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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-03/0014
amt die Sache auf: „So wenig nun in der das
Heiraten der Bergarbeiter betreffenden Verordnung
etwas davon enthalten ist, daß Fremde
veniam emigrandi auch würken sollen; so wenig
hat das fürstl. Oberamt bisher in Fällen von
vollkommen ähnlicher Art hierauf Rücksicht
genommen, sondern blos auf ein bergamtliches
Certificat, daß man die Heirat gestatte, ohne
weiteres die Erlaubnis zur Proclamation und
Copulation erteilt. Wir sind daher des Dafürhaltens
, daß im vorliegenden Fall die Copulation
des Böhler mit der Holderriederin ebenfalls
nicht verhindert werden könne".

Sie konnte ^iuch praktisch nicht verhindert
werden. Böhler nahm seine Rosina als „Haushälterin
" auf und vollzog eben die Ehe ohne
staatliche Genehmigung und ohne kirchlichen
Segen.

Karlsruhe wiederholte seinen Standpunkt:
entweder die Erhaltung des Heimatrechtes, dann
müssen die erforderlichen Papiere beigebracht
werden, oder die gänzliche Entlassung aus der
Heimat, dann aber das Armenrecht am neuen
Wohnort. So war Böhler zwischen zwei Mühlsteine
geraten. Das Bergamt wurde sarkastisch:
es frug an, welche Landschaften als nahe und
welche als entfernt angesehen werden sollten.

Böhler erklärt, unter keinen Umständen auf
sein altes Heimatrecht verzichten zu wollen. Das
Bergamt bemerkt dazu: „Bei ihm ist die Heirat
gewissermaßen um seines Berufs willen, weil er
sich nie von der Arbeit entfernen darf, notwendig
; sie ist, weil er für Kost, Wasch und Verpflegung
bei fremden Einwohnern ungleich mehr als
bei einer eigenen Haushaltung aufwenden muß,
nützlich; und endlich auch in dem Betracht rätlich
, weil er schon lange mit seiner Verlobten
lebt, ohne jedoch bis jetzt noch gegen die Sittlichkeit
angestoßen zu haben".

Es deckt schließlich die Karten ganz offen
auf und sagt, worum es ihm geht:

„Wenn man daher bei ihm anfangen wollte,
das Gesetz mit Strenge auszuüben, so käme die
Grube in Gefahr, einen ihrer nützlichsten Arbei-
terfc zu verlieren und würde mit großem Schaden
einen anderen Mann in demjenigen Fach der
Manipulation erst noch unterrichten lassen müssen
, in dem der Böhler vorzüglich brauchbar ist.

Da nun derselbe, wie alle Bergarbeiter, nach
der vorliegenden Verordnung bei selbstverschuldeter
Dienstentlassung das Land meiden muß
und er wie seine Braut als Fremdling ohnehin
keine Ansprache auf inländische Armenanstalten
zu machen hat, so ist zu wünschen, daß ihm die
Verheiratung gestattet werde".

Darüber trat das fürstl. Hofrats - Kollegium
zur Beratung zusammen und entschied: 1. „daß
unter dem Ausdruck „nahes Ausland" alle zu
Deutschland gehörigen an das Badische ohn-
mittelbar abgrenzende Provinzen zu verstehen
seien"; 2. wolle man auf einem Verzicht des
Heimatrechtes nicht weiter bestehen. Er müsse
nur noch eine Bescheinigung seiner Obrigkeit
beibringen, daß gegen seine Heirat und Etablissement
nichts einzuwenden sei.

Nun gibt das Bergamt auch seinerseits die
Versicherung ab, Böhler und seiner Familie entweder
beim Bergwerk Badenweiler oder bei
einem anderen Werk lebenslänglichen Unterhalt
zu gewähren.

Endlich schienen alle Schwierigkeiten aus
dem Wege geräumt zu sein. Die Genehmigung
der Eltern erübrigt sich, da sie inzwischen gestorben
waren.

Wir schreiben den 26. Juni 1798, neun Jahre
nach dem ersten Gesuch. Die Eheschließung ist
immer noch nicht erfolgt. Es fehlt nunmehr am
Taufschein. Also schreibt das Bergamt wieder
einmal nach St. Blasien:

„Da der seit neun Jahren bei dem diesseitigen
Bergamt als Setzer in Arbeit stehende Johannes
Böhler, von Häusern gebürtig, weiland Jakob
Böhlers und Magdalenen Bergerin ehelicher
Sohn, ungefähr 42 Jahre alt, seinen Taufschein
zu haben wünscht, so ersuchen wir hiermit, uns
einen solchen gefällig zu übermachen und wenn
desselben Ausstellung mit Kosten verbunden
wär, diese aus dem Böhlerischen in Administration
des Jakob Schmids von Häusern stehenden
Vermögen erheben zu lassen".

Man kann sich des Gefühles nicht erwehren,
daß die Komödie mit der folgenden Antwort des
Geheimen Hofrats von Mayersburg sich ihrem
Höhepunkt nähert:

„Die vorliegende allerhöchste Kaiserl. Königl.
Verordnungen weisen alle Ämter an, nur jenen
außer Land verziehenden österr. Unterthanen die
Taufscheine ausfertigen zu lassen, die sich über
ihren künftigen sicheren Aufenthalt werden ausgewiesen
und ihrer Auswanderung halber von
der vorderösterreichischen Landesstelle die Er-
laubnus werden eingeholt haben.

Will also der dortseits in Arbeit stehende
Johann Böler diesseitiger Untertan von Häusern
seinen Taufschein nöthig haben, so mag sich derselbe
Eintweders an das hohe Landes-Präsidium
oder an die Kayserl. Königl. Regierung zu Konstanz
wenden".

1800. Das Bergamt bittet, „um endlich die
Heiratsangelegenheit in Ordnung zu bringen",
um die Auswanderungs-Erlaubnis. Vergeblich.

18. März 1802. Der Höhepunkt der Komödie
ist erreicht. Oberamtmann Maler von Müllheim
verfaßt die klassischen Zeilen:

„Ein Hochfürstl. Hochlöbl. Bergamt

ersuchen wir dienstergebenst, dem Bergwerksarbeiter
Johannes Böhler in Betreff seiner fälschlichen
Angabe mit der bey ihm kürzlich verstorbenen
Rosina Holderriethin von Wettelbrunn
ehelich copuliert gewesen zu seyn, gefälligst aufgeben
zu lassen, Donnerstag vormittag den 24ten
Juni dahier vor dem Oberamt sich einzufinden,
und beharren mit vollkommenster Hochachtung
Eines Hochfürstl. Hochlöbl. Bergamts Dienstbereitwilligste
Maler".

Es will uns der Atem stocken über dieser
Entwicklung der Dinge, die so lebensfreudig
begannen und so erbärmlich enden sollen. Allerdings
löst der Tod alle schwebenden Fragen, in-

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