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Knotenpunkt ansah und ausbaute, sondern eben
Waldshut, das damit zum ersten Anschlußpunkt
der Verbindung Baden—Schweiz wurde.
Und noch ein drittes Projekt reifte im Jahre
1858 weiter der Ausführung entgegen: die Vollendung
eines zweiten Anschlusses der badischen
an die Schweizer Bahnen durch die Weiterführung
der Hochrheinstrecke von Waldshut über
Schaffhausen nach Konstanz. Schon Anfang des
Jahres 1858 war den Ständen ein Gesetzentwurf
vorgelegt worden, der den Ausbau verschiedener
Strecken zum Gegenstand hatte; darunter war
auch — und nicht in letzter Linie — die Strecke
Waldshut — Konstanz begriffen. Der Entwurf
führte zu dem ersten umfassenden Gesetz „über
die Vervollständigung der Schienenwege im
Großherzogtum Baden", das am 7. Mai 1858
publiziert wurde. Somit war gesetzgeberisch und
auf badischer Seite der Weiterführung der Bahn
zum Bodensee jedes Hindernis aus dem Wege
geräumt. Doch sollte es noch über fünf Jahre
dauern, bis die Strecke erbaut sein würde. Denn
da — neben anderen Plänen zur Streckenführung
, die aber reichlich utopisch waren — die
Linie durch schweizerisches Gebiet oder besser:
durch Gebiet des Kantons Schaffhausen geführt
werden sollte, hing die Ausführung nicht allein
von den badischen Behörden ab. Schaffhausen
w7ollte die Bahn durch seinen Klettgau geführt
wissen, Baden wollte Jestetten anschließen. Die
Konferenzen, Vorschläge und Gegenvorschläge
nahmen kein Ende, und die abweichenden Ansichten
über die technischen Möglichkeiten stritten
sich mit politischen Motiven. Aus den Jahren,
da die Fortführung der Bahn von Waldshut nach
Konstanz noch grundsätzlich debattiert wurde,
liegt ein Artikel der „Freiburger Zeitung" vor,
der 1852 „auf vielseitiges Verlangen. . besonders
abgedruckt" wurde. Er betrachtet unter dem
Titel „Soll die badische Bahn bis an den Bodensee
fortgeführt werden?" die ganze Frage vorwiegend
unter dem Blickwinkel des Transithandels
des badischen Handels und des weiteren
der badischen Landesverteidigung. Ganz im Sinne
Friedrich Lists geht der Schreiber des Artikels
davon aus, daß in Deutschland vorzüglich zwei
Ideen diskutiert werden müssen: „Die Ermittlung
des sichersten Weges zu einer Zoll- und
Handelseinigung und die Herstellung eines zusammenhängenden
Transportsystems" (Seite 3).
Natürlich bejaht er die Frage, die der Titel des
Artikels aufwirft, grundsätzlich. Bezüglich des
wirtschaftspolitischen Vorteils, den der Seekreis
durch Fortführung der Bahn haben würde, und
hinsichtlich der Streckenführung meint er:
Der Bodensee wird dadurch (durch Verlängerung der
Bahnen der umliegenden Länder) eine früher nie
gekannte, ungemeine Bedeutung und Lebendigkeit
erlangen, denn es ist dabei wohl zu bedenken, daß
die Dampfschiffe, die den See befahren, überall zwischen
zwei gegebenen Punkten die gerade und kürzeste
Linie beschreiben können, während eine allgemein
verbindende Eisenbahn in weitem Bogen um
die Ufer herumgehen müßte. Jedenfalls aber ist die
Wasserstraße der wohlfeilste und zugleich der kürzeste
Verbindungsweg für die verschiedenen Ausmündungen
der Eisenbahnen am Bodensee. Mit
Rücksicht darauf stellt es sich als dringliche Notwendigkeit
dar, daß irgend ein vorteilhafter Punkt
am badischen Ufer mit der badischen Eisenbahn in
Verbindung gesetzt werde und unzweifelhaft ist es
Konstanz, welches nach seiner Lage entschiedene
Vorteile darbietet. Die Haupthandelsstädte der
Schweiz sind Basel und Zürich; Basel ist Baden
gewiß durch die Rheinbahn und Zürich kann Baden
sich zuwenden durch eine vorteilhafte Abzweigung
von dieser Bahn. Es ist aber nicht zu übersehen, daß
sich seit der Vollendung der Ulmer-Friedrichshafener
Bahn bereits ein lebhafter Handel, besonders mit
Getreide, auf dem Bodensee entwickelt hat, dessen
Haupthandelsplatz der St. Galler Hafen von Rorschach
bereits geworden ist.
Konstanz liegt aber nicht allein am Bodensee und
Rhein, sondern zugleich der Schweiz am nächsten,
sowie es auch der nächste badische Hafen für
St. Gallen und Zürich ist. Das alles bedingt übrigens
noch nicht, daß die badische Eisenbahn in Konstanz
abschließe. Konstanz muß nur der Haupthafen am
Bodensee für die Schweizer Spedition werden.
(Seite 16 f.)
Die Pressestimme aus dem Jahre 1852 verweist
dann noch auf den militärischen Nutzen der Verbindung
Waldshut—Konstanz und fordert auch
unter diesem Aspekt, daß die badische Bahn auch
nicht in Konstanz abschließen dürfe, sondern mit
den umliegenden Bahnen der deutschen Bundesländer
in Beziehung gesetzt werden müsse. Unter
Berücksichtigung aller Gesichtspunkte zieht sie
den inzwischen durch die Geschichte des Handels
und des Verkehrs vollkommen bestätigten
Schluß:
Nur wenn diese Verbindung hergestellt sein wird,
erfüllt die badische Eisenbahn vollständig ihren
großen Zweck, nur alsdann ist die Bahn nicht mehr
eine bloße Landesbahn, sondern ein lebendiges Glied
jener vier mächtigen Nationallinien, vermittelst
welcher der Osten mit dem Westen, der Norden mit
dem Süden Deutschlands verbunden wird. (S. 18.)
Indessen jetzt zurück zu Zeitungsstimmen des
Mai 1858, soweit sie etwas zum Stand des Bahnbaus
auf der Strecke Waldshut—Konstanz berichten
: Am 7. Mai 1858, also just am Tage der
Verkündung jenes Gesetzes, das auch diese
Strecke zu vollenden zum Zweck hatte, berichtet
der „Oberländer Bote" Nr. 54:
Konstanz, 3. Mai. Eingetroffenen zuverlässigen Nachrichten
zufolge wäre die Herstellung der Eisenbahn
von Waldshut nach Konstanz gesichert, und es sollen
schon in den nächsten Tagen Techniker hier eintreffen
, um die Vorarbeiten zu beginnen. Die Brücke
über den Rhein wird oberhalb der dermaligen Brücke
zu stehen kommen, also unmittelbar am Ausfluß des
Rheins aus dem Bodensee; der Bahnhof soll zunächst
am Hafen angelegt werden. Wahrscheinlich werden
unsere rührigen Schweizer Nachbarn mit der Fortführung
der Bahn von hier nach Rorschach, im Anschluß
an die Bahn nach Italien, nicht zögern.
Im gleichen Blatt (Nr. 57 vom 14. 5. 1858) heißt
es wenige Tage später:
Von Konstanz wird geschrieben: Nach der Rückkehr
unserer Landtagsabgeordneten hierher verbreitet
sich die angenehme Nachricht, daß mit dem Bau
einer Eisenbahn von hier bis Singen baldigst begonnen
werden soll. Da diese Strecke jedenfalls in die
Eisenbahnlinie fällt, mag solche von Waldshut über
Schaffhausen, oder durch das Wutachtal, oder von
Offenburg durch das Kinzigtal hierher geführt werden
, so ist mit dem Bau nichts riskiert, und jedenfalls
ein Anschluß sicher. Zuvörderst soll mit dem
Brückenbau dahier begonnen werden, welcher jedenfalls
mehrere Jahre in Anspruch nimmt, und es wird
versichert, daß derselbe nicht, wie anfangs projektiert
, in der Gegend des alten Pulverturms, sondern
oberhalb der jetzigen Brücke ausgeführt wird, was
in vieler Beziehung vorzuziehen ist.
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