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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-04/0012
Bitt, Hochdieselbe geruhen Gnädigst, möchten
doch mir dises so beschwärliche Bürgermeisteramt
in Gnadten abnehmen, welches mir nit so
vest in den mein... zwar geringen Verdienst
nachtheilig, als meinen Güttern sehr schädtlich
ist. Werte für dise Gnadt Zeit meines Lebens
mit meinem unwürdigen gebett für diselbe so
große Gnadt zu Gott bitten. Zu Hohen Hult und
Gnadten mich Empfehlent in Diefester Ehrfurcht
verharrent

Ewer Excellenz und Gnadten
gantz Devotister Diener

Neuenburg, den 19ten Sept. 1761

J. Jacob Weiß, Burgermeister.''

Die Regierung nahm diesen Alarmruf keineswegs
tragisch. Sie ließ sich Zeit und forderte
erst am 30. September (das Schriftstück trägt
den Vermerk: „Postirt den 30ten 8bris") den
Magistrat auf, ihr zu berichten, ob man dem
Bittsteller willfahren könne oder welche Bedenken
dagegen stünden.

Kanzlei Verwalter Klein schreibt am 19. XI.
im Namen der Ratsherren, es wäre wohl besser,
ihn zu entlassen, da „zu muthmaßen Bevorstehet,
daß in nicht Entlaßungs Fahl Er der Burgermeister
sich gar zu Rar machen, und das gemeine
Beste nicht allerdings Erforderlicher Maßen
Besorgen, sondern vielmehr seinen aigenen ge-
schäfften nachgehen, auch auf Etwaige Amts
Erinnerung jedesmallen schlechthin antworthen
dörffte, daß mann Ihne mit gewalt zu dißem
Ihme ohnanständigen Amt angehalten habe".
Klein bittet, daß man den Schultheißen Weber
zur Ordnung ermahnen möge.

Die Regierung forderte den Amtmann von
Kornritter zu Kenzingen auf, den Fall zu untersuchen
und bei dieser Gelegenheit auch das ganze
Rechnungswesen zu überprüfen. Bürgermeister
Weiß aber blieb ohne Antwort. Nach sieben
Monaten, im April 1762, hielt er sich für berechtigt
, erneut bei der Regierung seine Amtsentlassung
zu beantragen. Er bittet dabei von sich aus,
die Rechnungen der Gemeinde und der „milden
Stiftungen" vorzunehmen, „damit nicht erst hin-
nach Zwischtig- und Verdrißlichkeiten sich äußeren
möchten". Seine Schrift ist nicht wieder zu
erkennen. Während die Wortbilder des ersten
Schreibens die gedrückte Seelenhaltung des
Schreibers widerspiegeln, zeugt die große
schwungvolle Schrift der zweiten Eingabe davon,
wie befreit sich Bürgermeister Weiß nach seinem
Entschluß gefühlt haben muß.

Inzwischen trat der rabiate stierhaltende
Schultheiß auf den Plan. Es war schon Juni geworden
. Er erhebt Klage gegen Bürgermeister
Weiß, daß er „ohnerachtet der wöchentlich
ordinari abreiß nach Basel und Freyburg . . . erst
jüngsthin eine lange reiß in das niedterlandt vor-
genohmen, und nunmehro würcklich" im Begriff
stehe, wieder für eine längere Zeit zu verreisen.
Wie soll sich dies mit dem Nutzen der Stadt ver-
einbaren lassen? Unerhört verschwenderisch
gehe aber der Rat vor. Dieser habe beschlossen,
eine gesprungene Glocke umgießen zu lassen,
was mindestens 140 Gulden kosten würde. Doch
nicht genug damit, habe man auch vor, die äußeren
„Uhren Plätter" zu erneuern. Auch diese
hier aufzuwendenden 80 Gulden würden besser
„für den contributionale oder sonstig noth-
wendtigen abzahlungen" verwendet werden. Der
Kanzleiverwalter Klein und der Deputationsrat
Rößler seinen mit großem Mißtrauen zu betrachten
.

Zehn Tage später folgt ein zweites Schreiben,
in dem Weber der Regierung mitteilt, daß Bürgermeister
Weiß nun tatsächlich abgereist sei,
„ohne mir ein worth melden zu laßen". Der Giftspritzer
folgt sofort nach: „Das von so viellen
Passivi beängstigte Neuenburg hat ja nicht noth-
wendig die aufgab der Besoltung, wo solche nicht
verdienet wirdt". Die contributionali liegen ihm
besonders am Herzen, denn er möchte gerne auch
dieses Geld dafür verwendet sehen. Aber noch
ein besonderes Vorkommnis hat der Ankläger
vorzubringen: „Es geschah nemblich, daß ein
gewißer ledtiger mensch ohnweith hier wohnhaft
zu einer hießigen Tochter amori causa gekommen
, disem nun boßetten die hießig leedige Purschaft
und nahmen ihme bey nacht den sattel,
weillen sie aber sorgeten Sie möchten den unrechten
Sattel haben, als restituirten sie solchen
ohne einziges getümel, warteten aber dannach
auf die.. . Person, welche gegen 1 Uhr nachts
daher gekommen attaquirten die leedigen Knaben
selbsten, welche ihme aber ratheten in der
Stille davon zu reithen, und thatten ihme kein
leidt.

Aber was geschähe? der Canzleiverwalter Klein
in favorem des Vatters qudst. Tochter wußte
einen extrarath zu bestellen, und wurden besagte
Knaben citieret. Da fienge der Can. Verw. gleich
ahn einen aydt zu explicieren, solchen vorzulesen
und trange mit gewalt ahn die Gnaben zum 2ten
mahl einen Cörperlich aydt ab zu schwöhrn,
allein die Gnaben thatten es durchaus nicht.

Ewer Excellenz und Gnaden werden es beßer
wißen ob es erlaubet so leichterdingen junge
Buben wegen einem nur verüben wollendten
Bubenstückh so gleich und ohne noth einen aydt
abzufordern... O Erschröckhlichkeit diser that,
worüber mann sich nicht nur hier, sondern in der
benachbahrten Margrafschaft sehr ärgert!" Der
Schwung der Rhetorik trägt ihn dann vollends
zur Höhe seiner Schlußfolgerung empor, daß
solch einem Menschen die Herrschaft „über alle
Schriften, Privilegien und Documenten" nicht
anvertraut werden könne.

Die Regierung nimmt auch diese „Erschröckhlichkeit
" gelassen zur Kenntnis. Man ist versucht
zu sagen, der Puls habe ihr darob keineswegs
schneller geschlagen. Sie schickt die beiden
Schreiben an v. Kornritter weiter. Darüber ist
nun schon der Juni zu Ende gegangen. Mit dem
neuen Monat trifft eine neue Anklageschrift des
Schultheißen in Freiburg ein. Diesesmal fühlt er
sich anläßlich eines Verfahrens gegen einen diebischen
Knecht übergangen. Wieder ist es der
Stadtschreiber, dem sein besonderer Angriff gilt.
„ . . . ich will aber nichts arges denckhen. Doch
will einiges nicht gefallen: die Propper außfüh-
rung in Kleydung Eßen und sehr Starckhen
Trinckhen, weil solche nicht mit dem täglichen

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