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vor hohen Herrschaften, welche das Kanderner
Werk besuchen, sich zu produzieren, und denselben
auch im nächsten Sommer die Ehre zuteil
werden dürfte, während der Saison vor dem
Großherzoglichen Hof in Badenweiler zu paradieren
". Das Ministerium ging auf den Vorschlag
ein und bewilligte der Bergmusik jährlich 150 fl.
Diese Verhältnisse hatten schon früh dazu
geführt, daß neben der Bergmusik eine Kapelle
entstand, die teils von der Stadt, teils von privater
Seite finanziert wurde. Eine alte Vereinsrechnung
berichtet, daß 1841 erstmals der
Kontrabaß in Basel geholt wird. Bisher kam er
über Schliengen. Transport 2 fl, Zoll 1 fl 47 kr.,
Der Baß wird dann gekauft.
Wenn man die Veranstaltungen liest, die
neben den alljährlichen Konzerten durchgeführt
wurden, erkennt man, wie man damals Zeit genug
hatte zum gemütlichen Beisammensein. Als
im Juni 1835 der Forstpraktikant von Kageneck
wegging, wurde der Abschied im Riedlinger Bad
feierlich begangen und am andern Tage wurde
er feierlich begleitet. Überhaupt spielte das Riedlinger
Bad eine große Rolle, angeblich, weil man
den Lieler Mitgliedern der Bergmusik entgegenkommen
wollte. Daher steht in der Rechnung
„Für den Wein, welchen die Bergmusik bei der
Suite ins Riedlinger Bad getrunken hat 2fl8kr".
Als man ankam, fehlten die Noten; als sie endlich
kamen, war der Tenor unauffindbar und
Gutermann von Lörrach übernahm die Stimme.
Der Schluß des Berichts lautet: „Die Mitglieder
entfernten sich separatim oder auch congregatim.
Eine kleine Gesellschaft verweilte sich jedoch
länger und beschloß, stehenden Fußes trinkend,
mit einem spaßhaften Schauspiel das Trauerspiel,
wurde jedoch, zu Hause ankommend, mit Nachtgülden
bestraft".
Im August 1842 feierte Herr Bürgelin, jetzt
Diaconus in Schopfheim, seine Hochzeit, bei
welcher Gelegenheit „der Gesangverein wieder
zeigte, daß er noch weiß, was Brauch ist". Natürlich
gab es am Vorabend ein Ständchen mit
Musik und Gesang. Den andern Tag begleitete
man das Brautpaar nach Steinen. Als man unter
sich war, „ließ man der ausgelassenen Fröhlichkeit
ihren Lauf und — kurz Ochsenwirt in Steinen
wird Respekt haben vor den Kandernern".
Zum Musik- und Gesangfest in Müllheim am
1. Juni 1845 fuhren zwei Wagen; einer mit vier
Pferden hatte die zwölf Musiker geladen, der andere
mit sechs Pferden trug 23 Personen. Dazu
kamen fünf Reiter. Abends 5 Uhr war das Konzert
beendet und man zog zum Festplatz. „Verein
um Verein verließ mit Fahnen den Kampfplatz
der Eintracht und des Frohsinns und schließlich
zogen auch die Kanderner weiter, getreu dem
Wahlspruch « Lang beim Gesang — viel länger
doch beim Becherklang »". Sie zogen mit Musik
durch die Stadt in den „Löwen", wo einzelne
noch tanzten. „Morgens 4 Uhr des andern Tages
blies unsere Musik zum Aufbruch" und um 5 Uhr
verließ man Müllheim. Die Vereine von Lörrach,
Schopfheim und Steinen kamen am Nachmittag
von Müllheim her in Kandern an und blieben
bis zum Abend.
Von einer Spazierfahrt nach Kirchen wird
berichtet, daß sich dort noch einige Freunde aus
der Umgegend einfanden, $ls die Kanderner auf
dem Leiterwagen mit Extrapost ankamen. Gebackene
Fische und perlender Wein schufen die
nötige Stimmung. „Als vom Turm die Mitternachtsstunde
die Freudetrunkenen zum Aufbruch
mahnte, leerte noch jeder sein volles Glas und
mit geflügelten Schritten brachten die hastigen
Rosse sie hinaus in die kühlen Lüfte der Nachtzeit
. Da dämpfte sich das Feuer und ein sanfter
Schlaf würde die matten Glieder zur Ruhe eingewiegt
haben, wenn nicht das Gepolter des
Wagens und das Rossegetrapp aufschreckten".
Das war noch die „gute, alte Zeit", die langsam
zu Ende ging. Es ist jetzt hier nicht daran
gedacht, daß die Revolution das gesellschaftliche
Leben durcheinanderbrachte und den Gesang
verstummen ließ. Im Januar 1857 hielt der Gesangverein
sein erstes Konzert ab, nachdem er
1856 neu gegründet worden war. Da der Präsident
, Verwalter Kümmich, durch Heiserkeit am
Reden verhindert war, übertrug er „diese Ehre
dem von ihm so getauften Jungfern - Präsident
J. G. Kammüller", dessen Ansprache erhalten
blieb. Dieser J. G. Kammüller heißt in der Familie
der „Sonnenonkel", weil er später auf der
„Sonne" in Kandern wirtete. Seine erste Frau
war eine geborene Däublin von Haltingen. Von
dort aus verwendete er sich im November 1849
für seinen Bruder, der wegen Teilnahme am
Aufstand zu einer schweren Zuchthausstrafe verurteilt
worden war. Nach dem Tode der ersten
Frau zog er nach Kandern, wo er eine zweite
Ehe mit einer geborenen Spohn einging. Die
Ansprache enthält einige Hinweise, welche den
Beginn der neuen Zeit anzeigen. „I bi ne so ne
wenig e Altmodische un i cha's nit sage, wie's
mer amel isch, wenn i sott zue nere alte Schuel-
kamerädi Fräuli sage —! d' Chatz goht mer alli7
mol der Buckel uf". Sie seien schon oft beisammen
gesessen und hätten von alten Zeiten erzählt
, „wo d'Schuelmeister au no Spore trait hen
un wo me im e ordliche Burscht — Chnab gsait
het und nit allewil mit Herr hinte un Herr vorne
cho isch". Und zum Ball trug man Handschuhe,
und wenn es nicht reichte, so hat man aus einem
Paar zwei rechte gemacht und ist doch im Takt
geblieben. ,,D' Jumpfere hen in seller Zit amel
die wite Ärmel no an der Axle obe gha un au
no öbbis drin, 's isch e lind Alöhnis gsi". Diese
Puffärmel haben auch manchen Zusammenstoß
beim Tanz gemildert, „me het frili au e weng
schonlicher tanzt, dir Chnabe!" Und an den Füßen
trugen die Mädchen Lederschuhe, die mit
einem netten schwarz-seidenen Bändel zweimal
übers Kreuz und noch einmal um den schönen
weißen Strumpf gebunden waren, „'s mag jetz
frili Sparsamkeit si (isch se si, so freuts mi), daß
me d'Schueh vo Züg macht un nit vo Leder,
denn seller Artikel isch abe gange un der goht
uffe".
Man merkt deutlich, wie sich die Verhältnisse
geändert haben. Und wir müssen denen dankbar
sein, die fleißig alle die kleinen Begebenheiten
ihres Lebens aufzeichneten, damit wir heute uns
ein Bild machen können, wie es damals war.
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