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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-08/0004
jöüs (Stwittzt in bei: Ztidjtung 7. Lfybelö

Es ist schon auffällig, wie oft Gewitter und
Gewitterstimmungen in den alemannischen Gedichten
von J. P. Hebel her einspielen; er hat
dem Gewitter ja nicht nur ein eigenes Gedicht,
und zwar ein sehr inhaltsreiches, gewidmet, sondern
auch immer wieder hat er es mit diesem
Aufruhr der Elemente zu tun, der ihm entweder
die Kulisse zu den Handlungen bildet oder eine
tiefere Sinndeutung für manche Lagen ausspricht
. Aber eben auch diese Sinndeutung ist
bei ihm höchst verschieden. Schon in seiner vermutlich
allerersten Dichtung „Der Statthalter
von Schopfheim" gibt ihm ein schweres Wetter,
das über das Städtchen Schopfheim hereinbricht,
den unheilschwangeren Rahmen für den sowieso
schon geballten Ablauf der Geschehnisse. Hier
rückt die Familie im Zimmer bei geschlossenen
Fensterläden enger zusammen und die Erzäh-
lung scheint mehr dazu angetan, die Zuhörer
vom Getöse des einbrechenden Gewitters abzulenken
, freilich ohne Erfolg, weil sich der Erzähler
immer wieder unterbrechen muß durch einen
gewaltigen Donnerschlag und am Schluß ein
Blitz, der einschlug, den Bericht jäh beendet und
die Zuhörenden aufschrecken läßt. Wieder ganz
anders sehen wir im Gedicht „Das Gewitter", wie
die Mutter in der Stube in Angst vor den sich
nahenden Wetterwolken mit den gelben Streifen
aus dem Fenster, schaut und auf das nach des
Dichters Ansicht nur störende Wetterläuten
lauscht, während ihr doch der unbekümmert in
seiner Wiege schlafende Kleine weit mehr Zuversicht
zur abwehrenden und bewahrenden
Hand des himmlischen Vaters zu geben vermag.
Ganz ruhig und geborgen kann der Tote in
seiner unterirdischen Gruft weiterschlafen, denn
„wenn's am schwarze Himmel blitzt und Gwülch
an Gwülch im Dunder chracht, se fahrt der
's Wetter übers Grab un weckt di nit". So im
Gedicht „Auf einem Grabe".

Jedoch besonders interessant wird es, wo
Hebel das Gewitter im Freien erleben läßt oder
selbst erlebt. Wenn im „Karfunkel" der Michel
dem Grünen ins Dunkel der Nacht folgt, rät ihm
der Böse, weil der Himmel drohend und strafend
„voll Wetter hangt über un über", zum Selbstmord
, den dieser dann auch in letzter Verzweiflung
an sich vollzieht. — Und besonders bedeutungsvoll
scheint mir die Stelle aus Hebels Briefen
an Gustave Fecht, wo er sich im Geist nach
Tüllingen versetzt und ihm als Wichtigstes einfällt
, daß es dort „im Sommer doch auch donnert
und blitzt, als wenn der liebe jüngste Tag im

Anzug wäre". Und er spinnt sich den Anbruch
dieses jüngsten Tages, der ja überhaupt eine
Lieblingsvorstellung ist von Hebel, unter solchem
Blitz und Donner in liebevoller Darstellung
aus, die nichts Erschreckendes an sich trägt, sondern
nur eine Schilderung des eiligen Bergens
der Ernte auf den Feldern und zugleich der
Lebensernte wiedergibt.

Es ist mir immer, wenn ich diese besonders
schöne Brief stelle vom 19. Februar 1792 lese, als
ob Hebel hier seine eigentliche Einstellung zum
Gewitter verrät. Er ist wirklich der Mensch, der
vom jüngsten Tag her und auf ihn zu lebt, und
darin vielleicht ein besserer Christ ist als wir.
Wir wissen das auch aus der „Vergänglichkeit"
und dem „Wächter in der Mitternacht". Und es
ist doch bezeichnend, daß er ihn den „lieben"
jüngsten Tag nennt, vor dem es nach seiner
Meinung nichts zu erschrecken gibt, zu dem wir
auf dieser Erde aber immer wieder geweckt
werden müssen.

Es ist nicht verwunderlich, daß unserem
Dichter gerade die Gewitter des Oberlandes in
besonders eindrücklicher Erinnerung geblieben
sind. Wir bekommen sie ja in unserem Mark-
gräflerland sozusagen aus erster Hand, wenn sie
aus der Burgundischen Pforte, dem Belforter
Loch, heraufziehen, und haben auch in diesem
Jahre sie wieder manchmal mit einigem Schaudern
erlebt. Lassen wir uns diese Gewitter mit
unserm Hebel nicht zum Schrecken dienen —
dazu und zu seinem Gerieht sind sie nur für den
Gott-los-Gewordenen —, sondern nehmen wir
sie an als einen vernehmlichen Weckruf, mehr
auf Gott und seine große, herrliche Vollendung
hin zu leben.

Heiß im Halmgefieder
Brennt der Mohn wie Blut.
Wiegend auf und nieder
Trägt mich grüne Flut.

Lehn' am Wiesenhange
Mein erglüht* Gesicht.
Weicher" ist die Wange
Meiner Liebsten nicht.

Brauner Sang der Immen
Schwingt sich süß und zag
Mit den Vogelstimmen
Durch den leisen Tag.

Meiner Augen Schauen
Ist so still begrenzt.
Seh' nur, wie im Blauen
Weiß die Wolke glänzt.

Und gelöst vom Harme
Träumt mein Herz dahin.
Daß ich noch im Arme,
Kindgeliebt im Arme
Meiner Mutter bin.

Walter Franke

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