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ler um „Besetzung des Schuldienstes in Schweighof
mit einem munteren Mann". Noch 1845 muß
der Lehrer vom 1. Oktober bis 31. März wöchentlich
zweimal auf der Sirnitz Schule halten, während
nun zur Sommerszeit die Kinder von der
Sirnitz nach Schweighof zur Schule gehen. Es
wird damals im Winter die Straßenverbindung
von Schweighof zur Sirnitz hinauf noch nicht
viel anders bestellt gewesen sein, als es in einem
Bericht aus dem Jahre 1759 heißt: „Die Straße
dahin ist so mit Eiß befrohren, daß sie ohne
größte Gefahr vor Menschen und Viehe nicht zu
passieren sei". Aber der Lehrer mußte hinauf!
In den Jahren 1886/88 jedoch wird diesem
Zustand ein Ende gemacht durch die Erbauung
der neuen Klemmstraße, die dann in den Verband
der Kreisstraßen übernommen wird. Heute
Ida Preusch-Müller:
Die schon mehrfach erwähnte Neuenbürg,
heute ein kleines Landgut, war zu meiner Kinderzeit
eine große, alte Scheune. Sie gehörte mit
dem umliegenden Feld unserem Nachbarn Hanser
. Ganz in der Nähe lag ein Eisweiher. Dort
lernte ich das Schlittschuhlaufen. Unser Klassenlehrer
machte täglich seinen Nachmittagsspaziergang
oben auf der Straße. Wir Mädchen wollten
ihm unsere Künste vorführen. Aha, da kam er!
Wir stellten uns am einen Ende des Weihers auf,
und auf drei sausten wir los, stolz den Blick nach
dem Gestrengen gerichtet. Doch mit des Geschickes
Mächten, ist kein ew'ger Bund zu flechten
. In unserem Falle brauchte es nicht einmal
eine Ewigkeit, denn auf einmal saßen wir alle
auf dem Eis und streckten die Beine in die Höhe.
Der Herr Oberlehrer aber lachte, daß ihm die
Tränen kamen.
Von der Neuenbürg aus, so ging die Sage,
sollte auch ein geheimer Gang nach Schloß Bürgeln
hinaufführen. Tatsächlich entdeckten wir
bei unseren Streifereien auch einen solchen Gang,
tief im Gebüsch verborgen. Das mußte der rechte
sein, und wir beschlossen, sieben an der Zahl,
sein Geheimnis zu erforschen, wie die sieben
Schwaben einst gegen das „Ungeheuer" zogen.
An einem schulfreien Nachmittag trafen wir
uns in der Rathausstraße. Jedes hatte ein Strickkörbchen
am Arm und ein Zehnerle drin. Damit
wollten wir uns verproviantieren. Eine lange
Bohnenstange, eine Kerze und eine Schachtel
Streichhölzer vervollständigten die Ausrüstung.
Den Proviant wollten wir uns beim Bäcker
Schlatter kaufen. Der wohnte da, wo heute das
Schuhgeschäft Oßwald ist. Ich wurde als Einkäuferin
mit unseren Zehnerle in den Laden geschickt
. Dort entspann sich folgendes Zwiegespräch
: „Guete Tag, Frau Schlatter". — „Guete
Tag, Ida; was hättsch gern?" — „Siebe Gugge".—
„Jä, Gugge verchaufe mir keini; die müen mer
jo selber chaufe". — „I mein selli, wo dort im
Schaufenster sin". — „Jä, do sin doch Nudle
drin". — „He nai, Frau Schlatter, vo seile
bachene, wo so gäl gfüllt sin!" — Frau Schlatter
lachte. „Jäso, du meinsch die Schillerlocke". —
ist es kein Risiko mehr, hinauf tu -fahren zur
Sirnitz. Die Flut der Gäste, die dieser herrliche
Fleck anlockt, steigt von Jahr zu Jahr, und die
Wellen der buntbewegten Gegenwart wären
wohl in der Lage, zur Seite zu drängen, was aus
den vergangenen Tagen jenes gesegneten Erdenwinkels
herüberzuretten ist. Dem ein klein wenig
entgegenzuwirken hat sich dieser Abriß der Geschichte
der Sirnitz zur Aufgabe gestellt, der
dem Leser abschließend zurufen möchte, nicht
vorüberzugehen an den Zeugen eines Geschehens,
dem auch er verhaftet ist, indem er von ihm
gestaltet wurde und das durch ihn täglich neu
gestaltet wird. J.Helm.
Quellen: Akten des Generallandesarchivs Karlsruhe
Abt. 229196115, 96117, 96119, 96121, 96137, 96139—41.
Akten und Urkunden des Gemeindearchivs Schweighof.
(Schluß.)
Ja, die meinte ich. Ich bekam also meine sieben
Schillerlocken und noch sieben „Däfeli" (Bonbons
) als Zugabe. Wir verteilten die „Däfeli"
gleich in unsere Schnäbel und die Schillerlocken
in die Körbchen. Dann hängten wir diese an
unseren Schwabenspieß, faßten ihn tapfer an,
und auf gings nach der Neuenbürg, „in aller
Schwaben Namen".
Vor dem Eingang des Stollens stärkten wir
uns zuerst mit den Schillerlocken. Dabei wurde
beraten, wer als vorderste marschieren sollte.
Die Wahl fiel auf mich: „Veitli, jetz gang du
vora". Ich war zwar die kleinste, hatte aber das
größte Mundwerk. Das Lichtlein wurde angezündet
, und mutig gings in die Finsternis hinein.
Der Boden des ziemlich engen Ganges war mit
spitzen Steinen übersät, und an den Wänden
blitzte und glitzerte es geheimnisvoll. Ob das
wohl Edelsteine waren? Was würden wir wohl
noch alles entdecken? Aber je tiefer wir vordringen
, um so finsterer wurde es, und zuletzt
war kein Schimmer des tröstlichen Tageslichts
mehr zu sehen. Unser Mut sank beträchtlich.
Auf einmal war der Gang zu Ende. Aufatmend
traten wir den Rückweg an. Er muß
wohl etwas überhastet vor sich gegangen sein,
denn auf einmal ging die Kerze aus. Als wir sie
wieder anzünden wollten, fielen die Streichhölzer
zu Boden, und wir konnten sie in der Aufregung
nicht mehr finden. Im Finstern tasteten
wir uns ins Freie. Jetzt waren wir wieder sehr
tapfer. „Hesch du Angst gha? Ich kei bitzeli!"
Später erfuhr ich, daß jener „geheime Gang"
ein ganz gewöhnlicher Bergwerksstollen war, in
dem man einmal nach Kalkspat gegraben hatte.
Und der „geheime Gang" in Bürgeln? Das war
der alte Eiskeller! —
Auf der Sitzenkircher Straße machten wir als
halbwüchsige Jüngferchen auch eine merkwürdige
Entdeckung.
Wenn im Frühling die Frösche quakten, wanderten
wir in der Abenddämmerung Hand in
Hand zum Städtchen hinaus. Wir waren die
jüngsten Sängerinnen des gemischten Chors und
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