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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-06/0011
Daß der Besucher die Destillate lobt, ist weder
Verdienst noch Höflichkeit, denn sie sind von
so außerordentlicher Güte und Kraft, daß sich
das Lob der kritischen Zunge von selbst entringt
. Den freundlichen Führer aber erfreut das
Lob, das man seinen Geistern spendet, und verleitet
ihn, auch noch den höchsten unter ihnen,
den „Cusenier Reserve Speciale 41°", einen „Alten
Weinbrand aus erlesenen Charente-Weinen" herbeizuholen
. Und dieser Tropfen ist so rein nur
Geist, daß man förmlich zu spüren glaubt, wie er
auf der Zunge verdampft. Und zu ihm und dem
Mandarin wandern die leeren Gläschen rasch gespült
nochmals zu neuer Füllung zurück, wenn
auch zur Abrundung des Bildes von der Gesamtproduktion
Cusenier noch andere Köstlichkeiten
serviert werden: Ein natürlich sich gebender,
kirschroter „Cherry", — eine frischgrün leuchtende
, frischschmeckende „Creme de Menthe",
ein Pfefferminz, oder ein Eiskümmel, dessen
Zucker sich wie Eisblumen an der Flaschenwand
niederschlägt, ein milder Gin mit angenehmem
Wacholdergeschmack, ein starkduftender Grog
(fertiger Rumpunsch), oder ein Himbeergeist, der

nicht, nur nach Himbeeren duftet, sondern bis
zum letzten Tropfen auch danach schmeckt. An
allen Proben entzückt immer wieder das eine:
Jedem Destillat entsteigt das Aroma, jedes
schenkt dem Gaumen den Geschmack des natürlichen
Ausgangsproduktes. Immer ist in Duft
und Geschmack das Naturprodukt gegenwärtig.

Und eben diese Effekte durch Verwendung
erster und reiner Ausgangsstoffe zu erzielen, ist
das Bestreben der großen französischen Firma.
Sie unterhält Niederlassungen und Destillerien
in Paris, La Courneuve, Mülhausen, Marseille,
Dijon, Cognac, Brüssel, Basel, Buenos Aires und
— Neuenburg ist nicht die letzte unter ihnen.
Jede Niederlassung stellt sämtliche Spirituosen
der Firma her, doch hat jede ihre bestimmten
Sorten der bunten Palette, die sie bevorzugt
erzeugt. Fast ohne jede Reklame finden die
Spirituosen der Firma Cusenier durch den Ruf
ihrer Güte reißenden Absatz. Das ist kein Wunder
, denn wer einmal den köstlichen Geschmack
des „Cusenier-Mandarin" oder des „Cusenier
Reserve Speciale" auf der Zunge hatte, wird ihn
und Cusenier nie mehr vergessen.

Theodor Seidenfaden:

jöit 13ect)aftung

(Schluß.)

Eine Anekdote

Der Schnezler sprach gelassen, und dem
Schurz schmeckte das zweite Glas nicht minder
gut wie das erste, weshalb er nicht merkte —
jetzt kehrte er der Tür den Rücken —, daß die
Haushälterin wieder erschienen und nach einem
merkwürdigen Zeichen des Schnezler abermals
verschwunden war. Ihr Gesicht hatte sich diebisch
verzogen, und der Schurz wäre, wenn er
es gesehen hätte, wahrscheinlich aufgesprungen,
mit ihr zu lachen und sie zu fragen, welche
Glocke der Pfarrer meine.

Bei Engeln könne Gütergemeinschaft, von
welcher das Londoner Manifest spreche, ohne
Schaden bestehen; auch Göttern und Göttersöhnen
Piatos und manchen Tieren sei sie möglich
. Die Menschen der Liebe aber, die sie verwirklichen
könnten, seien nicht da. Wer die
Alten kenne, wisse, daß nicht die Verhältnisse
den Menschen machten, wohl aber der Mensch
seine Zeit forme. Alles im Leben sei die Persönlichkeit
!

Der Schnezler hob die Flasche und schenkte
dem Schurz zum drittenmal ein. Die Sonne
spielte in dem goldenen Mundelsheimer, das
Kristall blitzte, und der Schurz machte Anstalt,
das dritte Glas zu leeren: da läuteten die Glok-
ken des Kirchturms Sturm. Der schrille Ton
erschreckte den Schurz: er stellte das Glas ynge-
trunken auf den Tisch, trat dem Schnezler entgegen
und rief: wenn er mit ihm zu spielen
wage, müsse er zum äußersten schreiten; seine
Leute stünden bereit!

„Wieviele haben Sie?" lachte der Schnezler,
als er merkte, wie schwer es dem Schurz fiel,
seine Erregung zu bändigen, und weil dieser
töricht genug war, dem lächelnden Gegner Kraftworte
rheinlandischer Art entgegenzuschleudern,
wußte der Schnezler, er gewinne das Spiel.

Er möge, forderte er den Gast auf, an das
Fenster treten und sehen, was sich begebe; die
Köndringer ließen sich für ihren Pfarrer totschlagen
, und ob das, wenn es geschähe, der
provisorischen Regierung vorteilhaft sei, bezweifle
er.

Die Haushälterin aus dem Kinzigtal war sehr
schnell beim Küster gewesen. Sie hatte das Zeichen
ihres Herrn wohl verstanden, weshalb der
Schurz, sobald er der Aufforderung gefolgt war,
zum Sturmzeichen der Glocke von den vier Win-

*

den Bauern mit Dreschflegeln, Heugabeln und
Knütteln auf das Pastorat zurücken, die eigenartigen
Waffenträger einkreisen und auf das
warten sah, was der Pfarrer befehle.

In dieser für den Schurz bedenklichen Lage
weckte der Kinziger Schelm den rheinischen,
und der Schnezler wunderte sich, wie der Kommissar
, vom Fenster zurücktretend, vornehm
lässig, ohne einen Funken Zorn, meinte: was die
Bauern täten, sei,ihm gleich; jedenfalls befinde
er, der Pfarrer, sich in seiner, des Freischärlers,
Gewalt — trotz dem Mundelsheimer und der
pausbackigen Haushälterin; er forderte ihn auf,
zu tun, was er begehre!

Indem zog der Schurz die Pistole aus dem
Gurt, spannte den Hahn und legte an. Wenn der
Schnezler gewußt hätte, was er einige Stunden
später erfuhr, wäre ihm das Lächeln auf den
Lippen seines bartlosen Gesichtes nicht so jäh
erstorben. Er hätte dann erkannt, daß der Geschichte
daran lag, den rheinländischen Schelm
sich mit dem der Kinzig messen zu lassen, den

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