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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-03/0007
Emil Baader:

2lnefitoten um Ömil ©ött

Zum fünfzigsten Todestag am 13. April

Über dem Freiburger Vorort Zähringen, am
Hang der Burg Zähringen, stand einst das
Wohnhaus des oberrheinischen Dichters und
Denkers Emil Gött. Er ist am 13. April 1908 im
Alter von erst 44 Jahren gestorben. Für das
Gött-Haus hat Hermann Burte eine Inschrift
erdacht, die lautet:

Hier lebte Emil Gött:

Ein Sucher, Bauer, Dichter,

Gemeinen ein Gespött,

Dem Reinen eins der Lichter,

Die brennend sich verschwenden,

Den Menschen zu vollenden.

Gestalt und Angesicht dieses Alemannen, dieses
echten Vertreters des oberrheinischen Volkstums
, waren, wie der Gött - Biograph Roman
Woerner schreibt, wie aus einem Bilde von Hans
Thoma geschnitten. Als Hintergrund: die ernste
und milde Landschaft, von Feld und Wiesen und
Obstgelände, zu Rebenhügeln und zum Tannendunkel
emporsteigend. Und der Mensch dieser
gleichsam innerlich verhaltenen Landschaft: ein
innerlich Einsamer, wie alle wahren Idealisten,
alle „Wesentlichen".

Emil war in der ersten Volksschulklasse. Die
Schüler mußten von Zeit zu Zeit dem Lehrer
ihre Taschentüchlein vorzeigen. Wer keines
besaß, wurde mit zwei Tatzen bestraft. Wieder
einmal war Nachschau. Emils Banknachbar fing
an zu wimmern, weil er kein Nastuch hatte. Da
steckte ihm Emil schnell das seinige zu. Da die
Nachschau zu ihm kam, hieß es: „Heraus, zwei
Tatzen!"

Mit teuflischer Freude jubelten die Schulkameraden
Emils Vater entgegen, als er vom
Rathaus kam: „O, Euer Emil hat Tatzen bekommen
!" Am mittaglichen Eßtisch hieß es: „Was,
du hast heut Tatzen bekommen?"

„O Vater, was isch jetz das, so zwei Tätzle!"

„Ja, ich möchte aber wissen, warum du Tatzen
bekommen hast".

„Hä, weischt Vater, der Lehrer Glatz isch e
alte Ma, un der hat halt so ne dummi Gewohnheit
, daß er alle paar Täg unsere Taschentüchle
sehen will, un do hat der, wo nebe mir sitzt,
keins gha, un er fürcht doch Tatze so arg, da
hab ich ihm halt meins gä".

„Dummer Kerl", herrschte ihn der Vater an.

Zur Mutter aber sagte Emil nach dem Essen:
„Weißt, Mutter, der Ehret isch so en arg arme
Bueb, der het kei Mutter meh, wo soll er denn
e Taschentüchle her ha. Er kommt verwahrlost
in die Schul. Der Bub hat nie etwas Warmes am
Morgen. So e armer Bub!"

Einmal ging Emils Vater auf der Messe mit
seinem Sohn unter den Bäumen am Karlsplatz
in Freiburg auf und ab. Da traf der Vater einen
früheren Kollegen, der Lokomotivführer geworden
war. Dieser fragte Emil: „Was willst denn
du einmal werden?" Ohne sich zu besinnen, antwortete
er: „Entweder Erzbischof oder Stadtgärtner
". Über die Antwort belustigt, griff der
Eisenbahner in seinen Geldbeutel und sagte: „Da
hast du einen Sechser, kauf dir dort am Zuckerstand
Meßmocken!" Er ging weg, schloß sich
aber bald den beiden Männern wieder an.

„Na, zeig her, wo hast du deinen Zucker-
mocken?"

„Hab keinen gekauft, hab den Sechser lieber
sellem arme Mann gebe, der dort so traurig am
Bode sitzt, weil er blind ist und keine Füß hat!"

„Guter Kerl", sagte der Eisenbahner zum
Vater. „Nun, sag mir jetzt aber auch, warum du
Erzbischof oder Stadtgärtner werden willst".

„Hä, wege dem, weil der Erzbischof so gut
ist, daß wir ihm jedesmal nachrennen, wenn er
aus dem Münster kommt, weil er uns immer so
schöne Bilder verteilt!"

„Ja, und Gärtner?"

„Hä, weil er halt so schöne Blumen pflanzen
kann".

Blumen waren Götts Freude und sein Trost
bis zu seinem Tode.

*

Den größten Mut, so erzählt die Mutter, bewies
der inzwischen 18 Jahre alt gewordene
Emil bei dem schrecklichen Eisenbahnunglück
bei Hugstetten. Er war mit dem Polizeiarzt der
Erste an der Unglücksstelle. Er hängte sich
hinten an die Droschke und legte so den ganzen
weiten Weg zurück. Dann turnte er in die umgestürzten
Wagen. Die Feuerwehr leuchtete ihm
dabei mit Fackeln. Mit Riesenkräften reichte er
die Schwer verwundeten und Toten heraus,
unter Donner und Blitz und wolkenbruchartigem
Regen.

*

In seinem Haus an der Leinhalde über Zähringen
— Gött nannte es den Birkenhof — wurden
Bettler wie Brüder aufgenommen.

Eine Sandgrube hat er errichtet, eine Ziegelhütte
. Anderen Menschen schaffte er Arbeit, er
selbst aber, der alles opferte, geriet in Schulden.
In seinen Briefen und Tagebüchern erzählt er
von seinen Kämpfen. In seinen Lustspielen
stellte er uns Menschen vor, die um Vollendung
ringen. So schwer auch sein Lebenskampf war,
er ging als Sieger aus dem Kampf hervor. Das
künden uns auch seine Verse, die wir auf seinem
Grabmal im Freiburger Gottesacker lesen
können:

Über allen Wolken

Bist du, o Sonne,

Über aller Nacht ist Licht.

Über all dem dunklen Weh der Welt

Schwebt der Feuerball der Wonne.

Hebe dich, Mensch, und verzage nicht.

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