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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-07/0006
aufteilt, so daß man in entrückte Täler zu
schauen vermag und die Ahnung vom Weiterreichen
des Lebendigen über das Nahe hinaus
empfängt, mit allem Hochmut und aller Bescheidung
, die jener Ahnung entwachsen.

Schaut man nach den Vogesen hinüber, so hat
man den Schwarzwald im Rücken. Vielleicht
heißt es, die zergliedernde Rechenschaft über
das Erlebnis dieser Landschaft zu weit treiben,
wenn darauf hingewiesen wird, daß sich darin
auch der Zwillingscharakter der beiden Gebirgszüge
auswirkt, in der Weise, daß man, gewissermaßen
in einem imaginären Spiegel, vor Augen

J. Helm:

Wolkenlos wölbt sich der blaßblaue Frühsommerhimmel
über dem Land. Kein Lüftchen
ist zu spüren. Kein fremder Laut stört das muntere
Vogelgezwitscher, das aus den hochragenden
Baumwipfeln herab, aus den dichten Buschgruppen
herüber tiriliert und jubiliert. Verhalten
murmelt ein Wässerlein im schmalen Bett dahin,
hüpft aufgeregt über ein paar Steine, die seinen
Lauf hemmen wollen, ruht sich ein wenig aus,
indem es sich zu einem kleinen See sammelt, und
plätschert dann fröhlich weiter dem Tale zu,
seinem großen Bruder Rhein entgegen. Feiertägliche
Stille liegt über den Fluren, als ob sie
sich selbst erholen möchten, die doch aus der
Hand des Schöpfers mit dem Auftrag hervorgingen
, ruhebedürftigen Menschen Erholung zu
gewähren.

Nun scheint das Morgenkonzert der gefiederten
Sänger für eine kurze Weile zu pausieren.
Leise knirschen auf dem feinen, gelbgoldenen
Sand Schritte% heran. Noch verdeckt eine niedere
Koniferengruppe die Nahenden. Doch ihre Stimmen
lassen sich jetzt deutlich vernehmen. Im
angeregten Gespräch treten sie aus dem Halbdunkel
des dämmerigen Haines ins helle Licht
der Sonne, die ihre langen, weißschimmernden
Gewänder aufleuchten läßt. „Nun, Lucius, wie
gefällt es dir bei uns?" So fragt der Ältere der
beiden Männer den Jüngeren. Und er fährt fort:
„Habe ich dir zuviel versprochen, als ich dich
bei unserem letzten Zusammensein in Augusta
Raurica *) überredete, einige Tage dem Staub der
Stadt und ihrem Getriebe zu entfliehen und hierher
zu kommen?" „Nein", gibt der Angeredete
zurück, „wahrlich — es lohnt sich, die Strapazen
der Reise auf sich zu nehmen. Zwar schmerzen
noch alle meine Glieder von der Fahrt im Reisewagen
, doch dies wird vergehen, und die Erinnerungen
an die Unannehmlichkeiten beginnen
bereits von mir abzufallen wie die Blätter vom
herbstlichen Baum". „Warte noch ein wenig",
rät der andere, „und du wirst alles vergessen.
Das Leben in diesem von den Göttern bevorzugten
Winkel wird dich umfangen wie ein Traum.
Du mußt dich ihm hingeben wie der Schlafende
sich dem weichen Pfühl anvertraut und gestärkt
den Morgen begrüßt, bereit zu neuem Schaffen

zu sehen meint, von den Zufälligkeiten des
Nahen gereinigt, was man in seiner Mächtigkeit
hinter sich spürt.

Genug. Vielleicht genügt es, hinzunehmen,
aufzunehmen, oder wenigstens: sich anrühren zu
lassen. Zwar erleidet das Schöne schwerlich Einbuße
, inderp. man es zu durchdringen trachtet;
aber dennoch bleibt fraglich, ob es dadurch auch
nur im Bewußtseinsspiegel des Betrachtenden
schöner wird. Der Erkenntnis sind Grenzen
gesetzt — haltleihende und wehrende: Grenzen,
wie sie dem Bilde unserer Landschaft durch die
Vogesen gesetzt werden.

und Wirken". „Sö manchen Ort habe ich nun
bereits aufgesucht in diesem rauhen Germanien",
gibt Lucius seinem Begleiter zurück, „doch noch
keiner dünkte mir so lieblich wie dieser hier, an
dem man sich so recht in unsere südliche Heimat
versetzt glauben kann. Aber sage mir, Gajus",
fragt er im Weiterschreiten, „was birgt jenes
Gebäude, dessen weiße Mauern dort drüben auftauchen
?" „Oh!" erwidert dieser, „komm und
sieh selbst. Du wirst staunen, welch seltene Überraschung
dort deiner harrt. Der Ruhm dieser
Thermen hat schon so manchen angelockt seit
den Tagen, da sich der Feldherr Cornelius Clemens
auf Befehl des Kaisers Vespasianus von
Argentorate 2) aus seinen Weg ostwärts über das
finstere Waldgebirge nach Arae Flaviae 3) erzwang
und damit auch zahlreichen friedlichen Bürgern
die Ansiedlung im Winkel zwischen Rhein und
Donau ermöglichte. Der Ausbau der Grenzbefestigungen
zu des glorreichen Domitianus' Zeiten
hat uns noch sicherer werden lassen, und du
wirst sehen: kaum blühender könnte das Leben
jenseits der Alpen sein, als es sich hier zeigt.
Doch der Worte genug. Komm und begleite mich,
so wird dir bessere Kunde, als all mein Erzählen
dir zu geben vermag".

Bei diesen Worten sind unsere Freunde vor
dem Thermenbau angelangt, und wir folgen
ihnen in das weiträumige Gebäude, in dessen
Innerem uns mildes, gedämpftes Licht umfängt.
„Hier vom Vestibulum4) aus", hören wir den
Älteren erklären, „erreichst du die beiden Apo-
dyterien 5), die sich berg- und talwärts anschließen
. Laß sie uns heute rasch durchschreiten und
folge mir zur großen Piscina6). Schon stehen wir
mitten drin im Tageslauf der Gäste, die der
Heilkraft der Thermen teilhaftig werden wollen.
Sieh, wie sie lustwandeln im flachen Gemeinschaftsbecken
oder sich auf den langen Sitzstufen

\) Römische Bürgerkolonie auf der Gemarkung des heutigen
Dorfes Kaiser - Äugst, 10 km oberhalb Basel
unweit des Rheins gelegen.

2) Legionskastell Straßburg.

3) Rottweil am Neckar.
*) Eingangshalle.

*) Auskleide- und Warteräume.
s) Schwimmhalle.

2luf ueetüet)ten ©puren

Ein Spaziergang durch das Kurbad von Badenweiler zu römischer Zeit

4


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