Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fs
Hebelbund Müllheim [Hrsg.]
Die Markgrafschaft: Beiträge aus Geschichte, Kultur und Wirtschaft des Markgräflerlandes
9. Jahrgang, Heft 11/12.November/Dezember 1957
Seite: 8
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-11-12/0010
stach, es war Kummers älteste Tochter, und
kurz entschlossen hielt der verwitwete Matthias
um die Hand dieser Katharina an; der flüchtende
Kummer, beglückt darüber, sein Kind in diesen
bösen Zeitläuften versorgt zu wissen, gab bereitwillig
seine Zustimmung, zumal auch Katharina
nicht abgeneigt schien, die eheliche Verbindung
mit diesem alten Freund ihres Vaters zu wagen.
Und so schnell als möglich wurde dieser Ehebund
geschlossen.

Wenn nun freilich diese Katharina gehofft
hatte, nach den Jahren der Ängste und ständigen
Flucht ein friedliches, geruhsames Leben mit
Flachsland in einem Landpfarrhaus zu finden, so
hatte sie sich getäuscht. Denn der Matthias war
und blieb ein unsteter Geselle, dem es nirgends
wohl war und rastlos wandern mußte. So war
auch in diesem an sich gemütlichen Broggingen
ihres Bleibens nicht lange; den Matthias zog es
wieder mehr gen Süden und eine halbe Stunde
von seiner ersten Pfarrei entfernt, übernahm er
die eben freigewordene Gemeinde Tiengen. Auch
von da aus ergriff er öfters am frühen Morgen
seinen Wanderstab und pilgerte gen Basel, wo
er wieder Neues zu erforschen hatte, und wenn
er abends heimkehrte, merkte ihm niemand an,
daß er hundert Kilometer auf des Schusters Rappen
zurückgelegt hatte. Von solchem Gewaltmarsch
brachte Matthias eines Tages der beglückten
Katharina die Nachricht mit, daß ihr Vater
nun in Efringen als Pfarrer untergekommen sei,
und bestellte seine Grüße.

Für den jungen Rudolf allerdings war es von
entscheidender Bedeutung, daß er in dieser umsichtigen
und klugen Katharina Kummer wieder
eine rechte Mutter gefunden hatte, die alles andere
an ihm war als eine Stiefmutter. Von Vaters
Seite her war für den Rudolf von vorneherein
festgelegt, daß auch er das theologische Studium
ergreifen und Pfarrer werden solle; dagegen
mußte sich Katharina — wie einst das Chätterli
beim Matthisli — sagen, daß der reichlich zügellos
gewordene Rudolf wenig pfarrherrliche
Eigenschaften an sich trage. Aber Matthias
bestand darauf, daß die pfarrerliche Stammfolge
eingehalten würde und vertraute darauf, daß
dieser junge Springinsfeld — ach, wie erkannte
sich der Vater in so vielen Stücken im Buben
wieder — schon von selbst zahm werde und
durch die gutgelenkte Hand der Muter und
später einer rechten Frau schon noch auf den
Weg der Zucht und Mäßigung komme. Er ließ
ihn auch in Straßburg studieren, wo er weiland
seine Wissenschaft geschöpft hatte, und erlebte
auch noch zu seiner Freude, daß Rudolf seine
erste Anstellung als Pfarrer in dem Kaiserstuhldörfchen
Bickensohl, gar nicht weit von Tiengen
entfernt; erhielt. Und wie einst Elieser für Isaak,
sah sich Matthias unter den Töchtern des Landes
nach einer Frau für seinen Sohn um und fand
eine solche in der Maria Dorothee Mauritii, deren
Vater in seinem Heimatdorf Hauingen Pfarrer
gewesen war. Diese Verbindung seines Sohnes
mit einer Hauinger Pfarrerstochter deuchte den
Matthias wie eine überaus glückliche Fügung des
Himmels, denn sein altes Nest im Wiesental
liebte er über alles.

5. Auch der zweite Matthias
tritt ab von dies er Welt

Frau Katharina blieb indessen mit ihrem
guten Väter in stetiger Verbindung; es war ihr,
als müsse sie neben dem immer noch bäuerlich
und ungeschlacht gebliebenen Mann auch und
erst recht in Kontakt stehen mit der gebildeteren
Welt ihres Vaterhauseg. Zu ihrer Freude erhielt
sie eines Tages den Besuch ihres Vaters in
Tiengen, der eben im Begriff stand, von Efringen
wieder in seine Superintendantur nach
Pforzheim zurückzukehren. Für Katharina blieb
dieses Wiedersehen mit ihrem alten Vater ein
freundlicher Tag in dem steten Gleichmaß ihrer
oft langweiligen Wochen in der stillen Landpfarrei
. Es war das letzte Mal, daß sich Vater
und Tochter sprachen. Jahre vergingen; und
Matthias Flachsland 'war trotz seines vorschreitenden
Alters noch kein ausgeglichener Mensch
geworden. Ein stiller Ehrgeiz fraß an dem unsteten
Mann, weil er nicht mehr geworden war
in seinem Leben als ein Dorfpfärrerchen, der
von einer kleinen Gemeinde zur anderen gewandert
und gewechselt war, es aber doch nie zu
was Rechtem gebracht hatte. Die Schreibereien
aus seiner Feder waren höheren Orts nicht
genehm und nicht anerkannt worden, weder bei
den Kollegen noch in der großen Welt, und für
die vielen Manuskripte, die er noch in seiner
Schublade liegen hatte, fand er keinen Verleger.

Da traf eines Tages die Nachricht aus Pforzheim
ein, daß der Superintendent Matthias
Kummer deselbst verstorben sei. Matthias II
traf die Nachricht vom frühen Tod des Gleichaltrigen
darum schwer, weil jener eben doch ein
angesehener Kirchenmann geworden war, während
er, der kleine Matthias, so groß er von
Gestalt war, als unbedeutender Pfarrer von
Tiengen wohl das Zeitliche werde segnen müssen
. Tief aber war die Trauer bei Katharina um
ihren edeln, guten Vater, und doch durfte sie ihr
Leid den Gemahl nicht zu sehr sehen lassen, weil
gleich die Eifersucht in ihm erwacht wäre. Sie
kannte ihren empfindlichen Matthias.

Wie verwundert aber waren sie beide, als
wenige Tage darauf ein Brief aus der markgräflichen
Kammer den Pfarrer Matthias Flachsland
von Tiengen zum neuen Superintendenten
und Archidiakonus nach Pforzheim berief. „Ich
hab's doch zu so was wie einem Kirchenhaupt
gebracht und brauche mich meiner hohen Vorfahren
nicht zu schämen", rief Matthias mit
Freuden aus und räumte das Feld seines geliebten
Markgräfler Landes, um nach Pforzheim
überzusiedeln und zu großer Stellung emporzusteigen
. Allein der scheinbar Urgesunde und
Unverwüstliche konnte gerade nur ein Jahr lang
dieses Amt ausüben, da traf ihn eine Lähmung,
die an ein weiteres Wirken an dieser Stelle
nicht mehr denken ließ. Er wurde wieder kleiner
Landpfarrer in dem Dörflein Stein bei Pforzheim
, wo er im folgenden Jahr einem zweiten
Schlaganfall erlag. Mit 65 Jahren trat damit der
zweite Flachsland von dem Schauplatz dieser
Welt ab.

(Schluß folgt.)

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