Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fs
Hebelbund Müllheim [Hrsg.]
Die Markgrafschaft: Beiträge aus Geschichte, Kultur und Wirtschaft des Markgräflerlandes
9. Jahrgang, Heft 11/12.November/Dezember 1957
Seite: 12
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Etage — eine Baum wollkappe; zweite Etage —
ein Seidentuch; dritte Etage — ein Hut. Dann
staffelten sich von Stuhl zu Stuhl fünf oder
sechs Nürnberger Nußknacker, aber lebendig,
grotesk herausstaffiert, fast verschlungen von
gigantischen Filzhüten; die Gesichter schokoladenbraun
, die Augen wie aus Emaille.

Der Rest des langen Tisches war leer. Jedes
Mitglied dieser eigenartigen Tafelrunde, hatte
eine weiße Tasse vor sich stehen, sowie ein paar
Gefäße von befremdlicher Form, alles auf einem
kleinen Tablett.

Keiner sagte ein Wort.

In tiefstem Schweigen hoben sie von Zeit zu
Zeit die weißen Tassen an die Lippen, aus denen
eine schwarze Flüssigkeit dampfte, die sie mit
ernsten, unbewegten Mienen tranken .. . "

Victor Hugo betrat jenen Saal, ohne daß die
schattenhafte Gästeschar ihm die mindeste Aufmerksamkeit
zollte. Er raffte alles zusammen,
was er an Kenntnissen der deutschen Sprache
besaß, und rief: „Kellner!" Er hatte dieses Wort
irgendwo aufgeschnappt, ohne zu wissen, was es
bedeute, aber es in einem Winkel seines Gedächtnisses
sorgsam aufbewahrt, in der vagen Vorstellung
, es könne ihm einmal nützlich sein.

Das Märchenwort „Sesam, öffne dich!" hätte
keinen besseren Erfolg haben können. Denn alsbald
schloß die Tür sich hinter einer Erscheinung
, die auf den Dichter zuschwebte:

„Ein hübsches junges Mädchen, blaß, mit
niedergeschlagenen Augen, auf dem Kopf etwas
Seltsames, das aussah, als habe sich ihr ein
riesengroßer schwarzer Schmetterling mit ausgebreiteten
Flügeln auf die Stirn gesetzt. Überdies
trug sie ein breites Stück schwarzer Seide
um den Hals geschlungen, als wolle dieses anmutige
Schattenwesen die runde, rote Linie der
Maria Stuart und der Marie Antoinette verdecken
.

,Kellner?' fragte sie mich. Und ich antwortete
unerschrocken: ,Kellner!'

Sie nahm eine Kerze und bedeutete mir, zu
folgen".

Unter der Führung dieses jungen Mädchens
fand Victor Hugo sein Gepäck wieder, das säuberlich
aufgeschichtet dalag, und bekam ein ausgezeichnetes
Zimmer mit „schneeweißen Gardinen
" —: er hatte sich in das Hotel „Zähringer
Hof" verirrt! Anschließend schildert er, wie sich
das Rätsel des Geisterspuks löste, das ihn anfangs
so betroffen gemacht hatte: es war eine Reisegesellschaft
gewesen, die ihren Morgenkaffee
trank.

Es muß gesagt werden, daß Victor Hugo recht
wenig von Freiburg zu sehen bekommen hat. Der
Anblick des Münsters ergriff den Liebhaber
mittelalterlicher Kunst und zumal der Gotik; es
schien ihm dem Straßburger ebenbürtig zu sein.
Er rühmt die Eleganz, den Schwung, den großen
Zug des Bauwerks, die rötliche Düsternis der
Steinmassen; er weist auf die beiden kleinen,
strengen, romanischen Nebentürme hin und fährt
fort:

„Zur Rechten, im schirmenden Schatten des
Münsters, erblickt man ein Haus aus dem fünfzehnten
Jahrhundert mit großem Dach aus farbigen
Ziegeln, mit Treppengiebeln, flankiert von
spitzigen Türmchen... mit einem gemeißelten
Balkon im ersten Stockwerk, und zwischen den
Fenstern vier bemalte und vergoldete Statuen..
Dieses sehr schöne Gebäude dient irgendwelchen
banalen behördlichen oder bürgerlichen Zwecken,
und es ist rot getüncht worden. Diesseits des
Rheins wird alles rot getüncht... Das Münster
ist es zum Glück nicht". Dem schließt sich eine
Schilderung des Münsters an, die jedem Reisehandbuch
der damaligen Zeit zur Zierde gereicht
hätte.

„Auf den Münsterturm bin ich nicht gestiegen.
Freiburg wird von einem Hügel beherrscht, fast
einem Berge, der höher als der Turm ist. Ich bin
lieber auf diesen Hügel gestiegen. Und meine
Mühe ist durch den Anblick einer lieblichen,
einer entzückenden Landschaft belohnt worden."

Abschließend heißt es: „Übrigens habe ich in
Freiburg Forellen aus dem Oberrhein gegessen —
vortreffliche, hübsche Fischlein, blau mit roten
Flecken".

Albert Eisele:

iS\z töictfdjaftüdicn DectjältnflTe um Me Witte öcö üortgen 7at)rtjun&erts in i&anbtm

In diesen Tagen bezog die Bezirkssparkasse
Kandern ihre neuerbauten Geschäftsräume in
der Bahnhofstraße. Als am 26. Mai 1907 die
Generalversammlung der Privat-Sparkasse Kandern
dem Kauf des Hauses in der Hauptstraße
um 25 000 Mark zustimmte, war die Kasse wohl
erstmals in einem eigenen Gebäude. Vorher
scheint der Rechner irgendwo eine Zahlstelle
gehabt zu haben. So wird erzählt, daß diese im
Hause von Kaufmann Berner am Blumenplatz
gewesen sei und einen eigenen Eingang gehabt
habe. Das letzte Fenster links zeigt heute noch,
daß dort erst später ein Fenstersims eingesetzt
wurde. Das im Jahre 1907 erkaufte Haus war
1816 abgebrochen und ganz neu erbaut worden.
Vorher hatte Engelhard Steinhäusler das Haus

besessen; von ihm erwarb es Johann Adam Eichacker
und dieser verkaufte es an die Kasse vor
fünfzig Jahren. Wer in den letzten Jahren die
Sparkassenräume im Hause am Marktplatz betreten
hat, konnte auf den ersten Blick feststellen
, daß die Räume zu klein waren. Vielleicht
sah man vor fünfzig Jahren schon voraus, daß
mit der Aufnahme des Giroverkehrs eine Erweiterung
der Geschäftsräume nötig werden würde
und ergriff die Gelegenheit zum Erwerb des
Hauses. Zwei Jahre später wurde der Giroverkehr
dann aufgenommen.

Damals bestand die Kasse schon fast siebzig
Jahre. Sie ging zurück auf eine Anregung von
Johann Georg Schanzlin Sohn in einer Versammlung
des neu gegründeten Gewerbevereins. Am

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