Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fs
Hebelbund Müllheim [Hrsg.]
Die Markgrafschaft: Beiträge aus Geschichte, Kultur und Wirtschaft des Markgräflerlandes
9. Jahrgang, Heft 11/12.November/Dezember 1957
Seite: 19
(PDF, 9 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1957-11-12/0021
ins Ausland. Auch Kratz stellte fest, daß die
Wälder unforstmäßig behandelt wurden. Der
Waldmeister gab unumwunden zu, von seinem
Geschäft nichts zu verstehen. „Er sey es zufrieden
, wenn man ihn entlasse und einen gelehrten
Waldmeister anstelle."

Was den Holzverkauf ins Ausland anbetrifft,
so handelt es sich um vierzig Eichen aus einem
Waldstück, das der verstorbene Vorgänger Hin-
derfads, Regierungssekretär Stehle, erlaubt hatte
auszustocken und „das eroberte Holz" an die
Meistbietenden zu versteigern, dies waren nun
eben Markgräfler.

Eine saftige Anschuldigung betrifft den Verkauf
von zwei Eichen nach Banzenheim: „1787,
zwo Eichen an den Ohler zu Banzenheim, wofür
der Burgermeister, Schultheiß, Rath Burckhard,
Waldmeister, Rentmeister Elsässer und J£aul
Weiß mit seiner Frau, der Tochter des Waldmeisters
, bey dem Käufer gefressen und gesoffen
haben." Hinderfad hat „die Sache nicht so beschaffen
befunden, um mit der Untersuchung die
Zeit zu verderben".

Mehrere hundert Eichen seien an Schultes
Wegbecher zu Blodelsheim verkauft worden,
ohne mit dem erheblichen Erlös Gemeindeschulden
abzutragen. Tatsächlich waren 630 Eichen
um 5830 fl. verkauft worden, aber schon vor
28 Jahren. Hinderfad findet es bei dem Holzmangel
für angebracht, vor jedem Verkauf ins
„Ausland" bei der Regierung die Genehmigung
einzuholen.

Über den Wald selbst gibt de Wert an, der
Boden sei unvergleichlich gut; ohne die unermeßlichen
Rheininseln seien auf 1600 Jaucherten
Waldungen 30 000 Eichen vorhanden; aus den
Rheininseln könnte aber nicht nur die ganze
Bürgerschaft beholzt werden, sondern noch
mehrere tausend Wellen könnten zum Verkauf
kommen. Wie sehr der Rhein die Inseln dauernd
verändert, wegreißt, neue Kiesbänke aufschüttet,
hat er bei der Beurteilung ihres Wertes außer
Acht gelassen. Außer dem sogenannten harten
Wald, der nur 500 Jauchert beträgt, ist überhaupt
kein Grün vorhanden, das den Namen eines
Waldes verdient, und selbst diese 500 Jauchert
enthalten höchstens 3500 Bäume, von denen nur
400 schlagbar sind. In den Grünen wachsen
einige wenige. Sarbäume und nicht über dreißig
Eichen und Ruschen. Alle Inseln zusammen
haben nicht mehr als 200 Bäume aufzuweisen.

Dies ist also der Muttergrund, aus dem die
Quelle des Reichtums und Wohlstandes hervorsprudeln
soll.

Hinderfad machte den guten Vorschlag, da
die Stadt nicht in der Lage sei, einen gelehrten
Förster zu besolden, einen solchen aus der österreichischen
Nachbarschaft gegen eine mäßige
Belohnung damit zu beauftragen, jährlich einmal
Waldungen, Grünen und Inseln zu besichtigen
und dem Magistrat vorzuschlagen, was zu
tun sei. Unterlassen Magistrat oder Waldmeister
die nötigen Maßnahmen, so soll strafend gegen
sie eingeschritten werden.

Charivari - Veranstalter Paul Weiß verstand
es sehr wohl, sein erspartes Alimentengeld im

Bau einer neuen Scheuer anzulegen. Er ließ sich
zu diesem Zweck 14 Eichen zum Spottgeld von
6 fl. 25 kr. zuweisen. Hinderfad bemerkt dazu:
„Dieser Weiß ist offenbar mehr als bürgerlich".

Auch die Zunftmeister melden sich zu Wort.
Sie beanstanden, daß der Waldmeister vier Holzanteile
beziehe und zwar als Ratsmann, Waldmeister
, Baumeister und Bürger. Da jeder der
Ratsherren noch ein oder zwei Ämter mitversah,
betraf dieser Vorwurf alle. „Es ist offenbar unbillig
und unwirtschaftlich, daß jemand mehr
Holz gegeben werde, als er wirklich für sich
braucht. Warum soll der Waldmeister 4 Holzanteile
beziehen? Wenn der Ratsmann ein warmes
Zimmer hat, so kann es den Waldmeister
und Baumeister nicht mehr frieren". Das übrige
Holz soll den Beamten in Geld ausbezahlt werden
, „weil sie ohnehin gar geringe Besoldungen
haben".

Die Familie des Scharfrichters Feind versah
durch Generationen hindurch das Metier eines
Tierarztes. Nachdem der Sohn sein Studium abgeschlossen
hatte und mit einem guten Zeugnis
seines Professors Schmiederer zurückgekommen
war, konnte der Vater sich zur Ruhe setzen. Als
das Pferd des Salmenwirts Josef Müller eingegangen
war, behauptete de Wert, es sei nicht
trotz der Kur, sondern durch die Kur des jungen
Feind verendet. Wer wollte hier die Wahrheit
feststellen?

Außerhalb der Stadt liegt die alte Wallfahrtskapelle
zum Heiligen Kreuz. Ein sagenumwobenes
Steinkreuz, dem man einige Gebetserhörun-
gen nachsagte, ist dort zur Verehrung aufgestellt.
Neben der Kapelle hatte ein Franziskaner-
Eremit des 3. Ordens seine Behausung errichtet.
Er versah nicht nur den Mesnerdienst, sondern
auch die frommen Wallfahrer mit Schmaus und
Trank. Dabei ging es zugegebenermaßen nicht
immer sehr gesittet zu. Es wurde „bei einem
Glase Wein gelärmt, auch wohl sich geschlagen".
De Wert sieht darin ein Zeichen der Verderbnis,
des Aberglaubens, der Verschwendung und Ausschweifung
; Hinderfad eine „Begebenheit, die
man in den besten Städten niemals gänzlich
verhindern könne".

In kirchlichen Fragen muß Abbe de Wert
sehr tolerant gewesen sein, denn er wirft dem
Magistrat vor, keine protestantischen Fabrikanten
hier dulden zu wollen. Dieser kann aber
nachweisen, daß er schon zwei protestantische
Fabrikanten aufgenommen habe, zuletzt einen
namens Schmerber, der zuvor zu Mülhausen vergantet
worden war. Der Magistrat will „die
Heilig-Kreuz-Kapelle, den Freythof, dazu Bauholz
, insoweit die Stadt es vermag, gern hergeben
". Der Plan, die Heilig-Kreuz-Kapelle n
eine Fabrik umzuwandeln, war dadurch entstanden
, weil im Zuge der Säkularisation, welche
Kaiser Joseph II. durchführte — bestärkt durch
die oben erwähnten Umtriebe — der Befehl eingetroffen
war, die Kapelle abzureißen. „Die
Bürgerschaft wohnt unter den Protestanten, ohne
daß man von Unfrieden, wenigstens der Religion
halber, das geringste weiß." (Schluß folgt.)

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