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hellen Scharen herbeiströmen, selbst die Mark-
gräfler würden von dem schlaraffenmäßigen
Reichtum an Fischen und Wildbret angelockt
werden, wie die Wespen vom Honigtopf auf dem
Frühstückstisch. Also würde der Wochenmarkt
allein schon das Leben in dieser Stadt zur Lust
gestalten. Der Fisch- und Wildreichtum war sehr
bescheiden, das ordinari Neuenburger Schiff
brachte ihn zudem von je nach Basel. Die
Elsässer aber gingen „nicht nur nach Müllheim,
sondern stärker nach Staufen, zwei Stunden
weiter. Es scheint also nicht, daß sie auf ein
Ungewisses in der Nähe, sondern vielmehr, daß
sie der Sicherheit des Gewinns nachgehen".
Dabei spielt auch die Witterung eine Rolle:
„Wenn üble Witterung ist, daß die Elsässer nicht
über den Rhein kommen wollen oder können,
so verschlagt dieses den Müllheimer und Staufener
Märkten nichts, weil sie daselbst zwar den
Markt vermehren, aber nicht machen; zu Neuenburg
aber, wo sie solchen wenigstens im Anfang
machen müssen, würde dieses solchen ohne weiteres
umstürzen".
Auf diese Einwendungen Hinderfads meinten
die Neuenburger, sie könnten „schon selbst eine
Gattung von Markt bestellen mit allem, nur die
Butter ausgenommen, besonders mit Bohnen,
Erdäpfeln, Wälschkorn und Getraid durch ihre
Geistlichkeit und Stiftungen". Mit den weltlichen
Früchten der Geistlichkeit war es aber schlecht
bestellt. Es waren „Zinsfrüchte" von Zinspflichtigen
. Soweit reichte aber die fromme
Demut der Gläubigen nicht, daß sie ihrem Hirten
von den besten Früchten abgegeben hätten.
Der schlechte Boden brachte ohnehin minderwertige
Erträge. Die große Landesfürstliche
Zehntscheuer in Müllheim brauchte ihre Früchte
nur wohlfeiler anzubieten, was sie ohne weiteres
konnte, um den ganzen Neuenburger Markt
kläglich zum Erliegen zu bringen. Selbst Sulzburg
, das immerhin günstiger gelegen war und
auf aussichtsreichere Umstände bauen konnte,
hatte sich nicht durchsetzen können.
Das gleiche galt auch für die Jahrmärkte. „Es
zeigt sich, daß auf diesen Jahrmärkten dermal
Wollentücher, Indienne, Pers, Band, Eisen und
sogenannte Kurze Waaren verkauft werden. Was
soll man für einige Bauern, Schiffer, Fischer und
Taglöhner mehr bringen? Oder warum sollten
viele fremde Käufer hinkommen, nachdem
wenigstens die nächsten österreichischen Orte,
nämlich Staufen, Heitersheim, Offnadingen,
Ehrenstetten usw. eigene dergleichen Märkte
haben?
Märkte und Verkehrswesen gehören zusammen
. So wendet Abbe de Wert sich folgerichtig
dem letzteren zu. Seit den ersten Zeiten hat die
Rheinüberfahrt die Stadt unablässig beschäftigt.
Sie betrieb dieselbe nicht selbst, sondern verpachtete
sie an einen Beständer. Das Angebot
wechselte. 1784 zahlte Rentmeister Schmied
394 fl; im Jahre darauf Ottmar Keßler 332 fl,
1786 wiederum Schmied 412 fl; 1787 überbot
Heinrich Studer mit 520 fl, die er aber schuldig
blieb. Im Berichtsjahr hielt wieder Schmied mit
480 fl die Pacht. Die Einnahmen aus dem Fährdienst
hingen von verschiedenen Voraussetzungen
ab: von den Zufahrtsstraßen rechts und links
des Rheins, von dem Zustand der Fährschiffe
und der Zuverlässigkeit und Regelmäßigkeit des
Fährdienstes; nicht zuletzt auch von der Höhe
der Fährtaxe. Alle diese Dinge lagen dermaßen
im argen, daß viele Reisenden, wie Kaufleute
mit ihren Wagen lieber den weiten Umweg über
Basel und Breisach machten, als die näher gelegene
Fähre in Neuenburg zu benutzen.
De Wert glaubt, wenn man zwei Schiffe einsetzen
würde, eines auf der französischen und
eines auf der deutschen Seite, so würden alle
Elsäßer hier den Rhein überschreiten. Allein
dadurch erhofft er, den Pachtertrag verdoppeln
zu können. Ausschlaggebend für die geringe
Benutzung der hiesigen Fähre sind aber „die
schlechten Straßen von Seefelden bis Neuenburg,
eine Stunde im Marggräfischen und eine halbe
Stunde im Österreichischen; desgleichen die
schlechte Straße von Müllheim bis Neuenburg,
eine Stunde ohngefähr, zur Hälfte österreichisch,
zur Hälfte Marggräfisch, und endlich die schlechte
Straße von Neuenburg bis zur Fahrt, ohngefähr
eine Viertelstund".
Abbruch taten auch die Winkelüberfahrten,
die hauptsächlich zu Neuhaus, Zienken, Steinenstadt
und Bellingen entstanden waren. Seit dem
Spanischen Erbfolgekrieg führte die Gemeinde
einen hartnäckigen Kampf gegen diese unrechtmäßigen
Überfahrten. Was hieß aber hier unrechtmäßig
, nachdem das privilegierte Recht der
Stadt von den Verhältnissen längst überholt war.
Die einzige Möglichkeit, diese Schwierigkeiten
zu überwinden, bestand darin, die hiesige Uberfahrt
bequemer, sicherer und rascher zu gestalten
. Die Unterhaltung eines Schiffes im Elsaß zu
Chalampe mußte darauf Bedacht nehmen, „daß
den ganzen Tag über ein Mann sich daselbst,
allenfalls im nächsten Hause aufhalten, über
Nacht aber das Schiff wieder herüber nehmen
müßte, um mit den Franzosen in keine Verdrießlichkeit
zu kommen, wenn solches etwan bey
Nacht mißbraucht werden sollte". Die Fähre
sollte den ganzen Tag besetzt sein, jeden Ankommenden
sofort übersetzen, zu einer festen niedrigen
Taxe, die zu jedermanns Kenntnisnahme
durch Anschlag und in der Zeitung veröffentlicht
werden sollte.
„Diesen Vorschlägen werde in Absicht auf
die Verbesserung der Überfahrt noch jene Straße
zustatten kommen, welche Französischerseits von
Beifort über Mülhausen, Ottmarsheim und Ban-
zenheim gemacht worden, um den französischen
Fuhren aus Lanquedoc und Provence den näheren
Weg in Deutschland zu instradiren, da der
Stadt Neuenburg bereits angekündigt sey, solche
von Banzenheim nach Chalampe herzustellen."
Über diese Straßen- und Handelspläne wurde in
dem Kapitel „Die Brücke" ausführlich berichtet.
Eine andere große Einnahmequelle hofft de
Wert der Gemeinde durch die Jagd zu erschließen
, von der er Wunderdinge erhofft. Einmal
will er den Wildertrag auf dem Wochenmarkt an
die Müllheimer Schlemmer verkaufen, andererseits
will er die gleiche Jagd gewinnbringend
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