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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-01/0016
Regenschirm im Arm schien er vergessen zu
h^aben. Anders die Gret. Sie sorgte sich um ihre
neue Kappe und schielte schon bei den ersten
Tropfen nach des Michels riesigem Regendach.
Nicht lang, da forderte sie ihn auch schon auf,
es zu öffnen und sie mit drunter zu lassen, es
täte sicher für zwei reichen. Aber der Michel
hörte nichts. Die Grete geriet in Eifer und
schimpfte, warum der Geizkragen denn seinen
Schirm nicht aufmache? Ob er ihr nicht gönne,
daß sie trocken nach Haus käme? Vergeblich,
der Bollenberger hörte nicht. Wozu er ihn denn
überhaupt mithabe, greinte die Gret und heulte
schon vor Angst um ihre Kappe. Der Michel gab
keine Antwort und stolperte weiter. Der Regen
lief ihm in Bächen in den Kragen, aber den
Schirm öffnete er nicht.

Jeder wird begreifen, daß die Gret nun die
Geduld verlor. Mit einem lästerlichen Fluch riß
sie dem Bollenberger den sinnlos geschlossenen
Schirm aus dem Arm, tat einen Sprung vom
Michel weg und schwang den schweren Schirm
so zornmütig herum, daß die Spitze nur so
himmelan stach. Im Hochschwingen öffnete sie
das ersehnte schützende Dach.

Und da geschah es. Während der Schirm sich
widerwillig öffnete, prasselte und klatschte es
nur so auf das erschreckte Weib herunter —
aber nicht Regenwasser, sondern riesige Stücke
Gugelhupf und Kuchen, Bretzeln und Schneckennudeln
, dann saftige Fladen Sauerbraten, soßeverschmiertes
Kalbfleisch, Bratwürste und Nudeln
in ganzen Bergen, — das ganze Hochzeitsessen
kam in umgekehrter Reihenfolge auf die
Gret herunter. Den Kopf zwischen die Schultern,
geduckt, stand sie fassungslos unter dem nahrhaften
Regen. Die neue Haube und das schöne
Festtagsgewand bedeckten sich mit immer neuen
Soßenflecken und überall hingen die Nudeln. Als
endlich nichts mehr aus der Schirmwölbung fiel,,
schaute die Gret entgeistert nach oben und an
sich hinab: Da hing hoch oben im Schirmgestänge
noch ein letztes Bratwurstpaar; um die Gret
herum aber lagen in Straßendreck und Nässe
alle die köstlichen Dinge gehäuft, die der Michel
während des Hochzeitsessens in seinen Schirm
versenkt hatte.

Es ist nicht überliefert worden, was die beiden
Hochzeitsgäste mit den aus dem Regendach
gefallenen guten Dingen weiter getan haben.
Vermutlich sammelte ein jedes in Eile ein, was
es in sein Schnupftuch erraffen konnte. Auf
dem Schauplatz blieben jedenfalls nur ein paar
Nudeln zurück. Bratenregen und Einsammeln
aber ging nicht ungesehen vor sich. Und das
spitze Mundwerk der Gret tat ein übriges. So
spielte man von da an für lange Zeit auf jeder
Schnitzelbank die Geschichte vom Regendach des
Bollenbergermichels. Und wo der Michel selbst
in ein Wirtshaus kam, fragte man ihn zu seinem
Ärger, ob er auch sein Regendach dabei habe.

Aber mehr als dieser Spott ärgerte den
Hubermichel, daß er an jenem Regentag seine
Beute mit der dürren Gret hatte teilen müssen.

Walter Küchlin:

/7Jdj bin uetgnügt in meinem Rethen...

(Schluß.)

Im November 1762, als der Neue wieder so
recht in den Fässern rumorte, wurde von Oberamts
wegen über „die Lebensart des Schulmeisters
Zilly zu Hügelheim" geklagt: „Man
vernähme zu unterschiedlichen malen, daß der
Schulmeister Zilly und seine Frau seit kurzer
Zeit sich dem Trinken ergeben, und daß er
letzthin mit einem Hügelheimer Bürger im
Rausch Sehlaghändel gehabt."

Das trägt ihm einen strengen Verweis ein und
eine harte Strafe im Wiederholungsfall. Das
Pfarramt wird außerdem angewiesen, auf seine
„Aufführung genaue Achtung zu haben und dessen
ersten Fehltritt dem Oberamt und Specialat"
anzuzeigen.

Zwölf Jahre vergingen, ohne daß man ihm
etwas Nachteiliges hätte nachsagen können. Er
erfüllte die vielfältigen Aufgaben in Schule und
Kirche wie es sich gehörte und war auch der
Gemeinde zu Diensten, wenn es galt, Schriftsätze
zu fertigen oder die Gemeinderechnungen zu
stellen. Dann ereilte ihn unversehens das Mißgeschick
, denn darum handelte es sich wirklich.
Doch — lassen wir lieber die Akten sprechen.

Am 8. Februar 1774 richtet das Oberamt ein
Schreiben an den Markgrafen: „Die Völlerei des
Schulmeisters Zilly von Hügelheim betreffend."
In ihm heißt es: „Euer Hochf. Durchleücht geruhen
aus mitkommenden Acten des mehrern gnd.

zu ersehen, daß der Schulmeister Johann Jacob
Zilly von Hügelheim bei einer Leiche betrunken
erschienen und seinen Dienst in der Kirche zum
Ärgernüs der Gemeinde nicht behörig verrichten
können, sich aber damit entschuldigte, daß er
damalen das Gliederwehe gehabt. Wir stellen die
Sache zu höchster Erkanntnus und harren Ehrfurchtsvoll
als Euer Hochf. Durchleücht

unterthänigst treu-gehorsamste

Wielandt (Hofrat) Maler (Kirchenrat)"

Zilly und die Gemeinde wissen von dieser
Anzeige und es ist rührend zu sehen, wie sich
die Bürger nahezu ausnahmslos hinter ihren
Lehrer stellen. Sie schreiben:

„Durchleuchtigster Marggrav,
Gnädigster Fürst und Herr!

Wir unterthänigste und Getreue Unterthanert
des Stabs und Gerichts, wie auch samtliche Burgere
zu Hügelheim sind gezwungen, E. H. D. in
allgeziemender unterthänigkeit um Hülfe und
Gnade Fußfällig anzurufen: und zwar wegen
unserm Schulmeister, auf welchem sollte ein
Unglück herschen, wie es von einem Hochfürstlichen
Oberamt Müllheim wird ohne Zweifel
schon berichtet seyn: Wir unterthänigste verhoffen
aber, Höchst dieselben werden unsern Vortrag
und sehnliches Bitten gnädigst erhören.
Unser Schulmeister, der uns schon 16 Jahr lang

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