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Pferde erförterlich sind, bin ich bereit, wie Sie
es wissen, geehrtesten Herr Oberamtmann, zu
jeden Zeit den Beweis zu geben, zu allem was
dem Staate nützlich seyn kann, so biete ich auch
in diesem Fall, meine zwey brauchbaren Pferde
unentgeldlich dieselben auf das erste Verlangen
an, zur Verfügung zu stellen, und bitte meinen
Entschluß in Consideration zu nähmen zu wollen,
und zu glauben, daß ich mit aller Hochachtung
zu jeder Zeit zu Diensten stehe".
Merkwürdigerweise brachte um die gleiche
Zeit, als das Bezirksamt Müllheim sich an diesem
Anerbieten erfreute, ein anderer Schreiber diesen
reizvollen Satz zu Papier:
„ Großherzogliches Kriegsministerium Karlsruhe
. In dem unser Vaterland mit Frankreich
Krieg bekomt, ist jedem Deutschen Bürger seine
Pflicht jeder daseinige bei zu tragen nemlich
wegen Spion in Haus Baden bei Badenweiler
Amt Müllheim ist ein Franzose der den Spion
schon lange gemacht hat, und denselben noch
weiter machen wird, weßhalb Kentniß gegeben
wird. Badenweiler bei Mühlheim, den 22. Juli
1870. Seewohl".
Das Schreiben trägt den Poststempel von
Oberlauchringerx, Amt Waldshut. Das Kriegsministerium
ließ das Blatt über das Innenministerium
an das Bezirksamt weitergehen und
bat um Stellungnahme. Oberamtmann Sachs vermerkt
, daß Mähly bereits überwacht werde, aber
bis jetzt keinen Anlaß zu Klagen gegeben habe.
Er läßt aber in Badenweiler Erhebungen über die
Person des Denunzianten machen. Ein Seewohl
ist dort nicht bekannt. Bezirksrat Joner bemerkt
dazu: „Der Denuncirte ist wohl der Besitzer von
Hausbaden gemeint, und dürfte eine verschärfte
Beaufsichtigung dieses Individuums in jetziger
Zeit am Platze sein". Weiteres verzeichnen die
Akten über den Fall Mähly nichts.
Die ersten Meldungen über Truppendurchzüge
in Mülhausen hatten einen Müllheimer
Bürger dazu gebracht, ein wirklicher Spion zu
werden. Es war der Schneidermeister Bühler.
Das Kriegsministerium forderte ihn durch Telegramm
an: „Schicken Sie sofort den Mann hierher
, welcher Truppendurchzug in Mülhausen
persönlich sah". Bühler muß bei dieser Gelegenheit
mit bestimmten Aufträgen betraut worden
sein, von deren Erledigung er erst nach vier
Tagen zurückkehrte. Um diese Zeit schickt das
Kriegsministerium zur Beruhigung der Ehefrau
ein zweites Telegramm: „Bühler ist gut angekommen
".
Sofort findet sich auch hier ein Denunziant.
Vom 30. Juli liegen folgende Zeilen vor: „Herrn
Wißmann. Geben Sie das Schreiben im Herrn
Oberamtmann zu lesen; es ist im Umlauf, daß
Schneider Bühler der Spion auf beiden Seiten
macht. Man muß es nicht gleichgültig ansehen.
Bürger".
Bühler versieht seine Aufgabe weiter. Er
wurde am 22. Oktober ins Hauptquartier nach
Sinzheim gerufen und forderte dafür 20 fl. Die
Ursache dieser Reise Bühlers war Garibaldi. Am
18. Oktober war eine Meldung aus Mülhausen
eingegangen, „wonach der Anmarsch Garibaldis
mit einer großen Truppenmasse in nächster Aussicht
stehe". Oberamtmann Sachs gab Bühler
den Auftrag, „sich nach Beifort, Besangon und
Mülhausen zu begeben und dort das Nähere aus
eigener Anschauung zu erheben". Dieser verlangte
dafür einen Vorschuß von 80 fl.
Bühler führte die gefährliche Reise hinter die
Front durch und lieferte folgenden Bericht:
„Mülhausen Niemanden als Garde nationale;
eine Stunde davon Billesheim einige hundert
Franctireurs. Beifort 45.9 Dragoner, Kürassiere,
Artillerie von früher. Mobilgarden und Franctireurs
ca. 4000. — Beifort nach Besangon durch
Mobilgarden gesperrt. (Weiter in der Richtung
von Sultz.) Besangon 85.61 Dragoner, Mobilgarden
und Franctireurs. Dort steht überhaupt
die Garibaldische Armee; er selbst in Dole und
er sammle eine Armee von 35 000 Mann. Will
Garibaldi, seinen Sohn, einen Adjutanten selbst
gesehen haben; soll beabsichtigen, die badischen
Truppen in den Vogesen liegen lassen oder sie
in der Flanke zu fassen und dann auf Metz zu
marschieren. — Dienstag oder Mittwoch soll die
Formation fertig sein, bis jetzt sei aber noch ein
großes Durcheinander, die Chassepotgewehre
sollen erst ankommen. Kanonen seien auch nicht
vollständig angekommen. Neuchätel, Bantarlier,
Dole, Besangon, Beifort, Mülhausen. — Ein
Zuavenregiment sei von Afrika nach Tours^ von
da nach Nevers in der Absicht, sich dem Garibaldizug
auch anzuschließen".
Für seine Auslagen fordert Bühler 210 fl.,
dazu noch eine Entschädigung von 4000 fl. Er
hat diese 4000 fl. nie erhalten. Dafür bat er im
Frühjahr 1871 um eine Anstellung im Zivildienst
im Elsaß, die ihm auch gewährt wurde.
Hinsichtlich des Personenverkehrs über den
Rhein schienen für Kriegszeiten immerhin bemerkenswerte
Zustände geherrscht zu haben.
Nach dem Kriegseintritt Badens meldet die
Gendarmerie, daß der Personenverkehr zwischen
Neuenburg und Chalampe über den Rhein noch
unbeschränkt fortbestehe. „Die Fremden können
unbehelligt, selbst Franzosen, auf badisches Gebiet
herüber fahren und werden von den Grenzaufsehern
ganz unbeachtet belassen". Die Grenzaufseher
erklärten, noch keine Instruktionen zu
haben und daher auch alles passieren zu lassen.
Am 29. Juli kommt die gleiche Meldung von
Rheinweiler. Da die Drahtseile für die Fähren
abgenommen sind, wird der Verkehr mit Nachen
durchgeführt. Als später das gegenüberliegende
Elsaß in deutscher Hand war, hat sich der Personenverkehr
über den Rhein wieder verstärkt.
Die Flut eines Krieges schwemmt unterschiedlich
Volk an die Oberfläche. So wurde folgender
Erlaß des Bezirksamts vom 3. Januar 1871 notwendig
: „An das Bürgermeisteramt Neuenburg.
Dasselbe wird beauftragt dafür zu sorgen, daß
wenn wieder Leute, Marketender u. dergl. mit
Gegenständen über den Rhein herüber kommen,
bei denen die Vermuthung nahe liegt, sie möchten
entwendet sein, solche Personen Erwerbsnachweis
aufgefordert, auch, wenn sie denselben
nicht liefern können, die Gegenstände mit Beschlag
belegt werden und Anzeige hierüber
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