Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fs
Hebelbund Müllheim [Hrsg.]
Die Markgrafschaft: Beiträge aus Geschichte, Kultur und Wirtschaft des Markgräflerlandes
9. Jahrgang, Heft 11/12.November/Dezember 1957
Seite: 7
(PDF, 9 MB)
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jähriger Belagerung erstürmt. Dadurch
hatte das unmittelbar unter
der Burg liegende Dorf Haagen
weit mehr zu leiden als das entlegenere
Tegernau, obwohl dem
Matthias auch da genug Schrek-
ken erwuchs. Als er dann endlich
wieder wagen konnte, nach seiner
Mutter zu schauen, war sie nicht
mehr am Leben, auch der Götti
Jerg nicht mehr, dessen Haus in
Flammen aufgegangen war. So
konnte er der Mutter nicht mehr
die freudige Nachricht bringen,
daß ihm ein erster Sohn geboren
war, der freilich der jungen Mutter
das Leben gekostet hatte. Das
Büblein sollte aber nicht den Vatersnamen
erben, sondern Rudolf
heißen als einen Dank an den
Markgrafen, in dessen Ahnenreihe
der bedeutendste auf Rötteln diesen
Namen trug. Und während
die stolze Burg nun nur noch
nackte Mauerreste und Türme
zeigte, sollte doch der Größte von
dort im Rufnamen eines Flachsland
weiterleben.

Mit noch größerem Eifer stürzt
sich nun der einsam gewordene
Witwer auf seine besonderen Studien
und Liebhabereien. So erscheint
von ihm in diesen Jahren
ein „hebräischer Kalender für
Christenleute"; denn gerade diese
alte Sprache hatte es ihm angetan
. Nur wußten diese Christenleute
wenig damit anzufangen,
dieweil sie des Hebräischen nicht
mächtig waren. In Deutsch erschien
nun ein hundertjähriger
Kalender, aber auch der war
längst nicht für alle verständlich,
weil er viel konfuses Zeug enthielt
und dazu in einer Orthographie geschrieben war,
die der Matthias eigens für sich zurechtgemacht
hatte; es war mehr eine alemannisch - hochdeutsche
Phonographie, von der als Probe der
Satz angeführt werden möge: „Där Fater ist mit
däm Stäcken da gewäsen". Schließlich hielt der
Matthias den kleinen Katechismus Luthers für
verbesserungsbedürftig und gab ihn mit verschiedenen
Änderungen neu heraus. Flachsland
erhielt von seiner Behörde einen kräftigen Verweis
ob seiner höchst untheologischen Schreibwerke
und seiner Korrektur an Luther, die eines
Pfarrers nicht würdig seien. Solche ohnmächtige
Rüge störte indes den Matthias wenig, und er
war froh, daß er sein mageres Einkommen durch
seine Nebentätigkeit etwas aufgebessert hatte.
Außerdem wußte er einen mächtigeren Patron
über sich als diesen eingebildeten Generalsuperintendenten
, nämlich den Markgrafen selbst, der
ihn auch in diesem entlegenen Dörfchen nicht
vergessen hatte. So trat für ihn das Eigentümliche
ein: Während sein Bittgesuch um eine
bessere Pfarrpfründe von der Behörde abgelehnt

Rauhreif

Foto: Hummel, Pleitersheim

worden war, dieweil er wegen seiner Absonderlichkeiten
für keine größere Gemeinde geeignet
erscheine, versetzte ihn der Markgraf nach Brog-
gingen, einer sehr ansehnlichen Pfarrstelle im
Emmendinger Bezirk. Dorthin nahm er auch
seine zweite Frau mit, die er auf einem seiner
letzten Gänge von Tegernau aus in Basel kennen
gelernt hatte; aber es war keine Delila, die den
Simson in ihr Netz eingefangen hatte, vielmehr
war sie ihm sozusagen zugelaufen. Denn hier in
den Gassen Basels gab es für ihn ein ganz merkwürdiges
Wiedersehen mit seinem alten Studienkollegen
aus Straßburg, dem Matthias Kummer,
der es zum Superintendenten in Pforzheim gebracht
, beim Franzoseneinfall aber hatte flüchten
müssen und hier in Basel Zuflucht gesucht hatte.
Dieser einstige vielgebildetere und vornehmer
erscheinende Namensvetter bot nun allerdings
eine klägliche Figur, abgerissen und heruntergekommen
; er war wie er selbst aussagte, nun
ein Mensch des Kummers geworden. Er hatte als
Begleiterin ein junges, hübsches Mädchen bei
sich, das dem Flachsland gleich in die Augen

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