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fjeigec »tag

Der Himmel het si blaut Plache gspannt,
un d'Erde otmet Stilli wit un breit;
kei Vogellied isch z'höre, un der Wind
het müed sich in-re Fuure schloofe glait. —
's lit diefe Friede üb-rem bsunnte Land.

Hoch ob-em Blaue schwimmt e Wolkeschiff,
si schmale Schatte geisteret im Wald,
un do vor mir ruscht Iiis e Roggefeld,
e Ährimeer mit sin-re sanfte Gwalt,
un jedes Ähri isch e volle Griff.

Un wie zuem Hätte buggt sich Halm um Halm,
am Wegrand d'Schmehle mache trümmlig mit.
Jetz hört me fern e müede Wachtleschlag. —
Me spürt dem Summertag si heiße Schritt.
Kei Dierli rafft sich uf zue Lied un Psalm.

Mohnrose stöhn im Waise füürigrot,

verblättre ihri Pracht uf Gras un Grund;

Chornblueme zeige ihre blaue Stern,

us ihre Blüete lacht die gueti Stund,

un 's dunkt mi, wo si wachse drüeiht au 's Brot.

Jetz ruscht dur's Feld e lute, heiße Wind,
und d'Sunne hängt ihr Füür an Hurst un Baum,
stellt langi Leitre dusse in der Rhy,
vergoldet Blauehuus un Wolkesaum. —
E Bättzitglocke rüeft. — Der Tag verrinnt.

Us gheime Türe fallt die lindi Nacht,

nimmt Charst un Haue us de müede Händ

un lait si Mantel über Feld un Wald.

Mit stillem Ode suecht der Tag si End

un sait zuem Obestern: mi Sach isch gmacht!

Fritz Wolfsberger

alemannischen Frohsinn am fränkischen, und er
hätte weiter gelacht.

Doch — das konnte er nicht wissen, weshalb
es verständlich ist, zu erfahren, wie selbst er vor
dem drohenden Pistolenlaufe erblich und fragte,
was der Herr Kommissar befehle. Da nahm der
rheinländische Schelm den befehlerischen Ton
an, den er von den Preußen, zu deren Königreich
er gehörte, übernommen hatte und versetzte: der
Herr Pfarrer habe unverzüglich ans Fenster zu
treten und die Bauern heimzuschicken.

Der Schnezler versuchte zwar ob solcher
Schärfe wieder zu schmunzeln, folgte jedoch,
weil der Schurz die Pistole im Anschlage hielt,
und trat an das Fenster. Er blieb angesichts der
Bauern natürlich der Alemanne mit dem Spitzbubenblick
des Kinzgtales, und der Schurz beobachtete
ihn: das edelgeprägte Profil, darin die
Nase und das vorstehende Kinn ihn geradezu an
Dante erinnerten, den Dichter der Göttlichen
Komödie. Nur blitzten seine Augen blau, während
die des Italieners — so sann er —, pechrabenschwarz
geleuchtet hätten!

Im Zorn auf die Läuse, rief der Schnezler
zum Fenster hinaus, werfe man mitunter den
Pelz ins Feuer; das tue an einem schönen Frühlingsmorgen
nicht not; männiglich möge beruhigt
heimgehen; der Wind habe die Glocke angestoßen
; was sich tue, sei kein revolutionärer Uberfall
, sondern der Streich eines rheinländischen
Studenten!

Die Köndringer, an die Bildersprache ihres
Pfarrers gewöhnt, hüben an zu lachen, woraufhin
die Gesichter der eingeschlossenen Freischärler
merklich aufleuchteten und ihre Musketen,
Spieße, Sensen und Dreschflegel sich aus der
drohenden in die bedächtigere Haltung begaben.
Einem Maler, der das Wechselspiel hätte festhalten
wollen, wäre es, selbst wenn er sein
Handwerk wie Karl Spitzweg beherrscht hätte,
unmöglich gewesen, diesen Köndringer Augenblick
aufzureißen: das Gemisch aus Sorge und
Spott und den Tanz der Kobolde, die kichernd
vor dem Pastorat über die Kirche dem blauen
Himmel zusprangen, sichtbar allerdings nur dem
Auge des Schauenden.

Die Bauern taten, was der Schnezler gefordert
hatte, und bald lag der Kirchplatz still, der
Schurz hörte in der Herodotstube den Kuckuck,
der aus einem Bergwald rief, und der Schnezler
trat vom Fenster zurück.

Wenn im März der Kuckuck schreie, der
Storch klappere und die Wildgans ins Land ziehe,
gebe es einen Frühling im Hochzeitsbande: so
sprach er, woraufhin der Schurz die Pistole
gurtete und meinte — nun nicht mehr Kommissar
einer provisorischen Regierung, sondern nur
Student aus Bonn —: zu einer Hochzeit gehöre
mehr als eine Gruppe von fünfzig Freischärlern,
nämlich ein Mädchen, das man lieb habe; Hero-
dot wisse das, der vom Schreibtisch aus den
Frühling des Jahres achtundvierzig belausche!
Und da der Schurz sehr bald in einem der Mahagonisessel
saß, die biedermeierisch um den Tisch
standen, der Schnezler sich ihm gegenüber niederließ
und sie die Flasche Mundelsheimer einträglich
, wie das Studenten aller Grade selbstverständlich
ist, leerten, hätte Herodot, wenn er
gekommen wäre, ob dieser Revolution geschmunzelt
, sich in den dritten Sessel geworfen und mitgetrunken
, froh auch über das, was folgte.

Der Schnezler schellte nämlich abermals der
Haushälterin, und als sie den Hochwürdigen
Herrn und den Freischärler betulicher sah als
vorher, wunderte sie der neue Auftrag kaum: sie
solle die Bewaffneten in den „Silbernen Hahn"
führen — so hieß die Köndringer Wirtschaft —,
und ihnen einen Imbiß, außerdem für je zwei
Mann eine Flasche Kläfner Riesling geben lassen:
ein spritziges Unternehmen müsse gefeiert
werden!

Da saßen denn bald die Freischärler in der
Schenkstube njcht anders wie ihr Führer am
Mahagonitisch des Pfarrers saß, und es gab für
beide Teile einen Frühschoppen, dergleichen sie
ihn lange nicht genossen hatten — nur daß der
Mundelsheimer, dem Herodot seines Spenders
entsprechend, edler und weißer war als der
Kläfner. Doch auch der war kein Krätzer, und
der Schurz, dem der Morgen sich zum Wunder
einer revolutionären Sage gestaltete, ließ sich
den Wein derart schmecken, daß die Haushälterin
bald die zweite Flasche, mit ihr übrigens
jene Rühreier brachte, wie sie nur die Pfannen
der Küchen des Kinzigtales zubereiteten.

Wie oft dieser zweiten Flasche eine weitere
folgte, wird ebensowenig berichtet, wie entschieden
wird, ob der Wirt aus dem „Silbernen Hahn",
ein Mann rundlicher Güte, sich an die Weisung
der pfarramtlichen Köchin hielt und jedem Frei-

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