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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-05/0004
Richard Nutzinger:

Hebel spricht einmal in einem Brief an seinen
Freund Hitzig sein Erstaunen über die Tatsache
aus, die ihm ein Rätsel sei und bleibe,
warum oft „sehr geist- und gedankenreiche,
witzige und in Umgang und Schriftsatz sehr
wohlgewandte Männer auf der Kanzel steif,
trocken und unfruchtbar" seien. Er bezieht sich
auf die damals neugedruckten Predigten von
zwei namhaften katholischen Theologen, die er
außerordentlich schätzte, deren Predigten ihn
aber ausgesprochen schlecht dünken. Offenbar
zählte sich Hebel selbst nicht zu dieser Kategorie
von hölzernen Predigern; denn mit Stolz kann
er bisweilen seiner Gustave berichten, daß wieder
eine Predigt von ihm gedruckt worden sei,
und übersendet sie dann seiner Freundin in
Weil. Freilich, meint er einmal, habe die Predigt
nicht den erhofften Erfolg gehabt, den man
in der damals rührseligen Zeit von einer guten
Predigt erwartete, daß nämlich die Zuhörer zu
Tränen gerührt würden und, wie es Hebel sehr
drollig ausdrückt, der Kirchendiener beim Einsammeln
mit dem Klingelbeutel mit einem
Regenschirm durch die Kirche gehen müsse.
Immerhin ist Hebel einsichtig genug zu wissen,
daß predigen nicht seine Hauptstärke ist, und
wann immer er kann, drückt er sich von dieser
Kanzeltätigkeit. Trotzdem haben seine Freunde
nach Hebels Tod, um ihm ein schönes Denkmal
zu setzen, einen Band seiner Predigten herausgegeben
, aber sie bedeuteten für alle seine Verehrer
eine große Enttäuschung. War das der
Hebel, den sie liebten? Es ist nicht zuviel gesagt,
wenn wir Hebel auch mit einrechnen zu den
witzigen und geistreichen Männern, die aber auf
der Kanzel trocken und unfruchtbar wirken.

Und doch war und ist und bleibt Hebel ein
Prediger besonderer und fruchtbarer Art. Sinnvollerweise
steht sein Geburtshaus zu Basel, das
neuerdings an andere Besitzer überging und sehr
schön restauriert wurde, gerade gegenüber der
Predigerkirche. Seine Kanzel und seine Verkündigung
war seine Dichtung, in der er sich
ein- und aufgefangen, erschöpft und verausgabt
hat und in der wir den echten Hebel wiedererkennen
, wenn wir ihn als solchen zu uns sprechen
lassen. Ist es etwa von ungefähr, daß sein
erstes alemannisches Gedicht ,,Der Statthalter
von Schopfheim" eine Wiedergabe und zugleich
eine unaufdringliche Auslegung der biblischen
Geschichte von David und Abigail aus 1. Samue-
lis 25 ist? Und daß seine letzte Dichtung, die
freilich nur ein Fragment blieb, mit der Überschrift
„Hephata, tu dich auf", die Geschichte
von der Heilung des Taubstummen aus Markus 7
behandelt? Und ganz klar sehen wir gerade an
dieser Dichtung, warum Hebel dies Gedicht mit
der wunderschönen Einleitung trotz zweimaligen
Ansatzes nicht zu einem Abschluß bringen
konnte. Er schlittert nämlich mit jenem dort
geschilderten Pfarrer und seiner Auslegung des
Wunders in die aufklärerische Predigtweise seines
Zeitalters hinein und bleibt stecken und
findet nicht mehr heraus, eben weil er in seinem
Dichten nicht zum Prediger jenes trockenen

Formats werden will. Und zwischen jenem
ersten und letzten Gedicht stehen die vielen andern
, die uns erfreuen und wohlbekannt sind,
die aber alle, mehr oder weniger, Predigten und
das heißt Verkündigungen von Gottes Allmacht
und Güte darstellen. Stehen sie nicht, wie uns
in Hertingen der greise Pfarrer Moppert von
Basel gedeutet hat, größtenteils in einer inneren
Verbindung zu dem andern großen Verkündiger
des Alten Testaments, dem Prediger, Salomo?

Machen wir es uns mit Hebel darum nicht
gar zu leicht, wenn wir ihn nur gerade als
Gewährsmann für „e freudig Stündli" zitieren?
oder wenn wir ihn in fröhlicher Tischrunde nur
nennen als den freundlichen Zusprecher für
,,e Trunk in Ehre, wer will's verwehre"? Haben
wir Hebel in seinem tiefsten Anliegen verstanden
, wenn wir nur von den Geschichten vom
Zundelheiner und Zundelfrieder • und roten Dieter
wissen? Hebel ist viel mehr, er ist Verkündiger
. im besten Sinn, besonders in seiner alemannischen
Dichtung, aber auch da und dort
als Kalendermann, etwa im unvergeßlichen
„Kannitverstan", im ,,Unverhofften Wiedersehen
" oder im ,,Morgengespräch des Adjunkts
mit dem Hausfreund". Einem Prediger aber
lauscht man mit Ernst und Andacht, und man
liest ihn nicht nur, man muß ihn mitsprechen,
dann spricht er uns an mit ungeheurer Lebensnähe
. Und so ist unser Hebel einer der fruchtbarsten
Prediger aller Zeiten.

tJöiefenblumen

Wiesenblumen möcht ich haben,
- Einen rot und gelben Strauß!
Jetzt zu Haus

Blühn sie bunt am Mühlengraben.
Andre, nein, möcht ich nicht haben.

Salbei, Rotklee, Margeriten,

Rainentlang, beim Bienenstand--

Weit im Land

Leuchten unter deinen Schritten
Roter Klee und Margeriten.

Wiesengrün in allen Krügen!
Blumentrunken rings die Luft.
Süßen Duft

Schlürfe ich in vollen Zügen

Aus den blumenschweren Krügen.

Ob dein Schatz dir treu geblieben? •
Frag den Margeritenstern!
Horch, von fern

Sensenklang, vom Wind getrieben ...
Also lange währt das Lieben.--

Wiesenblumen möcht ich haben,
Einen runden, bunten Strauß!
Hier im Haus,
Ja, von allen Sommer gaben
Solchen Gruß der Heimat haben!

Walter Franke

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