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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-10/0015
gerschaft alle städtischen Fuhren weg. Der Rat
konnte diese Vorwürfe leicht zurückweisen. Der
Beklagte war der einzige Maurermeister in der
Stadt, er allein konnte darum als Baumeister in
Frage kommen. Die beiden Ämter waren aber
immer bei einer Person gewesen, dazu waren sie
auch zu gering besoldet. Die städtischen Fuhren
habe noch keiner so billig übernehmen wollen
wie er.

Abbe de Wert sucht zuerst nach den Ursachen
des Unglücks der Stadt. Er stellt fest, daß „daselbst
keine Polizey, keine Wirthschaft und keine
Gerechtigkeit" herrschen. Er hat .damit schon
recht; aber wo und wann könnte man diese Vorwürfe
nicht ebenso erheben? Er rechnet damit,
daß in dieser Zeit des schwelenden Aufruhrs
solche Worte Schalmeienklänge in den Ohren
der Majestät sein müßten. So konnte er nunmehr
die Schuldigen nennen. „Nach ihm sind die Vorgesetzten
und Beamten unwissend und nachlässig
, sind Verächter und Übertreter der hohen
Gebothe, sind eigenmächtig und gewaltthätig,
sind Verfolger der Untergebenen, Streichmacher,
sind Räuber und Verschwender sowohl des gemeinen
, als Privatguts." Die Reihe ließe sich
weiter fortsetzen. Die schlimmsten aber seien
der Bürgermeister und der Waldmeister. Eine
hervorragende Ausnahme bilde allein der Kanzleiverwalter
.

Da de Wert die Reformen des Kaisers auf
kirchlichem Gebiete nicht unbekannt waren,
glaubt er, daß einige Seitenhiebe hier gut ankommen
würden. Selbstverständlich richten sie
sich bei einem Abbe nur gegen die untergebenen
Kapläne. Diese bekümmerten sich mehr für ihr
Vergnügen „als für die Erbauung des Publikums",
insbesondere lebten sie sowohl mit dem Pfarrer,
als auch untereinander „in beständigem Zanke,
bis zur Ärgernis des Publikums." Ein Geistlicher
würde von seiner Herde nicht als von seinem
Publikum sprechen. Auch hier versagen die Zeugen
. Die Zunftmeister „glauben, die Bürgerschaft
seye mit den Kaplänen und diese mit ihnen zufrieden
", von Streitigkeiten will keiner etwäs
wissen.

Es hatte sich in Neuenburg der Fall ereignet,.
daß ein Mädchen namens Ursula Weber aus
Huttingen von dem Bürger Paul Weiß geschwängert
worden war. „Dieser hat sie auch heurathen
wollen, allein seine Verwandten haben ihm dies?
Heurath wieder ausgeredt... Hernach ist zwischen
ihr und dem Paul Weiß die Sache wegen
der Vatterschaft und des Kindes auf zwölf Louis-
dors verglichen worden. Sie hat zwar behauptet,
daß der Vergleich noch nicht in Erfüllung gekommen
; allein darüber steht ihr der Weg zum Richter
offen." Bis dahin ging die Sache, wie wir
sehen, den üblichen Weg. Nun aber griff die
Weisheit der Behörde ein: „Der Burgermeister
hat also dem Mädel ausbiethen lassen (des Orts
verwiesen), damit das Kind in Neuenburg nicht
gebohren werde und nach der Regel auf die
Stadt, als Geburtsort, Anspruch mache und weil
die Weberin zu Huttingen — nur ein paar Stunden
von Neuenburg — noch ihre Elteren und
einige 100 fl. angefallenes Vermögen hatte."

Hiergegen, als einer „ganz unmenschlichen
Handlung", legt de Wert- Beschwerde ein. Die
Stellungnahme Hinderfads dürfte wohl als herzloser
zu bezeichnen sein als die Vorsicht der örtlichen
Behörde. Er schreibt: „Von dem Chari-
varis (Katzenmusik), welcher dieser Weberin bey
ihrer Verehelichung mit dem Schreiner Wasmer
zu Neuenburg gemacht worden, ist wohl nicht
der Mühe werth zu reden."

Von dieser Charivari bis zur Hebamme führt
eine gerade Linie. Von dieser weisen Frau behauptet
de Wert, daß sie durch ihre Unwissenheit
dem Staate bereits „so viele Unterthanen
entzogen" habe. Hinderfad stellte fest, „daß zwar
unter ihrem Bey stände 18 bis 20 Kinder theils
todt auf die Weldt gekommen, theils bey oder
gleich nach der Geburt und so auch einige Mütter
gestorben, hingegen daß auch unter ihr 336
Kinder zur öffentlichen Taufe gekommen und
nirgendts erwiesen sey, daß irgend ein Kind oder
Mutter aus ihrem Verschulden verunglückt worden
." Allerdings erwies sich durch diese Anzeige,
daß schon vor 14 Jahren die Gemeinde aufgefordert
worden war, eine geeignete Person nach
Freiburg in die Lehre zu schicken, ohne daß
dieser Anordnung bisher Folge geleistet worden
wäre. Da die jetzige Hebamme bereits 61 Jahre
alt war, wurde der Gemeinde „mit schärfester
Ahndung und Strafbedrohung unter einem Termin
von vier Wochen befohlen", nunmehr eine
geeignete junge Kraft in Freiburg ausbilden zu
lassen.

Schlimm kam der Schulmeister im Schreiben
de Werts weg. „Er sey ein Kindtsmörder, ein
xSaufer, ein Spieler, und überhaupt ein liederlicher
Mann". Wie freventlich hier Aussagen gemacht
werden nur unter dem Gesichtspunkt dea
verfolgten Zweckes und nicht von der Wahrheit
ausgehend, erhellt daraus, daß Zunftmeister
Senftlin und Kanzleiverwalter Klein zuerst diese
Angaben bestätigen und nachher ihre Aussagen
widerrufen. Sie geben nunmehr an, daß man ihn
noch nie betrunken gesehen habe. Er war einmal
des Falschspielens angeklagt worden, „allein auf
Erinnerung der Obrigkeit habe er aus Liebe zum
Frieden das gewonnene Geldt alles wieder zurückgegeben
." Seitdem hatte er nicht wieder
gespielt. Der Oberschulaufseher Bob stellte ihm
ein gutes Zeugnis aus.

Auch die Rentmeister wurden das Ziel der
Kritik. Sie verdienten sehr wenig; beide, Schmied
und Elsässer, besaßen ein von de Wert schlecht
beurteiltes Wirtshaus, unmöglich könnten ihre
Einnahmen den Ausgaben entsprechen; außerdem
kauften sie auf allen Ganten der darob
murrenden Bevölkerung die besten Stücke weg.
Elsässer besaß ein paar tausend Gulden. Von diesen
schweigt de Wert, als er den Rentmeister
verdächtigt, mit zweifelhaftem Gut ein neues
, Haus gebaut und „meubliret" zu haben. „Ein
neues Haus hat er zwar gebaut, aber das Geldt

Die November- und Dezember - Nummer
der „Markgrafschaft" erscheint Mitte Dezember
als Doppelnummer.

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