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gehalt von 28 Kr. accordieret". Uber vier Schreibseiten
breitet er seinen Unrat aus, doch die Zeit
hat seine Schrift gnädig verblassen lassen.
Am 15. Juli endlich meldet v. Kornritter der
Regierung den Empfang des Auftrages: „Und
aber dermalen mit aignen ohnaufschieblichen
Amts-Geschäften überladen, da vor 4 Wochen
außerstandt gesezet, nacher Newenburg abkommen
zu können".
Wir schreiben den 12. Oktober 1762. Seit dem
ersten Gesuch des Bürgermeisters ist über ein
Jahr verflossen. Von der inzwischen vorgenommenen
Kommissional-Verhandlung v. Kornritters
in Neuenburg erfahren wir erst durch ein wütendes
erneutes Schreiben des Schultheißen unter
obigem Datum. Er ist empört über das ihm
widerfahrene Unrecht. Kornritter habe die
eigentlichen Sünder nicht bestraft, „hingegen
mich nichmahl sattsam anhören und begreifen
wollen. Die jnjurien gleichsam nach gefallen
übergangen, mit Betrohung des Thurms und
Zuchthaus relagation viellen schreckhen causie-
ret und sich öffentlich vor den Magistrat favorabl
declarieret. Endlich aber mir die Betrohung gemacht
, daß auf dessen Commissional Bericht
meine Cassation ohnfehlbahr erfolgen würde".
Theodor Seidenfaden:
Wenn der alemannische und der rheinfränkische
Schelmsinn aufeinanderstoßen, gibt es, wie
man zu Emmendingen am Fuße des mittleren
Schwarzwaldes sagt, ein Spiel, das selbst eine
Revolution und ihre Manifeste auf die Narrenbühne
des Lebens bringt, welche Wahrheit das
Jahr achtzehnhundertundachtundvierzig nie eindringlicher
erfuhr als in dem Augenblick, der den
Studenten Karl Schurz zwang, den Pfarrer Johannes
Schnezler zu verhaften. Der Schurz stammte
aus Liblar, vier Wegstunden südöstlich von Köln,
war also Rheinländer. Er studierte in Bonn und
hatte sich von seinem Lehrer, dem Professor
Gottfried Kinkel, zum Kampfe für die durch den
Metternichgeist der Staatsmänner unterdrückten
Menschenrechte begeistern lassen. Der Schnezler
hingegen, dessen Wiege im oberen Kinzigtal
gestanden hatte, zu Schiltach, wo die Berge
dickschädlig aneinanderrücken, war Alemanne,
Schwarzwälder, hielt ani Hergebrachten fest und
besaß doch die Kraft, über sich selber und den
krausen Lauf der Welt zu lachen. Der gleiche,
pflegte er zu sagen, dem der Kinzig, die durch
Himmel und Höllen ihrer Wälder fahre, aber <iie
Lust zum Lied nicht verlöre! Der Schurz kam aus
der gesegneten Ebene, war zweiundzwanzig Jahre
alt und liebte die Majestät des Rheines, der von
Bonn an städtebauend wie kein anderer Strom
das Meer sucht, das Unendliche des Flutens. Der
Schnezler ging ins siebenundfünfzigste Jahr und
war seit einem Menschenalter Pfarrer zu Könd-
ringen. Es liegt in dem genannten Amt Emmendingen
, zwischen Lahr und Freiburg, und sein
Pfarrer freute sich des Lebens nicht weniger als
Schurz. Ihn band die heitere Art seiner Land-
Die Entscheidung der Regierung und den Ausgang
der Sache können wir aus dem den Fall
abschließenden Schreiben an den Stadt-Magistrat
vom 15. Januar 1763 entnehmen:
„Wir haben alles umständlich in wägung
gezohen, so der disseitig dahin abgeordnete
Commissarius, der Kürnbergische Amtmann von
Kornritter bey lezthin vorgenommener Burger-
meisterwahl und resp. Schultheiß und Raths-
Besatzung unternommen: und gleichwie selber
disseitige aüfträg und was nebst disen vorgekommen
, zu Unsrer vollständigen Zufriedenheit
in Vollzug gebracht. So wollen wir denn auch
seine ganze Commissional Verhandlung anmit
bestättigen und ratificieren, anbey aber den neu
aufgestellten Burgermeister, Stadt Schultheiß
und übrigen Magistrats Personen insgesamt, und
jedem in des besonderen auftragen, denen — von
dem von Kornritter ruckgelassenen Monitis und
Verordnungen stracks nachzuleben, ihre Amts-
Verrichtungen pflicht und Instructionsmäßig zu
besorgen, die schleunige Justiz jedermann ohn-
partheyisch zu geben, auf erhaltung guter Poli-
cey bedacht zu seyn, ... wie ein solches der Stadt
Magistrat vor Gott, der Allergnädigsten Landsherrschaft
und Vorgesezten Landesstelle zu ver-
antworthen getrauet".
schaft, in welcher sich Rausch und Traum zu
Gebilden einer Innigkeit einen, wie sie der Niederrhein
nicht kennt, weshalb ihn das schöpferische
Fluten des Studenten Schurz befremdet
hätte, wenn er ihm zu Bonn begegnet wäre.
Nein: er verschloß sich keineswegs vor Neuem —
er erkannte die Zerwürfnisse der Stunde und
hatte besorgt erlebt, wie das Vaterland sich, zumal
das sonst so geruhsame Baden, seit der
französischen Revolution vom Jahre achtzehn-
hundertunddreißig mit einem Schlage in einen
Tummelplatz politischer Leidenschaften verwandelt
hatte, und das Hungerjahr 1846/47 war ihm
ein dringlicher Mahner gewesen. Bei Konveniats,
den regelmäßigen Zusammenkünften der benachbarten
Amtsbrüder, war er wiederholt für die
Neuerer eingetreten, die Liberalen, welche das
Volksrecht und mit ihm die Einheit der deutschen
Stämme: das fortzuführen begehrten, was nach
den Freiheitskriegen stecken geblieben war. Als
jedoch der Sturm losbrach, sich zu Wien, Berlin,
Leipzig und Dresden Barrikaden türmten, von
denen aus man eine Verfassung, Wahrheit und
Recht in scharfen Schüssen erkämpfen wollte,
erschrak er und war wieder Schiltacher, dem
Überkommenes heilig bleibt.
Vielleicht bin ich, sann er, einer jener zwiespältigen
Naturen, die wie der preußische König
Friedrich Wilhelm die Forderungen eines gesellschaftlichen
, politischen und kulturellen Aufbruches
preisen, aber, zur Tat gezwungen, im
Banne des Vergangenen erstarren, Gewesenem
nachtrauern, mit den feudalen Kräften liebäugeln
und glauben, ein Metternich lebe ewig; es ist
heikel, des Menschen Gebundenheit enträtseln zu
Z>re Derljaftung
Eine Anekdote
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