Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-03/0009
machte großen Eindruck, wenn Onkel Fritz einen
guten Tropfen im Krug heraufholte. Neben der
Faßremise im Hof lag der Holzschopf. Die Großen
ermahnten beim Durchgehen: „Nur nicht an
die Schneidmaschine stoßen!" Tastend in größter
Dunkelheit, ging man herzklopfend bis zur hinteren
Tür, öffnete sie, und ein besonderer Glanz,
Sonne, Licht und Wärme strömte einem entgegen
. Das Gesicht des Gartens veränderte sich
jedes Jahr. Links am Eingang war lange ein
Badehäuschen. Wenn die Glasdächer der Frühbeete
abgedeckt waren, sprang man zum Verstecken
von den steinernen Einfaßsockeln herunter
in die hohen Spargelbüsche. Auch ein

Dr. Ernst Blankenborn, M. d.R., Müllheim

Eiskeller war dahinten, ein kreisrunder Holzbau,
um den man „Fangis" spielte. Die breiten Steinmauern
, die den Garten gegen den Bach abschlössen
, waren so breit, daß man auf ihnen
bequem bis zur Treppe rennen konnte, die hinunter
führte. Ich beneidete die Dorfbuben, die
auf Pferden den Bach durchschritten. Gutschmeckende
Judenkirschen wuchsen rechts und
links der Treppe. Dann gab es die verschiedenen
Trauben: an der Eingangstür die kleinbeerigen
blauen, die meist von Spinnweben eingehüllt
waren; an der Rückwand des Hühnerstalles die
Muskateller Trauben und oben am Küferhaus
wieder eine andere Sorte.

Onkel Fritz hatte streng verboten, von den
Beeren zu naschen. Das war schwierig einzuhalten
, und wir trösteten uns an den köstlichen
Mirabellen. Oft las ich im Garten stundenlang in
Zeitschriften, die ich in verborgenen Winkeln
des Hauses gefunden hatte, Romane von Heimburg
und Werner. Großmama sagte nur: „Du
wirst dir die Augen verderben!" Am Abend hörte
ich sie aber im nachbarlichen Schlafzimmer
Nr. 16 zum Großvater sagen: „Die Irma schafft
nicht gern!" Was mich aber nicht störte, immer

weiter zu lesen. Das Gackern der Hühner nach
dem Eierlegen und das Geschrei der Hähnchen
im benachbarten Hühnerstall klang wie Musik in
der sonst unbeschreiblichen Ruhe des Gartens.
Ich wußte mit dem besten Willen nicht, was ich
schaffen sollte: im Krug am fließenden Brunnen
mittags Wasser holen, zum Bäcker gehen, oder
abends beim Gießen helfen? Mehr wußte ich
nicht.

Im vorderen Garten sah man das dörfliche
Leben vorüberziehen. Bunter Phlox in allen
Farben sollte das Hineinschauen verhindern. Uns
machte es die größte Freude das Ausschellen des
Gemeindedieners zu hören: ein dürrer Mann in
vorsintflutlicher Uniform leierte etwas herunter,
was wir nicht verstanden. Das Schellen an jeder
Dorfecke war uns die Hauptsache. An der Ecke
des Gartens, gegenüber dem Gasthaus „Zum
Schlüssel", war ein Pavillon aus Gußeisen, oben
ein Fähnchen mit dem Basler Wappen, der
Baslerstab. Er fand sich am Brunnen, an der
Wand des Baches mit den Initialen von Walz
und seiner Frau.

Haus und Hof und die stets wechselnden
Arbeiten der Küfer und Knechte boten unendlich
viel Abwechslung. Unermüdlich sahen wir
den Gesellen beim Schwefeln und Schwenken
der Fässer zu. Küfermeister Eurich, dessen Tochter
meine Spielgefährtin war, war väterlich und
vertraut. Auf der Faßpritsche wurden die Fässer
mit Wein gefüllt, und Großvater und Onkel Fritz
entnahmen mit dem gläsernen Heber eine Probe,
die auf ihre Güte untersucht wurde. Zweimal
wöchentlich wurden die Fässer auf dem Wagen
an die Bahn gefahren, und wir Kinder drängten
uns, zwischen den Fässern zu sitzen und die
Fahrt mitzumachen.

Dann waren auch die Spielgefährten da. Das
waren „ Schlüsselwirts", die Kinder aus dem
benachbarten Gasthaus „Zum Schlüssel": Ida,
Frieda, Camilla und der Bub Erich. Der Bub
zählte nicht mit, Camilla nur halb, sie war klein
und zu jung. Die Großen herrschten. Wir gingen
im großen Hause auf Entdeckungen aus. Da gab
es Zimmer — früher waren sie einmal von einem
Arzt bewohnt — die nur zu Einquartierungen
benutzt wurden. Wir fanden dort geheimnisvolle
Koffer und Kisten, die wir durchsuchten. Merkwürdige
Kleider kamen dabei zum Vorschein mit
engen Schneppen und Röcken, mit denen wir uns
verkleideten und Hochzeit und Theater spielten.
Mit der katholischen Freundin Ida ging ich auch
in die katholische Kirche und hörte andächtig zu.
Vielleicht habe ich dadurch im langen Leben niemals
Verständnis gehabt für den Kampf der
Konfessionen.

Der Lehrer der Schliengener Schule, Billmann
, kam einige Male wöchentlich, um mir
Lesen und Schreiben beizubringen, was mir sehr
gefiel, besser als die Stadtschule.

Viel Zeit blieb für die abendlichen Spiele auf
dem Marktplatz, bei denen zuerst nur wenig
Kinder mitmachten, dann aber immer mehr.
Vomsteins Buben, die Babbergers, manchmal die
Notars oder als Zuschauer die Arztkinder Paula

7


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-03/0009