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Ob em hangt der Himmel voll Sunne, Sternen und
Gige; unterem der Bode, er treit em fruchtbere
Zehnte. Uf de Matte weide d'Chüeih, ihm trage si
d'Milch zue; an de Berge grase d'Schof, ihm chrüslet
si d'Wulle ...
Drum, Herr Gysser, was sagi, un wenn ein e Pfarrer
werde will, un wenn e schöni, mannberi Tochter no
nem Vikari luegt, un er luegt wieder no ihre, un
si wechsle mitenander fründligi Rede, löhnt si
mache, sagi. Doch vor em leidige Schuelstaub soll
der Himmel euer Chind in Gnade biwahre!"
Emil Baader:
Weder Karlsruhe noch Durlach, weder Baden-
Baden noch Pforzheim sind gemeint mit dieser
„alten badischen Residenz", sondern eine Miniaturstadt
im Markgräflerland: Sulzburg.
Wer von der Fauststadt Staufen durch das
Weinland südwärts wandert, ist überrascht, wenn
er nach kurzer Zeit durch ein malerisches Tor in
das Herz einer Kleinstadt kommt, die an Reiz
der Fauststadt kaum nachsteht. Wir weilen in
einer alten Bergbaustadt, die sich inzwischen zu
einem Wein- und Kurstädtchen gewandelt hat.
Auf Schritt und Tritt begegnen wir Zeugen
der Geschichte dieser alten Residenz.
An den Bergbau erinnert das über dem Stadttor
angebrachte Sulzburger Wappen; es zeigt
einen Bergmann vor dem Grubeneingang. Dieses
Wappen finden wir auch an der Säule des Stadtbrunnens
. Der blumengeschmückte Brunnen steht
auf dem weiten freien Platz zwischen Stadtkirche
, Rathaus und dem Gebiet des ehemaligen
Residenzschlosses.
In der Stadtkirche — sie erstand im letzten
Jahrhundert an Stelle der alten Schloßkirche —
fesselt uns die wappenumrahmte Grabplatte der
1574 verstorbenen Markgräfin Anna von Baden.
Sie war die Witwe jenes Markgrafen Ernst von
Baden, der von 1515 bis 1533 in Sulzburg residierte
. Er hat den Grund zum Sulzburger Schloß
gelegt, das den Kriegen der späteren Zeit zum
Opfer fiel. Wie dieses Schloß aussah, zeigt der
1663 von M. Merian geschaffene Kupferstich,
erschienen in der „Topographia Sueviae". Dieser
Stich ist einer der zuverlässigsten von Merian.
Wir sehen auch die zinnengekrönten Mauern,
den damals noch sehr hohen Torturm mit davor-
liegenden Brückenhäuschen, sowie die Klosterkirche
aus romanischer Zeit mit Satteldach und
dem inzwischen verschwundenen Paradies (Vorhalle
).
In dem schloßartigen Steinhäusler'schen Wohnhaus
, dem vornehmsten Gebäude der Stadt, das
seit über hundert Jahren an der Stelle des
Schlosses steht, überraschen uns u. a. Originalbildnisse
des Markgrafen Georg Friedrich (gestorben
1638), sowie der badischen Prinzessin Katharina
Barbara.
Georg Friedrich, Sohn des Markgrafen Karl IL,
der 1555 die Reformation in Sulzburg eingeführt
hatte, verlegte die höchsten Regierungsstellen
nach Sulzburg. Er erweiterte den Schloßbau und
legte schöne Gärten an. Er gründete in seiner
Hebels Briefe an Wild und zumal an Gysser sind
ein Spiegelbild lebendiger Freundschaft. Wie oft
mag der Dichter bei seinen Müllheimer Freunden
zu Gast gewesen sein!
Die Müllheimer Hebelstube soll freilich nicht
nur künden von Hebels Müllheimer Freunden,
sondern zumal von Hebel selbst, dem einmaligen
Geiste Alemanniens!
Residenzstadt eine Lateinschule. Von 1605 ab
wohnte er nicht mehr ständig in Sulzburg, sondern
in Pforzheim oder Durlach, da er von seinem
verstorbenen Bruder Ernst Friedrich das
„Unterland" geerbt hatte. Das Gedächtnis an die
Prinzessin Katharina Barbara ist nicht vergessen.
Sie lebt im Volk unter dem Namen Weckenfrau
weiter. Auf Grund einer von ihr gemachten Stiftung
erhalten die Sulzburger Kinder aus der
Hand des Bürgermeisters am Sonntag Lätare
Wecken. Sie ordnete auch an, daß „mittellosen
und notdürftigen Landesbewohnern" durch die
Apotheke unentgeltlich Arzneien verabreicht
wurden. Apotheke und Apothekergarten zählen
heute noch zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt.
An die älteste Geschichte der Stadt erinnert
die Klosterkirche. Um das Jahr 933 gegründet,
bestand das Benediktinerinnenkloster bis in das
Jahr 1555. Während die Klosterbauten 1769 niederbrannten
, blieb die Kirche, deren Krypta
besonders sehenswert ist, erhalten. Es ist das
Verdienst des Sulzburger Pfarrherrn Assum, daß
dieses ehrwürdige Baudenkmal, in welchem
gegenwärtig mittelalterliche Wandmalereien freigelegt
werden, erhalten blieb.
Wie wurde Sulzburg badische Residenz?
In Lorscher Urkunden 821 erstmals erwähnt,
erhielt der durch seinen Bergbau wohlhabende
Ort 1008 die Marktgerechtigkeit, um 1380 das
Stadtrecht. Erbvögte waren lange Zeit die Usen-
berger. Von ihnen kam Sulzburg 1393 an Hacklberg
, 1418 an Baden. Sulzburg ist die älteste
badische Besitzung im Markgräflerland.
Da Markgraf Christoph die badische Herrschaft
teilte (1515), wählte sein Sohn Ernst Sulzburg
als Residenz. Es war dies die Blütezeit der
kleinen Stadt.. In späteren Jahren wurde Sulzburg
Sitz fürstlicher Witwen. Außer Markgräfin
Anna wohnte u. a. Elisabeth Eusebia, die fünfte
Gemahlin Georg Friedrichs, als Witwe in Sulzburg
. Sie war die Tochter des Grafen Albrecht
von Fürstenberg.
Von den Schloßbauten blieb nur der sogenannte
Rittersaal erhalten. In seinen gewölbten
Kellern lagern die Weine der Landschaft.
In der Nähe des Stadttors wurde als Sohn
eines badischen Beamten Johann Daniel Schöpf-
lin geboren, einer der berühmtesten Geschichtsschreiber
der oberrheinischen Landschaft. Im
Rathaus finden wir sein Bildnis, sowie die siebenbändige
Originalausgabe seiner „Historia Zaringo
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Sulzburg war hundert Jahre Sitz der badischen Markgrafen
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