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Zum 65. Geburtstag von Dr. Wilhelm Zentner am 21. Januar 1958
Von den aus dem Land am Oberrhein stammenden
Schriftstellern, die — ohne ihr Jugendparadies
je zu vergessen — in München eine
zweite Heimat fanden, wurden in den letzten
Jahrzehnten vier mit dem Hebelpreis ausgezeichnet
: Benno Rüttenauer, Wilhelm Weigand,
Wjlhelm Hausenstein und — als jüngster — der
am 21. Januar 1893 in Pforzheim geborene
Wilhelm Zentner.
Keiner ist Hebel so innig verbunden wie
Zentner.
Rüttenauer und Weigand waren Franken, der
zu Hornberg im Schwarzwald geborene Hausenstein
Alemanne. Auch Zentner ist der Abstammung
nach — sowohl von der Vater- wie von
der Mutterseite her — Alemanne. Aus dem
Kanton Glarus sind die Zentner in der Zeit der
Glaubenskämpfe nach Deutschland gekommen.
Die mütterliche Familie Held ist seit dem vierzehnten
Jahrhundert im oberen Wiesental, seit
1700 im Breisgau ansässig.
Da die Zentner seit dem 17. Jahrhundert im
pfälzisch-fränkischen Gebiet wohnten, auf dem
Straßenheimer Hof bei Ladenburg, hat sich in
unserem Dichter, wie bei Hebel, fränkisches und
alemannisches Blut gemischt. Zu des Dichters
Vorfahren zählen der Heidelberger Universitätsprofessor
und spätere bayerische Minister Georg
Freiherr v. Zentner, ebenso der bekannte Mannheimer
Jurist Franz von Zentner.
Zentners mütterlicher Urgroßvater, Friedrich
Held, war Hofgartendirektor in Karlsruhe. Seine
Ausbildung hatte er in Salem erhalten. Der Großvater
, Wilhelm Held, war Forstmann zu Buchen
im Odenwald und in Bretten. Nicht vergessen sei
zu erwähnen, daß die Ur-Urgroßmutter des Dichters
eine geborene Mesmer war, eine Nichte des
berühmten aus Iznang am Bodensee stammenden
Doktors Franz Ant. Mesmer, des Entdeckers
des tierischen Magnetismus.
Da die Eltern früh von Pforzheim nach Karlsruhe
übersiedelten, hat der Dichter zu seiner
Geburtsstadt keine näheren Beziehungen. Der
Vater, Münzrat Wilhelm Zentner, war Direktor
der „Badischen Münze". Die Familie wohnte in
der von Weinbrenner erbauten Münzstätte (Stefanienstraße
28): im Bannkreis Hebels, Scheffels
und des Hoftheaters. Scheffels Elternhaus (Stefanienstraße
16) lag nahe bei der Münze. Hebel,
Scheffel und Theater waren lebensbestimmende
Eindrücke für den jungen Zentner.
Nach Absolvierung des Karlsruher Gymnasiums
studierte Wilhelm Zentner in Heidelberg,
später in München Germanistik, sowie Theater-
und Musikwissenschaft. Mit einer Arbeit über
Bauernfeld erwarb er sich 1920 in München den
Doktorhut. München wurde, ihm - zur zweiten
Heimat. Von früher Jugend an bis zurri. heutigen
Tag blieben aber Karlsruhe und Heidelberg, das
Markgräflerland, wo heute noch seine *'87jährige
Mutter wohnt, zumal aber der geliebte Bodensee
das Ziel seiner Ferientage.
Schier unübersehbar reich ist Zentners literarisches
und künstlerisches Schaffen in München.
Er hat einen geachteten Namen als Musikkritiker
; er wirkt als Dozent an der Hochschule
für Musik mit Lesungen über Operngeschichte,
Operndramaturgie und Theatergeschichte. Er
leitet die „Arbeitsgemeinschaft für Musikkritik".
Er ist Lektor der Bayerischen Akademie der
Schönen Künste, sowie Programmredakteur und
Musikdramaturg der Münchener Philharmoniker,
dabei zweiter Vorsitzender des Verbandes Münchener
Tonkünstler.
Neben dieser beruflichen und ehrenamtlichen
Arbeit entstanden im Lauf der Jahrzehnte zahlreiche
Bücher. Genannt seien der Gedichtband
„Vor dem Schwabenalter" (1929), das Buch „Mein
Herz am Bodensee" (Gedichte und Erzählungen,
1951), die in Karlsruhe ur auf geführten Dramen
„Der Schild des Archilochos" (1923) und „Die
Stunde ruft" (1938), ferner sieben Komödien und
die Laienspiele „Drei Wünsche" und „Die Kunstkenner
". Kalendergeschichten schrieb er zumal
für den Lahrer Hinkenden Boten und für den
„Zwiebelfisch". 1947 veröffentlichte er unter
dem Titel „Gastfreundliches München" eine
Sammlung von Aussprüchen und Aufzeichnungen
berühmter Persönlichkeiten über die Isarstadt
.
Weit bekannt wurde Zentner als Verfasser
von „Reclams Opernführer", der in 19. Auflage
vorliegt, sowie als Herausgeber von Reclams
Operntextbibliothek (über 30 Bändchen mit Einführungen
). Auch ist Zentner Mitarbeiter an
Reclams „Kammermusikführer". 1947 erschien
aus seiner Feder eine Monographie über Anton
Bruckner, 1951 eine solche über Carl Maria von
Weber.
Wilhelm Zentner zählt zu den besten Kennern
Scheffels und Hebels. Er gab die Briefe
Hebels an Gustave Fecht heraus und 1939 erstmals
, 1957 in erweiterter endgültiger Fassung
alle Briefe Hebels. Zentners Gesamtausgabe
der Hebelbriefe ist ein einmaliges kostbares
Geschenk an alle Hebelfreunde. Mit einer
„innigen nimmer satten Liebe" sammelte und
deutete er die Briefe unseres größten alemannischen
Dichters.
Schon in früheren Jahren hatte er mit einer
eingehenden Biographie und vielen Anmerkungen
„Johann Peter Hebels Werke" im Verlag
C. F. Müller (Karlsruhe) herausgegeben. Im Auftrag
des Scheffelbundes veröffentlichte Zentner
sieben Bände mit Briefen Hebels an seine Eltern,
ferner die „Autobiographie" des Komponisten
Johann Friedrich Reichardt (1752—1814). Von
Zentner stammen ferner zahlreiche und oft
gespielte Opernbearbeitungen, darunter Werke
von Mozart, Donizetti, Offenbach und Carl
Maria von Weber.
Komponisten, die Zentner besonders schätzt,
sind Haydn und Mozart, Schubert und Schumann,
Carl Maria von Weber und Bruckner, Johann-
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