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verpachten. Seit bereits 28 Jahren hatte der verstorbene
Statthalter zu Heitersheim sie inne, er
zahlte dafür 120 fl, der Nachfolger Fürst von
Heitersheim noch 100 fl. Auf ihn folgte Zunftmeister
Joh. Thomann mit 60 fl. 1788 zahlten die
beiden Rentmeister als gemeinsame Pächter
103 fl. Zur letzten Jagdversteigerung waren der
Fürst von Heitersheim, der Prälat von St. Trudpert
und die Herren von Rothberg und Andlau
eingeladen worden. Die Jagd wird als nicht
ergiebig geschildert. „Außer Hasen, Füchsen,
Hüneren und Enten, auch zu Zeiten ein Reh,
findet man nichts." Eine Mehreinnahme ist von
ihr gar nicht zu erhoffen.
Nichts gibt der Phantasie und den Illusionen
weiteren Spielraum, als der Traum von der
Industrie. Hier kann de Wert sich ungehemmt
austoben, es ist morgen wie heute und gestern.
Selbst die merkwürdigen Forderungen der Industrie
nach kostenloser Ubereignung von Gelände,
zur Verfügungstellung von Gebäulichkeiten und
Steuervergünstigungen, wobei sie sich großzügig
bereit erklärt, die Einnahmen wenigstens selbst
zu übernehmen, waren damals schon die gleichen
. Abbe de Wert plante in der geschleiften
Heilig-Kreuz-Kapelle eine Indiei^ne-Fabrik, auf
dem abgeschafften Freythof eine Leinwand- und
Musselinfabrik, und endlich im Rathaus eine
Bandfabrik anzusiedeln. Diese drei Fabriken
sollten hundert Personen Arbeit geben. Er will
diesen Fabriken die Räumlichkeiten, Bauholz zu
Erweiterungsbauten und sonstige Vorteile einräumen
. Schon hier war die Wirklichkeit stark
an die Illusion angebogen.
Er baute auf die glückliche Lage der Stadt,
auf die Güte des Erdreichs und die Gelegenheit
des Rheins. Hinderfad bemerkt dazu: „Alles ist
nicht nur nicht vorteilhaft und nicht anlockend,
sondern vielmehr abschreckend, besonders der
Umstand mit dem Rhein." Bauholz sei überhaupt
keines vorhanden, selbst die Bürger müßten es
von weit her beziehen.
Die Hoffnung auf einen großen Zulauf von
Fabrikanten gründet de Wert „auch auf den
Umstand, daß eben dermal die Fabrikanten zu
Mülhausen und Langenthal so übersetzt, die
erste zumal von Frankreich so gedruckt seyen,
daß sie nach anderen Wohnsitzen sozusagen
seufzten." Den gültigen Beweis hierfür bleibt er
schuldig.
Hinderfad wendet dagegen ein: „Ich bitte sich
zu erinnern, was für ein elender Ort Neuenburg
sey, und daß Basel und Mülhausen, zwo der
stärksten Kommerzialstädte, diese nur vier und
jene nur sechs Stunden davon entfernt sind.
Würden diese wohl ruhig zusehen, wenn sich in
Neuenburg ein Kommerz erheben sollte, oder
könnte Neuenburg wider selbe oder auch nur
wider eine aufkommen, nachdem sie alle Zu-
und Ausgänge schon lange eingenommen haben,
und nachdem auch eine Sperre keine andere
Folge haben könnte, als daß man auf einer Seite
die Einschwärzungen nicht hindern, auf der anderen
aber die Fremden vor den österr. Kaufleuten
abtreiben würde." Er schließt mit der
Prophezeiung: „Ein vermöglicher Fabrikant aber
geht sicher nicht nach Neuenburg".
Das ordinari Neuenburger Schiff, welches
jeden Mittwoch nach Basel fuhr und freitags
zurückkehrte, wäre vorzüglich geeignet, reichen
Gewinn nach Neuenburg zu bringen, ja die Stadt
zu einem Stapel- und Umschlagplatz aller Waren
von und nach Frankreich und der Schweiz werden
zu lassen. So fügte de Wert zur Traumfabrik
das Traumschiff. Nur die Müllheimer und
andere Markgräfler Händler hatten keine Lust
mehr, sich des Schiffes zu bedienen. Kaufmann
Dorn aus Müllheim wollte sich bereit erklären,
1000 Zentner jährlich dem Schiff anzuvertrauen,
aber nur zu einer Taxe von fünf Kreuzern pro
Zentner ohne Unterschied der Waren. Statt den
Wasserweg zu benutzen, ließen diese „Ausländer
" boshafterweise ihre Waren auf dem Landwege
herbeikommen.
Selbstverständlich wirkten solche Vorkommnisse
, wie sie die Fahrgäste im September 1782
erleben mußten, wobei ein Reisender durch den
Schuß eines französischen Brigadiers verletzt
wurde und die andern fluchtartig ihre Reise von
Basel in die Heimat zu Fuß fortsetzen mußten,
nicht gerade aufmunternd. „Die Waren, die auf
diesem Schiff hin- und hergehen, seyen Tücher,
welche zu Offnadingen und Krozingen gemacht
werden, hölzerne Uhren aus der Herrschaft Try-
berg, Blechwaren und alle Artikel, so die hiesigen
Kaufleute und Apotheker von Basel bringen
lassen. .. Übrigens kämen auch noch im Sommer
Dorfkrämer und Fruchthändler den Rhein herunter
." Warum die Händler das Schiff nicht
mehr benutzen wollten, fand seine Ursache in
den zu hohen Zöllen. Für de Wert lagen die
Gründe des Versagens in der Unfähigkeit und
Unehrlichkeit der Schiffer. Daher war nur dann
alles zur höchsten Blüte zu treiben, wenn die
Gemeinde die Schiffahrt in eigene Regie nehmen
würde. Wobei vorauszusetzen ist, daß die Leitung
der Gemeinde durch die hohe Behörde in
die Hände von Kanzleiverwalter Klein und Abbe
de Wert gelegt werde.
„Es will nämlich der Proponent den Kanzleiverwalter
zum einzig gebietenden Herren, zum
Obervogt, haben, um neben ihm allenfalls als
Kommerzienrat oder wenigstens durch ihn auf
andere Art zu Neuenburg glorreich regieren zu
können." In diesen Bund sollte Kleins Schwager,
Major Metzger von Schliengen, mit eingeschlossen
werden.
Wer den weiteren Verlauf der Stadtgeschichte
kennt, weiß, daß die Vorschläge de Werts noch
viele fleißige Schreiberhände beschäftigt haben.
Der diesem Kapitel zugrunde liegende Kommissionsbericht
umfaßt allein 227 Seiten, ohne
die umfangreichen Beilagen.
Der Erfolg für die Stadt? Sie erholte sich
erst, als sie um den Preis ihres Ranges in den
v. ö. Landständen, den sie pi*aktisch schon durch
die Reformen Kaiser Josephs verloren hatte, im
Kurfürstentum Baden-Durlach aufgegangen war.
Und Abbe de Wert? Lassen wir Hinderfad
das Schlußwort sprechen:
„Ich glaube daher, es wäre gleichwohl über
alles hinauszugehen und ihm nur durch den
Magistrat bedeuten zu lassen, daß er sich von
Neuenburg wegzubegeben habe".
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