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Wappen der deutschen Fürsten", schloß er, „ist
die Schnecke, ihr Schildhalter der Krebs. Wir —
die Jungen — müssen zupacken, auch die Schranken
niederreißen, die den Studenten vom Bürger
trennen. Ehre, Freiheit, Vaterland: das ist unser
Wahrspruch. Alle Deutschen sind frei, und deutscher
Boden duldet keine Knechtschaft. Fremde
Unfreie, die auf ihm verweilen, macht er frei.
Wenn die Fürsten schlafen: wir stürmen und
schaffen die Republik! Ich grüße die Farben der
Einheit: Pulver ist schwarz, rot ist das Blut, golden
flackert die Flamme!"
Die begeisternden Worte fanden in der Runde,
zu der er sprach, einen kräftigeren Widerhall als
die des Schnezler im Konveniat der Pfarrer des
Dekanats Emmendingen. Die würdigen Herren
wird die Weihnacht des Hunger jähr es nicht sonderlich
verwirrt haben, wogegen feststeht, daß
ihr Kerzenlicht den Studenten nichts bedeutete
— angesichts der Spannungen des Zeitgeschehens,
darin sie — nicht anders wie der Schnezler, den
sie nicht kannten, wie er nichts von ihnen wußte
— das Grollen einer dumpfen Trommel zu vernehmen
glaubten.
Als dann im Januar von London aus das
Kommunistische Manifest der Marx und Engels
aufschrie, Geschichte der Gesellschaft sei Geschichte
von Klassenkämpfen, als es sich gegen
den Schacher in Schafwolle, Runkelrüben und
Schnaps setzte und jenseits spekulativer Spinnweberei
feststellte, der christliche Sozialismus,
mit dem man sich brüste, sei Weihwasser der
Pfaffen, den Ärger der Aristokraten einzusegnen,
als man hörte, wie scharf das Manifest betonte,
die Bourgeoisie jage das Bedürfnis nach einem
ausgedehnteren Absatz ihrer Produkte um die
Erdkugel, seinetwegen müsse sie sich allerorts
einnisten, anbauen und Verbindungen schaffen,
als die Meißelschläge der in der Emigration geprägten
Sprache den Satz in die Seelen der Lauscher
hämmerten, die Arbeiter seien dem Kapital
Ware wie jeder andere Handelsartikel und
daher gleichmäßig den Wechselfällen der Konkurrenz
, den Schwankungen des Marktes ausgesetzt
, spürte man — zu Bonn, aber auch im
Dekanat Emmendingen — wie trächtig die Stunde
war: daß der Schnezler wie die Studenten die
dumpfe Trommel recht gehört hatten.
(Fortsetzung folgt.)
Im Markgräflerland vor hundert Jahren (9)
jözv unerfdjrotfene ©djulmrifter.
Von der sozialen Lage der badischen Beamtenschaft im Jahre 1857
Der „Oberländer Bote", jene gut geschriebene
politische und Unterhaltungsbeilage zum „Amtlichen
Verkündigungsblatt für die großherzoglichen
Bezirksämter Lörrach, Müllheim, Schopfheim
und Schönau", hatte schon gegen Ende des
Jahres 1856 eine kleine Anekdote gebracht, die
ein bezeichnendes Licht auf die soziale Lage der
Beamtenschaft jener Tage wirft. Sie griff eine
der neben Pfarrer, Akzisor, Amtmann und Richter
besonders eng mit dem Volk lebende Beamtenfiguren
, den Lehrer, heraus und gibt ein
Zwiegespräch zwischen einem auswandernden
Lehrer und einem Zurückbleibenden wieder:
„Der unerschrockene Schulmeister". — „Ich begreife
nicht, wie Sie auswandern mögen. Denken Sie nur
an die Beschwerlichkeit einer Seereise! Die Seekrankheit
, — es kann ein Sturm kommen, Sie werden
verschlagen, die Lebensmittel gehen aus und Sie
sind in Gefahr ausgehungert zu werden". — „Ausgehungert
? Ich? Mein Herr, ich bin sieben Jahre
Schulmeister gewesen, — ich werde nicht ausgehungert
!"
(„Oberl. Bote" Nr. 150 v. 17.12. 1856.)
War die wirtschaftliche Lage und Besoldung der
Lehrerschaft wirklich so schlecht, daß auch Lehrer
auswanderten? Sie war es. Weitere Notizen
aus dem „Oberländer Boten" werden das bestätigen
, und obendrein in großem Umfang. Die Zeitungen
jener Zeit standen ja insofern in einem
wohltuenden Gegensatz zu den heutigen, als sie
auch die katastrophale soziale Lage der Beamtenschaft
aufzeigten und besprachen und — wie wir
sehen werden — die Versuche der Beamten, zu
angemessener Entlohnung zu kommen, mit Gerechtigkeitssinn
und Wohlwollen beobachteten —
eben ganz anders als heute.
Wie also war die Lage der Beamten und besonders
der Lehrerschaft im Vergleich zu der
anderer Bevölkerungsgruppen? — Es mag als
Indiz dienen, daß sich ein Lehrer damals mit
Nebenerwerben befassen mußte — unter anderem
mit der Landwirtschaft. Eine Annonce im
Amtl. Verkündigungsblatt Nr. 143 v. 1. 12. 1856
lautet:
„Versteigerung. Nächstkünftigen Viehmarkt-Montag,
den 8. Dezember, vorm. 10 Uhr, versteigert Schulmeister
Greßlin in Kandern in seiner Wohnung
wegen Wegzug 90 bis 100 Ztr. Heu und öhmd an
den Meistbietenden. Die Liebhaber werden hierzu
eingeladen".
Wohin dieser Lehrer zog, ob er zu den Auswandernden
gehörte oder irgendwo ein anderes Gewerbe
ergriff, erfahren wir nicht. Ebensowenig,
ob er das Heu als Nebenbeschäftigung auf eigenen
oder gepachteten Wiesen erzeugte, oder ob
ihm gar seine Gemeinde das Gehalt in dieser für
ihn unbequemen, für sie aber äußerst kommoden
Form ausbezahlt hatte. Dabei war gerade in
bäuerlichen Gemeinden in Menge Geld unter den
Leuten. Unterm 17. 11. meldet der „Oberländer
Bote" aus dem Badischen:
„Noch niemals vernahm man so starke Klagen des
ganzen Standes der Rechtsanwälte über geringe Beschäftigung
als jetzt, obwohl ihre Zahl bedeutend
abgenommen hat... Sucht man nun nach den Ursachen
der Abnahme der Zivilprozesse, so sind solche
teils allgemeine, welche man auch in anderen Staaten
trifft, teils spezielle. Unter den allgemeinen macht
sich die Vorliebe der Jetztzeit nach schiedsrichter-
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