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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-09/0004
Dr. W. Zentner:

J. f)ebel6 leiste üebenötage unb Kut)eftätte

Zum Todestag des Dichters am 22. September 1826

Am 10. September 1826 war der Prälat Johann
Peter Hebel in Mannheim eingetroffen, um die
Schulprüfungen in dem von seinem Schüler und
Freunde Friedrich August Nüßlin geleiteten
Gymnasium abzuhalten. Er hatte Karlsruhe nicht
gerne verlassen, denn er reiste „in der Qualität
eines Patienten", und nur das Bewußtsein, daß
man ihn freudig erwarte und ein Nichterscheinen
Enttäuschung bereite, ließ ihn den Reisewagen
besteigen. Seiner Dienstpflicht genügte der Examinator
mit der gewohnten Gewissenhaftigkeit,
allein im. Kreise der Freunde wollte ihm die
Rede nicht mehr so leicht und munter vom
Munde fließen wie sonst. Aber nur in leiser
Andeutung ließ er die Familie Nüßlin, bei der er
logierte, seinen Zustand ahnen. Von Heidelberg
empfing er unerwarteten Besuch in der Person
des Historikers Friedrich Christoph Schlosser,
der beim Scheiden versicherte, schon lange keinen
so frohen Tag mehr verlebt zu haben als in
Hebels Gesellschaft. Auch die Schüler des Mannheimer
Gymnasiums drängte es, dem verehrten
Manne fcu huldigen. Die offizielle Zeremonie
eines ursprünglich geplanten Fackelzuges wäre
wenig nach -dem Geschmack des zu Feiernden
gewesen. So machte man eine Abendfahrt auf
dem Rhein. Als das zurückkehrende Schiff in die
Neckarmündung einbog, steuerte ihm plötzlich
ein festlich geschmücktes Boot entgegen. Die
Jugend brachte dem Dichter mit Gesang und
Bläsermusik ihre Huldigung dar. Reden wurden
gewechselt, Gläser klangen, und Bord an Bord
strebten die beiden Fahrzeuge, Jugend und Alter,
der Landestelle zu. Noch einmal loderte in dem
Greise die Lebenslust empor. Er pries die Stunde
als eine der frühesten seines Daseins. Als hierauf
das Boot am Neckarufer festmachte, glaubte er,
in jähem Wechsel der Stimmung, Charons Nachen
zu entsteigen, und die am Gestade sich drängende
Menge kam ihm gleich einer Schar gespenstiger
Schatten vor, die seiner harrten.

Am nächsten Morgen, einem Samstag, dem
16. September, reiste der Gast nach Schwetzingen
, um dort im Hause seines alten Freundes,
des Gartendirektors Johann Michael Zeyher und
dessen aus Basel gebürtigen Frau, das Wochenende
zu verbringen. In Mannheim hatte man
ihn nicht ohne Besorgnis scheiden sehen, allein
er suchte diese hinwegzuscherzen und meinte,
das Fahren und die Bewegung im Schwetzinger
Schloßgarten würden ihm gut tun. Am Sonntag
morgen wagte Hebel einen Spaziergang im
Schloßgarten, wobei der junge Naturforscher
K. Fr. Schimper sein Begleiter war. JEs wollte
sich keine Erleichterung einstellen. Als nachmittags
der von Mannheim herbeigeeilte Nüßlin
und die beiden Direktoren des Heidelberger
Gymnasiums, wo am Montag die Prüfungen
beginnen sollten, Karl Philipp Kayser und Friedrich
Heinrich Wilhelmi, eintrafen, fanden sie den
Gesuchten angekleidet auf dem Bette liegen.
Dieser gab nunmehr seine Einwilligung, einen

Arzt zu Rate zu ziehen. Der Schwetzinger Amts-
physikus Griesseiich hielt den Zustand zwar
nicht für bedenklich; immerhin mußte der Plan,
am nächsten Tage nach Heidelberg zu reisen und
Prüfungen abzunehmen, aufgegeben werden.
Hebel blieb zunächst hoffnungsvoll. Die nächsten
Tage scheinen Tage des Stillstands gewesen zu
sein. Erst der 21. September brachte mit der
Steigerung des Fiebers wesentliche Verschlimmerung
. Als Zeyher an diesem Tage von einer
Dienstfahrt nach Karlsruhe zurückkehrte, sah er
sich einem Todgeweihten gegenüber. Dem von
Mannheim sich einfindenden Dr. Renner gestand
der Kranke: „Heute habe ich die ersten Todesgedanken
gehabt in meinem Leben, aber wirklich
, sie haben mich nicht erschreckt". Hebels
Karlsruher Hausarzt, Medizinalrat Karl August
Seubert, der ebenfalls am Krankenlager erschien,
konnte nur die völlige Hoffnungslosigkeit des
Zustandes feststellen. Noch war der Morgen des
22. September nicht heraufgedämmert, als sich des
Dichters Haupt zum letzten Schlummer neigte.
So still und unbemerkt ist Johann Peter Hebel
aus der Welt gegangen, daß er nicht einmal den
Wärter störte, den der bei vollem Bewußtsein
gebliebene Kranke kurz vorher zur Ruhe geschickt
hatte. Unentstellt waren die Züge des
Entschlafenen, ohne die Spur eines vorangegangenen
Leidens oder Kampfes; viele, die die
Todesnachricht noch rechtzeitig erreicht hatte,
waren gekommen, sie dem Gedächtnis noch einmal
einzuprägen, bevor der Sarg geschlossen
wurde. Die Todesursache war, wie die am Nachmittag
des 22. September vorgenommene Sektion
ergeben hatte, eine Krebswucherung gewesen.

Die Beerdigung fand am 23. September 1826,
11 Uhr, auf dem alten Schwetzinger Friedhofe
statt. Das Unterland, das schon den Lebenden
nicht mehr dem heimatlichen Oberlande hatte
zurückgeben wollen, hielt auch den Toten. Es
wTar ein milder, heiterer Herbsttag, der die Welt
noch einmal in warmem Golde fließen ließ, ein
Abbild von Hebels eigener Natur. Am offenen
Grabe wurde der Sarg noch einmal geöffnet und
der Lorbeer des Dichters um die erstarrten
Schläfen gelegt. Mit der Blickrichtung gegen
Osten, gegen Heidelberg, jenes Ziel, das der
Dahingeschiedene nicht mehr erreichen sollte,
senkten die Leichenträger die Totentruhe zum
Gesang der Schulkinder in die Erde. Die Abschiedsworte
rief ihm der Karlsruher Kirchenrat
Johannes Bähr „aus der Fülle des Herzens" nach,
Hebels Nachfolger in der Prälatenwürde. Auch
ein ehemaliger Schüler, der Schwetzinger Vikar
Karl Eduard Metzger, ergriff kurz das Wort,
während der ältere Ortsgeistliche, Friedrich Ludwig
Rettig, eine Leichenpredigt hielt. Sämtliche
Redner überlebten übrigens den Dichter nicht
allzulange. Vikar Metzger folgte ihm schon nach
einem Jahr, 1828 wurde Prälat Bähr abberufen
und der Schwetzinger Pfarrer Rettig fand 1830
seine letzte Ruhestätte an der Seite Hebels.

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