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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-06/0018
tungen machte, bestand im Abdruck einiger mehr
oder weniger öder Witze aus dem „Illustrierten
Weltuntergangs - Kladderadatsch", ' so zum Beispiel
(Nr. 69 vom 12. 6. 1857):

„Die Heimkehr von der Flucht

Frau: Sieh mal, mein lieber Elias, unser Haus steht
noch.

Mann: Ja, es scheint überhaupt hier ebenfalls nichts
untergegangen zu sein.

Frau: Ach, ich hatte solche Furcht. Nie werde ich
vergessen, was ich am 13. Juni beim Erwachen
empfand. Ich hatte gar keine Lust, mich
frisieren zu lassen.

Mann: Habe ich dir aber nicht gleich gesagt, daß wir
. am besten tun, wenn wir eine Reise ins Ausland
machen, denn die Welt würde wohl nicht
überall zugleich untergehen. Siehst du, im
Umkreis von zwei Meilen ist alles stehen
geblieben. Aber auf die Berichte von Kalau
und Pasewalk bin ich wirklich gespannt."

Aus dem Markgräflerland selbst kam, wie gesagt,
keine Äußerung zu den angeblich bevorstehenden
Ereignissen. Und die Redaktion des Blattes,
die mit der Buchhandlung und Druckerei Gutsch
identisch war, zeigte am 12. Juni nicht mehr
jenes Buch des Herrn Herschel vom Weltuntergang
an, sondern eine Reihe von. englischen
und italienischen Grammatiken und Sprachlehrbüchern
. Ob aber nicht inzwischen doch in aller
Stille der und jener Rückschau über sein Leben
gehalten hatte, das am 13. vielleicht im Flammenschein
des Kometen zu Ende gehen sollte?
Es mag schon sein; aber keiner zeigte offenbar
hysterische Furcht oder notgedrungenen Bekehrungswillen
. Es gab in jenen Tagen nur ein
Gedicht von J. Staudt zu lesen, das man als von
den bestehenden Befürchtungen verursacht ansehen
könnte („Oberl. Bote" Nr. 70 v. 15. 6. 1857);
indes ist es sehr maßvoll gehalten:

Blick in dich hinein

Willst du die ächte Wahrheit sehen,

Blick in dich hinein;
Glaubst du auf irrem Weg zu gehen,

Blick in dich hinein!
Und der Zweifel führt dich zur Wahrheit
Und ein Himmelswink zur reinen Klarheit.

Suchst du der ächten Weisheit Wege,

Blick in dich hinein;
Wird ein forschender Geist dir rege,

Blick in dich hinein!
Strebend bloß die Weisheit zu ergründen,
Wirst bei Nacht du selbst die Wege finden.

Ruft dein Gewissen Halt zu machen,

Blick in dich hinein;
Fühlst du den bessern Geist erwachen,

Blick in dich hinein!
Wählst du dir den besten aus zum Leiter,
Hast du an der Seit' den besten Streiter.

Willst du des Jenseits Leben schauen,

Blick in dich hinein;
Macht dich selig ein Gottvertrauen,

Blick in dich hinein:
Immer siehst, daß alles auf der Erde
Bloß zu anderm vorbereitet werde.

J. Staudt

Irgendwie also hatten Komet und Untergangsstimmung
den Markgräfler also doch beschäftigt,
wenn er es auch mindestens vor dem Termin

nicht hatte merken lassen. Nicht nur das über-
legsam-erzieherische Gedicht Staudts ist dafür
Zeuge, sondern auch ein anderes des gleichen
Poeten, das der „Oberl. Bote" Nr. 71 (17. 6. 1857)
veröffentlichte; es ist gut empfunden und gut
geformt und rührt den Leser an durch die Treuherzigkeit
der moralischen Nutzanwendung:

Mer sin no do, Hansjörg!

Hä lueg mer au! sie schtoht jo no?
Wie hänt er's denn au gmacht?
Isen denn de Drache no it cho?
Hätt's it am Samschtig kracht?
I ha nüt ghört, i ha nüt gsee,
Jetz glaubet vu dem Züg nüt mee.

Sind luter närrschi Kerli gsi,
Wo därigs Gschwätz hänt gmacht;
Si hänt e. so ne glährte Schi,
Und läbet in der Nacht.
Die lüege d'Lüt im Daglo a,
Und hän de beseht Profit no dra.

Sie druckche Büechli groß und chlei

Und Helgli no derzue,

Wie groß und wüescht de Drache sei

Und was me alls soll due.

Sie schwätze do vum jüngschte Gricht

Und gänt eim elend schlechte Bricht.

Im Frankrich sind die gschiedste Lüt;

I hätt's au fascht gar glaubt;

Poch lauft e menge Unsinn mit,

Und d'Here hänt's verlaubt.

Bis daß sie gsee hänt, daß das Ding

Sie selber um ihr Sächli bring.

Se lang au no en Ührli goht

Und d'Sunne näume schint,

Und Gott is mit de Ruethe schloht

Uf Ma und Wib und Chind,

Se lang isch de en närrsche Ma,

Wo die Kumetstern förche cha.

's isch au en Stern, wie's mengi git;

E bitzli größer wohl,

Doch glaubet nu, er frißt eim it;

Und chunnt er au emol:

Hä nu? isch denn sie Zit verbei

Se lebt no mengi Ammerei.

D' Natur isch it as wie nen See,
Wo's mengmol Uglück git,
Daß so e Schiff und au no mee
Uf's ander ufi rit;

's goht hüscht und hott, 's goht hü und huf,
Nu Einer säit: jetz höret uf!

's wird alles i der Ordnig go
No bis as End der Welt,
Nu wird vu viele Narre no
Scho vorher ghetzt und bellt;
Die setzet eim mit Ängste zue
Und lönt si selber au kei Rueh.

St.

Die Strophen des wackeren Oberländer Dichters
waren eine gute Antwort auf den Weltuntergangsrummel
des Jahres 1857. Dem Chronisten
von heute scheinen sie aber noch mehr — nämlich
eine rechte Mannsantwort auf jede Art von
Angstmachereien. Und deshalb gilt sie heute
noch, oder erst recht. Baptist Gmeiner

die Monatszeitschrift des Hebelbundes

Sie erscheint monatlich und kostet 50 Pfg., Im Postversand
65 Pfg., Ins Ausland 70 Pfg.

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