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K. Schäfer:
Die Jahrzehnte zwischen der blutigen Auseinandersetzung
um die spanische Erbfolge und
den Revolutionskriegen am Ausgang des achtzehnten
Jahrhunderts waren für die Stadt
Neuenburg unglückselige Zeiten. Nur mühsam
war das Gemeinwesen in erbärmlichen Hütten
wieder erstanden. Es hatte kein einziges Bauwerk
mehr aufzuweisen, das es mit seiner reichen
Vergangenheit verknüpft hätte. Auch blutsmäßig
war es nur ein dünnes Rinnsal, das aus
jener besseren Zeit herüberführte. Zu den wenigen
alten Geschlechtern, die schon vor dem
Dreißigjährigen Krieg hier ansässig waren, hatte
sich von „überall her" zusammengelaufenes armes
Volk gesellt. So fehlte der Einwohnerschaft
der innere Zusammenhalt und die stärkende
Tradition. Streit und unerquickliche Reibereien
wurden zum dauernden Zustand. In dieser Zeit
hier ein Amt zu führen, erforderte starke Nerven
. Wer gerade und gerecht walten wollte,
mußte scheitern. So wurden die Ämter gleichgültig
und schlecht geführt. Wer an der Krippe
saß, versuchte sich zu bereichern. Unfähigkeit,
Unehrlichkeit und Uneinigkeit ließen das Gejammer
von der „armen detruirten Stadt" nicht
verstummen.
Am 19. September 1761 schrieb der damalige
Bürgermeister, J. Jacob Weiß, folgenden erschütternden
Brief an die Regierung:
„Exzellenz und Gnaden
Weilen ich in die 5 Jahr albereith daß schwere
und verdrißliche Ambt best Möglichst, und mir
in vilen stuckhen zum Nachtheil, als Burgermeister
versehen, So komme, und bitte gantz
unterthänig, und dehemüthig: Ewer Exzellenz
und Gnadten wollen mich Gnädigst von disem
Ambt in gnadten und Ehren entlaßen nit auß
Forcht nit Ehrlich gethan zu haben, auch nit
wegen sehr geringer Besoltung, Sondern nur
damit ich nit zeitlich in Ruin und gar umb mein
Leben kommen möchte / einem antren Tauglicheren
Fridlibenten Subjecto ahnzuvertrauen,
welchem die Burger etwann beßeren, gehorsamb
erzeigen, in deme ich nichts von denen.... als
Halßstarrigkeiten, grobheiten, und böße Mäuler
erdulten muß, daß einer vor Zorn sterben möchte
, executorial mittel hab ich keine als allein den
Stattknecht der sein schultigkeit thut so viel er
kan, aber allein ein Mann vermag wenig gewalt,
wann ich einen Burger obligiere in Thurm zu
gehn, muß ihm wohl gelegen Sein wan er geht,
wans ihm nit gfalt, Sagt mir Trotzig ins gesicht
er gehe nicht, deren Exempel ich mehrere hab,
Thue ich vor gesambter Burgerschaft eins und
daß anter gebiethen, geschieht eben daß Wider-
spihl.
Eben also geht es mit denen Stättisch und
Landtständtischen geltern, wer gern etwaß zahlt
der bringt, wer nit gern zalt der bringt nichts,
ob gleich die Ständtische execution da bestet
oder nicht. Es geht zwar denen Halßstarrigen mit
guttem Excempel Herr Schultheiß Xaveri Weber
vor, welcher auf kein Raths Conclusum noch
schärfste ermahnungen in Zahlungß Sachen acht
gebet, wie es dan daß protocol wegen ihme extra
gehaltenen Rath zeigen wirt, Ja als mann ihme
wegen seiner Halßstarrigkeit ein S:V: Par stiere
auf 3 Tag in arrest, wegen seines Ruckhstandts
in daß Contributionale Nehmete, in Verwahrung,
beym Würthshauß zum schlißel thäte, käme Sein
deß Schultheißen Bruder Nepomuck Weber, wel-
Stiller Winkel in Britzingen Pederzeichnung von Fritz Kammer
eher ledigen Standts, Nähme die S : V : Stieren
gewalthätig hinweg, schändtete, und verschmä-
hete auf öffentlicher gaßen nit mich allein, sondern
alle deß Raths, mit disem Zusatz als er die
S:V: Stiere nach Hauß triebe steiner auf gehebt,
mordt und Dodt ahngethroet, über welches ich
wehrentem Trieb einem und dem Anterm Burger
zu geruffen Solche Stieren zuruckh zue Treiben
nit passieren zu Laßen, hat Niemandt Handt
ahnlegen wollen. Deren und viele anter umb-
ständt könnte noch bey bringen, welche mir
mein Leben baldt kurtz genug machen würten,
wann Ewer Excellenz und Gnaden mich dises
Ambts nit entladten würten, es ist Hochdenen-
selben nur schon zu viel bekant die Klägten die
von einem gegen den Antern ahn die Hohe Stell
eingeloffen, welches mir So widrig als sehr ver-
trießlich fallet.
Gelanget demnach ahn Ewer Excellenz und
Gnadten meine gantz unterthänig gehorsambste
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