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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-05/0010
einen Begleiter der Familie, dessen Name ungenannt
bleibt. Hinsichtlich der Gräfin beruft er
sich auf das Zeugnis ihres Oheims, des Generals
Theodor von Rotberg. Oberamtmann Sachs stellt
schließlich selbst den Antrag, die Gräfin zu belassen
. Es ist merkwürdig zu sehen, wie die
Meldung, die Sachs nach Karlsruhe erstattet
hatte, ihm von dort als eigene Weisheit des
Ministeriums wieder serviert wird.

Auch von Seiten des Gendarmerie - Distrikts-
Kommandanten, Oberstlt. v. Bodmann, wird ihm
der Fall als völlig neu vorgetragen. Dieser
schreibt: „Es ist mir mit Bestimmtheit zur
Kenntnis gebracht worden, daß sich in Rheinweiler
im Gasthause eine französische Familie
aufhalte, welche am Hofe zu Paris zahlreiche
Bekanntschaften besitze und selbst Verwandte.
Es ist mir nahe gelegt worden, daß es nicht wohl
anders sein könne, als daß sich in die Correspon-
denz dieser Familie mit besagten Personen Nachrichten
und Winke, wenn vielleicht auch unabsichtlich
einschleichen dürften, die für die hier-
seitigen Verhältnisse von wesentlichem Nachteil
sein könnten. Ich habe auch dem Großh. Herrn
Landeskommissär dahier hiervon Kenntnis gegeben
und muß es dortigem Ermessen anheimstellen
, ob nicht im Interesse der diesseitigen Kriegführung
diese Familie in kürzester Frist auszuweisen
sein dürfte".

Daraufhin fuhr Sachs persönlich nach Rheinweiler
, um gleichzeitig die Entstehung eines
Gerüchtes zu untersuchen, das einen falschen
Alarm ausgelöst hatte. Jolly hielt seiner Einstellung
entsprechend Wenk für den Übeltäter. Das
Gerücht hatte aber von der Tochter der Gräfin
Rapp, der Gemahlin des englischen Admirals
Carnegie, seinen Ausgang genommen. Diese war,
von Paris kommend, in Rheinweiler eingetroffen.
Sie hatte einem württembergischen Leutnant
von ihren Reiseerlebnissen erzählt, unter anderem
auch, wie sie große Truppendurchzüge in der
Richtung von Beifort nach Mülhausen gesehen
habe, dabei auch einen Pontontrain; überdies
lägen große Truppenmassen zwischen Mülhausen
und dem Rhein. Davon hatte auch der Oberzollinspektor
erfahren und sofort Meldung erstattet,
wobei er zu größerem Nachdruck noch angab,
zehn Pontons auf den jenseitigen Feldern gesehen
zu haben. Selbstverständlich gaben Leutnant
Bruckmann und Wenk, jeder für sich, an die für
sie zuständigen Stellen ihre Meldungen ab.
Da nun dieser überwältigenden französischen
Heeresmacht auf deutscher Seite nur „eine einzige
ermüdete Kompagnie" gegenüber stand,
wollten die untergeordneten Stellen die Verantwortung
nicht auf sich nehmen, die Familie
Rapp abreisen zu lassen, da diese in der Lage
gewesen wäre, diesen betrüblichen Zustand dem
Gegner zu berichten. Nachdem sich die Meldungen
als falsch erwiesen hatten, waren alle Teile
froh, das Kapitel Rapp mit der Abreise der
Gräfin und ihres Gefolges schließen zu können.

Befriedigt legten sich alle Verantwortlichen
an diesem Abend zur Ruhe. Sie glaubten ihre
Aufgabe mit der Vertreibung der verdächtigen
Familie gut gelöst zu haben. Besonders darum,

weil ja die Ausreise letzten Endes nicht auf
einen Befehl, sondern auf eine gnädige Genehmigung
hin erfolgt war.

Doch in der gleichen Nacht platzte in diesen
Frieden der heftigste Alarm. Ein Reiter jagte
von Neuenburg nach Müllheim mit der Meldung
des Bürgermeisters Schmid, „ein Haufe französischen
Gesindels habe den Rhein bei Neuenburg
passiert". Die ganze Stadt wurde in die größte
Aufregung versetzt. Die Sicherheitswache marschierte
aus, alle Maßnahmen zur Abwehr wurden
getroffen. Ein zweiter Reiter war nach
Schliengen gesprengt, um von hier telegraphisch
um militärische Hilfe zu ersuchen. Es war ein
Stoß ins Leere. Wir haben in Verfolgung der
Rapp'schen Affäre einem Ereignis vorgegriffen,
das am 21. Juli eingetreten war: Baden hatte sich
an die Seite Preußens gestellt. Am 22. Juli hatte
Jolly folgendes Telegramm an das Bezirksamt
Müllheim geschickt: „Staatsministerialentschlie-
ßung vom 21ten erklärt Allianzvertrag als nunmehr
zur Anwendung kommend. Darnach Kriegsstand
mit Frankreich eingetreten zu betrachten.
Französischer Gesandter hat seine Pässe verlangt
, baäische Gesandtschaft in Paris abberufen.
Kronprinz von Preußen wird Kommandant der
Südarmee".

Am selben Tage noch gab das Bezirksamt
Müllheim die Meldung des Bürgermeisters
Schmidt von Neuenburg weiter, nach der Dammmeister
Schlecht von Bellingen während einer
Dienstfahrt auf dem Rhein von französischen
Douaniers mit Erschießen bedroht worden sei,
weil nunmehr das Befahren des Stromes nicht
mehr erlaubt sei. Neuenburg meldet weiter, daß
die 2. und 3. Linie der Douaniers an den Rhein
gezogen worden seien und dieser von Doppelposten
, in kurzen Entfernungen voneinander
aufgestellt, bewacht werde. Diese französischen
Douaniers hatten nun den Grund zum großen
Alarm am 8. August gegeben. Neuerdings wurden
von ihnen auch auf den Rheininseln Posten
aufgestellt, die sie in der Nacht ablösten. Die auf
deutscher Seite am Rhein postierten vier Mann
Sicherheitswache hörten um Mitternacht Ruderschläge
auf dem Strom, Stimmen, Gepolter des
Einsteigens. Schon rannte der erste weg, auch
den zweiten und dritten hielt es nicht mehr. Sie
lösten den Alarm aus. Der vierte schaute genauer
hin und bemerkte, daß es nur ein einziger
Nachen war und keine Armada, daß er zudem
mit dem abgelösten Mann sofort wieder von
der Rheininsel an das französische Ufer zurückkehrte
.

Kriegszeiten sind ein guter Nährboden falscher
Gerüchte. Auch Strafandrohungen können
sie nicht verhüten. Ebenso wird es an Verdächtigungen
von Personen nicht fehlen. Am 20. Juli
schickte der Besitzer von Hausbaden, ein Ingenieur
namens Mähly, folgendes Schreiben an das
Bezirksamt Müllheim:

„Hochgeachttersten Herrn Oberamtmann. Ich
nähme die Freiheit Ihnen mitzutheilen, daß laut
den zu unglücklichen Verhälltnißen, welche den
Kriegsstand auf eine so bedauerungsarte Weiße
herstellt, und eine solchen Umstand vor allem

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