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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-10/0018
Wir täuschen uns wohl nicht, wenn wir behaupten,
daß dem badischen Weinhandel ein höherer Aufschwung
bevorstehen kann. Wir erlauben uns, hierüber
einige Andeutungen zu geben, und würden uns
freuen, wenn Männer, die mit der Sache vertraut
sind, weitere Vervollständigung liefern würden.

Daß zunächst der Weinbauer für die Erzeugung
eines recht vollkommenen Produkts zu sorgen und
dem Satz und dem Bau der Reben, sowie der Einheimsung
des Weines eine vermehrte Aufmerksamkeit
zu schenken hat, ist schon so oft und von so
kompetenten Stimmen hervorgehoben worden, daß
wir hier nicht mehr darauf zurückkommen wollen.
Ist die Ware einmal gut, so muß sie auch bei den
jetzigen erleichterten Verkehrsbeziehungen ihren
Absatz finden. Nur darüber möchten wir eine Bemerkung
machen, daß eine von manchen Stimmen
vorgeschlagene sorgfältige Auslese, welche in einer
Ausscheidung der überreifen Trauben von den
weniger reifen besteht, uns nicht passend erscheint.
Eine solche Behandlung mag in den besten Lagen
des Rheingaues und des Hardtgebirges angemessen
sein, obwohl auch dort in neuerer Zeit davon abgegangen
wird, weil nicht allein die Kosten der Auslese
erheblich sind, sondern weil auch der von den
weniger reifen Trauben erzielte Wein durch die
Entziehung der überreifen Trauben unvollkommener
wird und der Mindererlös hiefür in keinem Verhältnis
zu dem Mehrerlös aus der ersten Qualität steht.
Diese Auslese empfiehlt sich aber für unsere badischen
Weine umso weniger, als sie die eigentümliche
Feinheit und das Bouquet des Rheingauerweines
und damit auch nicht die oft fabelhaft hohen Preise
derselben erzielen können.

Am förderlichsten für die badischen Weinbauern
dürfte der Bau der roten Traube, und zwar des
Burgunders sein. Fast überall eignet sich hierzu
unser Boden. Forscht man nach, warum die süddeutschen
Weine in der Ferne nicht besonders beliebt
sind, so wird ihnen in der Regel eine gewisse
Säure zum Vorwurf gemacht, der aber eigentlich
nur auf den weißen und den schlechten roten Wein
sich beziehen kann. Diesen Vorwurf vermögen wir
bei dem aus guten roten Trauben gewonnenen Wein
zu beseitigen und in der Tat zeigt sich auch eine
vermehrte Nachfrage aus dem Norden nach dem
Affenthaler, Zeller und anderen badischen Rotweinen
. So hat sich zum Beispiel die Einfuhr von
französischen Weinen in Berlin seit dem Jahre 1853
sehr vermindert. Damals betrug sie noch 28 857
Zentner, im Jahre 1856 22 805 Zentner, und im Jahre
1857 dürfte sie kaum 15 000 Zentner erreichen; die
Einfuhr der süddeutschen Weine hat dagegen bedeutend
zugenommen. Man weiß jetzt im Norden, wo
die ^panischen, portugiesischen und französischen
Weine bisher sehr beliebt waren, daß kolossale Verfälschungen
damit vorgenommen werden; man weiß,
daß in dem ganzen Landstrich zwischen dem Ausfluß
des Quadalquivir und der Bay von Cadix, wo
die besseren Gattungen des Xeresweines kultiviert
werden und seit vier Jahren der Ernteertrag wegen
der Traubenkrankheit notorisch um 50 Prozent vermindert
ist, gleichwohl seitdem die Ausfuhr gegen
früher um 50 Prozent, zugenommen hat; man weiß,
daß in Oporto, wo die Traubenkrankheit seit mehreren
Jahren den Ertrag der guten Weine um mehr
als 75 Prozent vermindert hat, so daß mehrere große
Häuser ihre Etablissements zu schließen gezwungen
waren, die Exportation gleichwohl um 25 Prozent
gestiegen ist; man weiß endlich, daß im Südwesten
Frankreichs trotz des ganzen Ernteausfalles aus
catalonischen und aragonischem Gewächs so viel
Bordeaux-Lafitte und St. Julien fabriziert wird, als
nur immer bestellt ist, und daß neuerdings alle
Arten Weine künstlich hergestellt werden, in denen
alles mögliche, nur kein Tropfen Rebensaft, enthalten
ist.

Diese mit Recht ungünstige Stimmung im Norden
Deutschlands gegen die fremden Weine sollte benützt
und von unseren Weinhändlern sollten vermehrte
Anstrengungen gemacht werden, um den
Absatz dorthin zu sichern. Dies muß gerade jetzt
gelingen, wo ein vorzügliches Produkt mit mäßigem
Preis geliefert werden kann. Auch Holland und

Belgien, die ein großes Quantum französischer und
spanischer Weine konsumieren, dürften das Absatzgebiet
vermehren, zumal da die Frachten dorthin
äußerst billig sind. Notwendig wird aber sein, daß
bei dem Herbsten die rechte Behandlung stattfindet,
daß die roten Trauben nicht überreif gelesen werden
, daß die Kelterung zur rechten Zeit vor sich
geht usw.

Nicht minder als der rote . kann auch der weiße
badische Wein ein weit größeres Absatzgebiet als
bisher finden. Hierzu ermuntert der in neuerer Zeit
umgewandelte Geschmack, wonach man nicht mehr
schwere, das Blut erregende Weine liebt, sondern
leichte, angenehme. Da nun die vorzugsweise aus
Riesling und Traminer gewonnenen schweren Weine
überdies viel mehr Wärme zur Entwicklung der
Trauben erfordern, als die leichten Sorten, und da
in den letzten Jahren keine ganz günstige Witterung
für den Weinstock stattgefunden hatte, so war es
natürlich, daß unsere badischen Weine, deren Rebsorten
leichter zur Reife gelangten, selbst bei denjenigen
heimisch wurden, welche die überrheinischen
und Rheingauerweine in besseren Jahren vorgezogen
hatten.

Für den Absatz solcher leichten und lieblichen Weine
ist nun in neuerer Zeit ein äußerst günstiger Umstand
eingetreten: die Wohlfeilheit und Raschheit
des Transports. Während früher die Abnehmer in
Mittel- und Norddeutschland wegen der hohen
Transportkosten sich nur an den vorzüglichen Wein
hielten, können sie jetzt auch ihre Einkäufe in den
mittleren Sorten machen; die Wohlfeilheit derselben
ist anlockend, und gar mancher Familienvater wird
einem Glase Wein den Vorzug vor dem weniger
gesunden Gerstensaft geben. Was aber durchaus
notwendig ist, besteht darin, daß man in größeren
Städten Niederlagen hält und tüchtige, ortskundige
Commissionärs aufstellt. Wer in Norddeutschland
gereist ist, wird dort oft die Wahrnehmung gemacht
haben, daß die Privaten deshalb keinen süddeutschen
Wein kommen lassen, weil sie den Preis nicht
kennen. Wäre ihnen dagegen Gelegenheit geboten,
die Flasche zu 24 kr. zu erhalten, so würden sie sich
gerne entschließen, Y2 oder 1 Ohm einzukaufen.
Diese irrige Ansicht rührt meist auch daher, daß
nur Weinreisende aus Frankfurt, Mainz, dem Rheingau
und vom Hardtgebirge im Norden sich herumtreiben
und die hohen Preise ihres Weines einhalten.
Warum lassen sich badische Weinhändler mit badischem
Gewächs zu wohlfeilen Preisen dort nicht
sehen?

Einen sehr wichtigen Punkt für den Absatz unserer
Weine bietet Nordamerika dar. Die große Masse
unserer Landsleute daselbst sehnt sich nach dem
Genuß deutscher Weine und schon jetzt ist der
Weinhandel dahin, hauptsächlich vom Mittel- und
Niederrhein, ein sehr bedeutender. Wir wissen, daß
Deutsche, welche sich in Amerika niedergelassen
haben, beträchtliche Aufkäufe von badischen Weinen
machten und einen großen Gewinn daraus
zogen. Leider besteht aber bei uns noch kein großartiges
Exportgeschäft, das einen regelmäßigen
Absatz jenseits des Ozeans organisiert hat. Hierfür
könnten vorerst wohl unsere Konsuln sich ein großes
Verdienst erwerben.

Ob im Interesse des Weinhandels auch noch eine
Abänderung der bestehenden Akzisgesetze stattfinden
soll, darüber sind lange und eingreifende Diskussionen
in beiden Kammern unserer Stände
geführt worden. Wir hoffen, daß ,es auf dem bevorstehenden
Landtag gelingen möge, hierüber eine
allseitig befriedigende Lösung zu bewirken.

Wenn man bedenkt, daß in Baden ein Gelände von
über 50 000 Morgen mit Reben bepflanzt ist, daß
unser Staat den fünften Teil des Gesamtrebbaues
im deutschen Zollverein besitzt, so könnten sich
patriotisch gesinnte Männer ein großes Verdienst
dadurch erwerben, daß sie dem badischen Wein
neue Absatzgebiete zuführten. Es wäre sicherlich
keine gewagte Unternehmung, wenn eine Aktiengesellschaft
mit größeren Mitteln zusammentreten
würde, um hauptsächlich den Weinhandel ins Ausland
zu fördern." B. Gmeiner


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