr
weit; eine eigentliche Talaue fehlt. Aus dem
Molassegebiet tritt der Rhein in das Gebiet des
Juras und durchbricht in engem Tal die Jurakette
. Kurz unterhalb von Schaffhausen zieht
sich eine Kalksteinbarre quer durch das Flußbett.
Das Gefälle des Rheins nimmt zu, sein Bett wird
schmäler, zahlreiche Klippen ragen aus dem
Wasser heraus. Schäumend und tosend erreicht
der Fluß bei Neuhausen den Rand jener Kalksteinbarre
, um nun mit Donnergetösev in ein 15
bis 24 Meter niedrigeres Bett herabzustürzen.
Oberhalb des Falles führt eine 192 Meter lange
Brücke über den Strom. Von der Brücke ab fällt
das Wasser 24 Meter; der eigentliche Fall beträgt
auf der linken Seite 19, auf der rechten Seite
15 Meter, seine ganze Breite 160 Meter. Ungefähr
700 Kubikmeter Wasser wälzen sich in jeder
Sekunde mit Donnergetöse hinab in das Becken.
Der Rheinfall wird durch vier Kalkfelsen in zwei
große und drei kleine Fälle zerlegt. Das Wasser
hat tiefe Rinnen in sein Felsenbett gegraben.
Wenn der Rhein im Winter einen sehr niedrigen
Wasserstand aufweist, kann man trockenen Fußes
ein gutes Drittel der Felsbank überschreiten
und dabei die Spuren der ausnagenden Tätigkeit
des Wassers beobachten, ganze Reihen von Vertiefungen
, die durch die Wirbel mit Hilfe rundgeschleuderter
Steine ausgehöhlt wurden. Das
Becken unterhalb des Falles hat eine größte
Tiefe von 13 Metern. In grauer Vorzeit hat der
Kalksteinwall den Fluß gänzlich abgesperrt, so
daß sein Wasser ihn nur in schmaler Rinne
durchsägt. Der Bodensee wurde dadurch aufgestaut
und hatte damals, wie schon gesagt, einen
zwei- oder dreifach größeren Umfang als heute.
Aber unablässig arbeitete das Wasser an der
Vertiefung der Rinne, bis es den heutigen Durchbruch
geschaffen hatte. Durch die ausnagende
Tätigkeit der herabstürzenden Wassermassen
schreitet der Wasserfall langsam aber sicher
rückwärts. In einer Zeit von rund 18 000 Jahren,
das heißt von der letzten Eiszeit ab, ist der
Rheinfall allerdings nur um 40 bis 60 Meter
zurückverlegt worden.
Eigenartig ist die Richtung, welche der Rhein
von Schaffhausen ab einschlägt. Er fließt nicht in
gerader Richtung nach Westen auf Waldshut zu,
er nimmt vielmehr, einen rechten Winkel bildend
, seinen Lauf nach Süden bis zur Mündung
der Töß. Bei Rheinau bildet alsdann der Rhein
eine doppelte Schlinge und durchläuft bis Kaiserstuhl
eine Molasselandschaft. Von der Tößmün-
dung ab schlägt der Fluß von neuem den Weg
nach Westen ein und betritt den sog. Tafeljura.
Das Stück des Rheintales von Schaffhausen bis
Waldshut, in welchem der Fluß von seinem geraden
Weg nach Westen abweicht, macht den Eindruck
junger Bildung, da es, wie schon erwähnt
wurde, stellenweise schluchtartig eng ist. Häufig
läßt das Tal keinen Platz mehr übrig für
menschliche Ansiedlungen. So muß der Rhein in
früheren geologischen Perioden wohl einen anderen
Weg eingeschlagen haben als den heutigen
über Rheinau, Eglisau, Kadelburg. Und in der
Tat öffnet sich bei Schaffhausen ein breites Tal,
welches über Neunkirch, Erzingen, Tiengen zur
Aaremündung führt, das heißt den heutigen südlichen
Bogen des Rheines vollständig schneidet..
das ist das ehemalige Rheinbett! Ähnlich wie
das Tal von Sargans zum Walensee heute von
der kleinen Seez durchflössen wird, nachdem der
Rhein es verlassen hat, so fließt durch das Neun-
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