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delten, welche die Bahn erbauen wollten, forderten
von der Regierung eine Erklärung, daß bestimmte
Straßenbauten die Bahn nicht überflüssig
machten; natürlich wurde diese Erklärung
nicht gegeben. Der Vorstoß der Wiesentalbahn-
Planer zeigt jedoch, mit welchem Nachdruck die
Fabrikanten ihr Projekt verfolgten. Erst über
einen Monat später hört man etwas von der —
zunächst — nur Verlust erleidenden Gegenseite:
von den im Gebiet der geplanten Strecke grundbesitzenden
Bauern. Diese waren begreiflicherweise
mit der Enteignung des benötigten Landes
zum Zweck des Baues einer privaten Bahn nicht
einverstanden, — denn was der Staatsbürger
vom Staat notgedrungen noch leiden muß, das
duldet er selbstverständlich nicht zugunsten privater
Interessen. Der „Oberländer Bote" druckt
hierzu (in Nr. 65 vom 4. Juni 1858) folgenden
Artikel aus der „Freiburger Zeitung" ab:
Aus dem Wiesental, 1. Juni. Auf Anregung des Bürgermeisteramts
Brombach fand gestern in Steinen
eine Versammlung von Ortsvorständen und Landwirten
des Wiesentals statt, wobei wegen der von
den Fabrikanten des Wiesentals zu erbauenden
Eisenbahn Beratungen gepflogen wurden. Es wurde
der Beschluß gefaßt, bei der hohen Staatsregierung
dahin zu wirken, daß bei der etwaigen Erbauung
eines Schienenweges durch das Wiesental hinsichtlich
der abzutretenden Grundstücke das Expropriationsverfahren
keine Anwendung finden möchte.
Die Grundbesitzer hatten — um die Entwicklung
hier bis zum Ende aufzuzeigen — keinen Erfolg
mit ihrem Protest. Die Regierung hatte die
Wiesentalbahn ja selbst schon zu bauen erwogen
und es war in einem Vertrag mit der Schweiz
über die Bahnverhältnisse am Oberrhein vom
Jahre 1852 von ihr bereits die Rede gewesen.
(Müller S. 121). Regierung und Gründungskommission
schlössen am 13. Februar 1860 eine Vereinbarung
über den Bahnbau im Wiesental, am
5. Juni 1860 wurde das entsprechende Gesetz
publiziert und am 23. November die Konzession
zum Bau erteilt; die Regierung räumte der
erbauenden Aktiengesellschaft neben anderen als
wichtigstes Recht ein, daß sie die betroffenen
Grundbesitzer enteignen dürfe. Die Strecke
Basel—Schopfheim wurde als eingleisige Privatbahn
im Jahre 1862, die Strecke Schopf heim—
Zell erst im Jahre 1876 gebaut.
Auch von dieser letzten Strecke der Wiesentalbahn
war bereits im Mai 1858 die Rede gewesen
. Der „Oberländer Bote" Nr. 53 (v. 5. 5. 1858)
hatte einen Artikel des Badischen Centraiblattes
abgedruckt, der diesen Wortlaut hatte:
Karlsruhe, 30. April. Auch das hintere Wiesental
bewirbt sich um die Konzession zur Erbauung einer
Eisenbahn und hat deshalb eine Abordnung hierher
gesandt. Die Absicht geht dahin, zunächst eine Eisenbahnverbindung
von Schopfheim nach Zell zu
sichern, wenn eine Konzession an eine Schopfheimer
Gesellschaft zum Bau von Basel bis Schopfheim
erteilt und ein solcher Schienenweg ausgeführt werden
sollte. Wenn auch die Terrain-Verhältnisse zwischen
Schopfheim und Zell nicht ganz so günstig sind
als jene des unteren Wiesentals, so dürfte doch der
Bauaufwand .keine große Summe betragen und ohne
große Anstrengungen zu beschaffen sein.
Wenden wir unsere Aufmerksamkeit nun einem
anderen Abschnitt der Hochrhein - Eisenbahnen
zu: der Strecke Waldshut—Turgi. Am 26. August
1857 war zwischen Baden und der Schweiz ein
Vertrag geschlossen worden, wonach
„binnen drei Jahren eine Eisenbahn Waldshut - Turgi
mit festem Rheinübergang Waldshut - Koblenz, dem
ersten zwischen Neuhausen und Mainz, erbaut werden
sollte; den Betrieb übernahm einschließlich des
kurzen badischen Teilstückes Waldshut - Rheinmitte
die aus der Fusion der Zürich-Bodensee-Bahn hervorgegangene
schweizerische Nordostbahn, die Rheinbrücke
sollte unter Aufsicht und finanzieller Beteiligung
der Nordostbahn von der badischen Staatsbahn
erbaut werden". (Kuntzmüller: Die bad. Eisenbahnen
, 2. Aufl., 1953, S. 38.)
Zu diesem Projekt gehört eine Notiz im „Oberl.
Boten" (Nr. 56 vom 12. Mai 1858), die zunächst
von der ebenfalls projektierten Kehler Rheinbrücke
spricht und von ihr meldet, daß sie vier
Pfeiler und zwei Spuren erhalten und zu beiden
Seiten mit Fußwegen versehen werden würde.
Dann fährt die Notiz fort:
Die 3rücke bei Waldshut (nächst der Schweizer
Grenze) zum Anschluß der Rheintalbahn an die
schweizerische Nordostbahn bei Thurgi wird dieselbe
Konstruktion mit einem Gesamtaufwand von nur
600 000 fl. erhalten, und es soll diese Bahnstrecke im
Sommer 1859 schon dem Verkehr übergeben werden,
wofür uns die Tüchtigkeit der technischen Behörden
, falls nicht unerwartete Verhältnisse eintreten,,
bürgen.
Die tüchtigen technischen Behörden waren in
diesem Fall vertreten durch einen Neuling im
Eisenbahnbau, der später sehr viel von sich reden
machen sollte: durch den Pforzheimer Robert
Gerwig; er war bisher im Straßenbau tätig gewesen
und bekam nun den Bau der Eisenbahn
Waldshut—Rheinmitte nebst Rheinbrücke übertragen
; später sollte er mit der Schwarzwaldbahn
sein Meisterstück ablegen und auch am Bau der
Gotthardbahn mitwirken.
Durch den Waldshuter Anschluß wurde zwischen
den badischen Eisenbahnen und Zürich,
Chur, Romanshorn und Bern unmittelbare Verbindung
möglich. Am Vortag der Eröffnung der
neuen Linie — sie wurde am 18. August 1859
dem Verkehr übergeben — würdigte die Eidgenössische
Zeitung (v. 17. 8. 1859; mitgeteilt bei
Kuntzemüller S. 38) sie mit folgenden Worten:
Bisher knüpfte kein einziger Schienenweg direkt an
Deutschland; die Linie Turgi—Waldshut erfüllt dieses
dringende Bedürfnis des Verkehrs der Ostschweiz
mit Baden, den übrigen deutschen Rheinlanden,
Holland und teilweise der deutschen Nordseeküste
bis Bremen und Hamburg.
Die Bedeutung, die hier — wie damals und bis
in die siebziger Jahre hinein von der badischen
Eisenbahnpolitik dem verkehrsgeographisch an
sich ungünstig gelegenen Städtchen Waldshut zugemessen
wurde, mag bei aller Schätzung, die
man ihm aus anderen Gründen gerne entgegenbringt
, etwas befremden; sie wird indessen zu
einem guten Teil dadurch erklärt, daß die Verhandlungen
zwischen Baden und Basel — das
wir heutzutage als den natürlichen Anknüpfungspunkt
des badischen und schweizerischen Verkehrs
ansehen, — zu starken Mißstimmigkeiten
und Zwistigkeiten geführt hatten, die zwar später
beigelegt wurden, aber im Augenblick immerhin
bewirkten, daß man badischerseits nicht den
verkehrsgeographisch gegebenen Ort Basel und
ebenso auch nicht Schaffhausen als günstigen
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