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Im Markgräflerland vor hundert Jahren (16)
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Just vor hundert Jahren, im Herbst 1857,
kündigte der Verlag des „Amtlichen Verkündigungsblattes
für die Großh. Bezirksämter und
Amtsgerichte Lörrach, Müllheim, Schopfheim und
Schönau", der Verlag Carl Rudolph Gutsch in
Lörrach, in einem Anhang zur Ausgabe vom
30. September ein Werk eigener Produktion an,
das von besonderem Interesse für das Mark-
gräflerland war. Die Anzeige lautete:
Der Südwestliche Schwarzwald
und das anstoßende Rheingebiet
Zustände von Land und Volk
aus älterer und neuerer Zeit
Von Professor C. G. Fecht
Mit Karte und Originalansichten
Unter diesem Titel erscheint im Druck und Verlag
des Unterzeichneten in zehn Lieferungen ein Werk,
welches von besonderem Interesse für unsere Gegend
zu werden verspricht. Unter dem südwestlichen
Schwarzwald nämlich wird nach dem Plan
des Werkes mit Einschluß des Rheintales derjenige
Teil unserer Gebirgsgegend verständen, welcher die
Amtsbezirke Staufen, Müllheim, Lörrach, Schopfheim
, Schönau, Säckingen, Waldshut, St. Blasien und
zum Teil Freiburg, Bonndorf und Neustadt umfaßt.
Dieses Werk gibt zuerst eine besonders in älterer
Zeit ausführliche Geschichte des Bezirks und seiner
bürgerlichen Zustände. Daran schließt sich eine
statistische Darstellung der Amtsbezirke und, einzelnen
Ortschaften nach ihren allgemeinen bürgerlichen
, volkswirtschaftlichen, gewerblichen, naturwissenschaftlichen
, geschichtlchen Zuständen.
Den Schluß des Ganzen soll die Darstellung einzelner
, besonders schöner und lohnender Gebirgstouren
über unsern Schwarzwald und durch dessen ausgezeichnetste
Täler bilden.
Damit soll dem Freunde vaterländischer Geschichte,
dem Freunde der Natur, dem Erholung suchenden
Gebirgswanderer ein willkommener Führer, aber
auch dem praktischen Gewerbsmanne, den Geschäftsreisenden
ein geeigneter Wegweiser durch die Gegend
von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf geboten
werden.
Nicht minder willkommen aber wird diese Arbeit
den Bewohnern unserer Gegend selbst, dem tätigen
Bewohner des Rheintales, wie dem wackeren Sohne
der Berge sein, denn sie bietet ihm ein 1 ebendiges
Bild der Vergangenheit sowie der Gegenwart seiner
Heimat, gewährt ihm eine Vergleichung entschwundener
Tage mit denen der jetzigen Zeit, und legt
ihm das schöne Flecklein Erde, das die Vorsehung
ihm zur Wohnstätte angewiesen, näher und enger
ans Herz.
Eine bis ins einzelne gehende genaue Karte des südwestlichen
Schwarzwaldes, nach den topographischen
Karten von Baden, bearbeitet von Emil Metzger,
erleichtert auch dem Fremden die Wanderungen
durch die Gebirge; der touristische Teil macht ihn
auf die interessantesten Partien aufmerksam, und
die beigegebenen Ansichten führen ihn mitten in die
herrliche Natur unserer Gebirgswelt, in die schaurige
Tiefe kaum zugänglicher Felsentäler, auf die
weitausblickende Höhe unserer Berge, auf die
Trümmer zerfallener Burgen, vor die Tore belebter
Städte.
Möge eine recht lebendige Teilnahme unserer intelligenten
Oberländer und Schwarzwälder dem Unternehmen
freundlich und förderlich an die Hand gehen.
*
Das Werk erscheint in monatlichen Lieferungen von
einigen Bogen Text mit zwei bis drei Ansichten.
Mit der Abnahme der ersten Lieferung tritt die Verbindlichkeit
zur Abnahme des ganzen Werkes ein.
Die Karte wird mit einer der ersten Lieferungen
ohne weitere Preiserhöhung ausgegeben.
Die Lieferung kostet 24 kr. Die Verlagshandlung
macht sich verbindlich, die Zahl von zehn Lieferungen
nicht zu überschreiten.
Die Karte wird auch besonders zu dem Preise von
1 fl 36 kr abgegeben; Ansichten einzeln bezogen
kostet das Exemplar 12 kr.
Lörrach und Waldshut, Oktober 1857
C. R. Gutsch
Soweit der Text der ersten Anzeige, die offensichtlich
zunächst einmal die Geneigtheit des
lesenden Publikums für eine derartige Veröffentlichung
erkunden sollte. Sehr wahrscheinlich
, ja sicher lagen der gleichen Nummer des
„Verkündigungsblattes" (Nr. 126) auch bereits
Subskriptionsscheine bei, mit denen man das
angezeigte Werk bestellen konnte; der Chronist
fand einen dieser Scheine in Nr. 130 des Blattes:
ein visitenkartengroßes, graues Stückchen Papier
, auf dem in zierlicher Umrahmung zu lesen
steht:
Subskriptionsschein
Der Unterzeichnete wünscht ........ Exemplar(e) von
Fechts südw. Schwarzwald
in zehn Lieferungen ä 24 kr.
zu erhalten.
Ort: Name:
Die Einfachheit des Zettelchens führt überzeugend
vor Augen, wie schlicht und bescheiden
es damals noch im Buchhandels- und Verlagsgeschäft
zuging, — wie ja auch der Stil der oben
genannten Voranzeige in seiner Geruhsamkeit
und seiner höflich-vorsichtigen Überredung weit
von den heutigen Buchanzeigen mit ihrer ins
Auge springenden Aufmachung entfernt ist.
Freilich: jene Zeit vor hundert Jahren verlangte
von einem Schwarzwaldbuch auch anderes als
die heutige; heute müssen solche Bücher Bildbücher
sein, mit möglichst wenig Text, und diesen
noch so mundgerecht serviert, will sagen, so
allgemein gehalten, daß er dem Leser — ist
dieses Wort heute nicht bereits ein Euphemismus
? — ohne jede eigene Bemühung eingeht.
Im Jahre 1857 war das grundsätzlich anders:
Damals gab es noch Leser, die im Buche Belehrung
und nicht nur Unterhaltung suchten. Das
Bild gehörte zur Ausstattung, gewiß, aber es
verdrängte das Wort noch nicht, — es war nicht
Selbstzweck, sondern Ergänzung. In diesem
Sinne handelte auch der Lörracher Verlag, als
er Ansichten beizugeben versprach.
Aus jener Buch-Voranzeige ist aber noch
mehr zu ersehen. Sie zeigt in ihrem ganzen Ton
bereits, mit welcher Geisteshaltung damals eine
solche landeskundliche Darstellung wie die
Fechts angegangen wurde: Die Geschichte erschien
als das Wichtigste; von ihr aus betrachtete
man die Gegenwart — wobei diese Gegenwart
sehr genau unter die Lupe genommen wurde,
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