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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-06/0015
Biene jeder mit Honig gefüllten Wabe zusetzt.
Es ist der Verzicht auf den Raub der Zeit, die
seinem Schaffen gehört.

Es sind nun zwölf Jahre vergangen, seit Ernst
Sander sich dazu entschlossen hat, Badenweiler
als Horst zu wählen. Die Landschaft um den
Blauen wurde ihm zur Verführung, der er erlag.
Wie sehr sie ihn verlockt, wird immer wieder in
allem, was er schreibt, klar. Die Landschaft, die
ihn beschwingt, ist für ihn durchgeistert von der
geheimnisvollen Erscheinung jener Diana, der die
warmen Quellen des Berges zugeeignet sind.

Wir freuen uns, daß er das Erbe dessen angetreten
hat, der vor ihm, nach dem ersten
Krieg, Badenweiler für seine Muße wählte, Rene
Schickele. Die Tradition, die will, daß dieser Ort

Baptist Gmeiner:

Jedes Jahr, wenn es einwinterte, erschien der
Steffen mit seinen zwei Rappen und dem schweren
Leiterwagen im Dorf. Weder Gespann noch
Wagen gehörten ihm; er war ein armer Roßknecht
, der bei einem Bauern in Hasselried
diente und den Winter über in die Dörfer geschickt
wurde, um Holz und Steine zu fahren.
Und das tat er auch unverdrossen, ob der Himmel
von Regen troff oder der Schnee in Haufen
neben der Straße lag.

Ich habe selten einen Menschen gesehen, der
bei aller täglichen Plage so fröhlich dahinlebte
wie der Steffen. Einem anderen wäre die Lust
zum Leben und erst recht die Lust zum Pfeifen
und Lachen vergangen, hätte er zur Winterszeit
so wie der Steffen bei den Gäulen im Stall oder
auf zugigen Heuböden schlafen müssen, heute
nacht da, morgen nacht dort, wie es seine Aufträge
gerade mit sich brachten. Und am Tag?
War es etwa ein Vergnügen, jeden Tag eisglatte
Stämme zu laden oder Steine unter dem Schnee
hervorzuholen? Und dann stundenlang auf windigen
Straßen über Berg und Tal zu fahren, die
Zügel in der Linken, in der Rechten die Peitsche,
und auf alles acht zu geben: auf den glatten Weg,
auf schneeverdeckte Gräben und Löcher, auf die
rutschende Ladung, auf die Pferde?

Manchem anderen wäre dabei das Pfeifen
vergangen, sage ich.

Dem Steffen verging es nicht. Es war ihm
ein Spaß, die schweren Stämme auf den Wagen
zu ziehen oder, hoch auf dem Wagen stehend,
die kantigen Holzscheiter den Leuten in den Hof
zu schmettern. Es war ihm ein Spaß, die
stampfenden Rappen zu schirren, mit Hüst und
Hott an die Deichsel zu bringen und zu regieren.
Und wenn die Leute sein tüchtiges Hantieren
in Acht nahmen und einander zunickten: Ja, der
Steffen ist ein Kerl, — dann flogen die Scheiter
erst recht und der Steffen pfiff noch dazu.

War es ein Wunder, daß man den Steffen
gern in die Stube einlud, wenn er irgendwo
abgeladen hatte? Ja, ich komme, wenn's auch
einen Schoppen gibt, sagte er dann. Aber es
ging noch eine Weile, bis er kam. Erst wurden

seinen Dichter habe, darf nie abreißen. Alles, was
die Landschaft bietet, wird Sander, sobald er
schreibt, zum Nutzen, und was unter seiner'
Feder entsteht, ein Geschenk für den Kurort.

Es wird sich doch hoffentlich so einrichten
lassen, daß wir, wenn auch verspätet, mit ihm
feiern. Wir freuen uns jetzt schon darauf, ihn
beim Anstoßen mit einem Glase Markgräfler,
den Kopf hochwerfen zu sehen, wie er es zu
tun pflegt, wenn er eine geistreiche Bemerkung
vom Stapel läßt und seine blauen Augen zum
Leuchten bringt. Vielleicht liest er uns dann auch
wieder einmal etwas vor in seiner Sprache, deren
Sätze er mit der Sicherheit wohlgezielter Billardkugeln
zum Punkt führt und die er so männlich
zum Klingen bringt. Also wann?

die Pferde ausgespannt und irgendwo untergestellt
; sie bekamen die Decken übergeworfen
und die Krippe mit Hafer vorgesetzt. Und wenn
neugieriges Kindervolk herumstand — und das
war stets der Fall, denn wo der Steffen ablud,
da sammelte es sich -—, griff der Steffen wohl
so einen halb ängstlichen, halb begierigen Bengel
und setzte ihn für eine Weile dem Handpferd
auf den Rücken. Das stampfte dann klirrend hin
und her und warf den Kopf, daß es den kleinen
Reitern noch bänger wurde und sie sich noch
fester an Steffens haltenden Arm klammerten.

In der Stube dann zeigte der Steffen, daß er
noch mehr konnte als Gäule meistern. Er konnte
erzählen. Die Weibsleute saßen ganz nahe dabei
oder strichen um ihn herum und setzten ihm
ein handfestes Vesper vor, der Hausvater saß
neben ihm und wir Kinder drängten uns zwischen
die Erwachsenen, um ja kein Wort von
dem zu verlieren, was der Steffen erzählte. Am
Ende jeder Geschichte gab es immer eine mächtige
Lacherei, und wir lachten mit, oft ohne zu
wissen warum. Denn wir verstanden nicht allzuviel
von den Geschichten des Steffen, vor allein
nicht, warum die Weibsleute manchmal so
kreischten und die Schürzen vors Gesicht hielten.

Für uns Kinder hatte er eine besondere Art
Geschichten, die zu hören wir nie müde wurden.
Geschichten vom Teufel und anderem gruseligen
Zeug. Darin kam immer vor, wie er, der Steffen,
in den Losnächten Brennholz zur Hölle fahren
mußte — zum Heizen der Kessel natürlich, in
denen böse Leute gesotten wurden, Hexen und
Mörder und Tierquäler. Einmal wollte er bei so
einem Höllenbesuch nur aus Versehen in einen
ganzen Waschkorb voll kleiner nackter, eben
gesetzter Teufelchen getreten sein; das habe
gequietscht und geschrien und gefaucht! Obgleich
kaum einen halben Tag alt, hätte ihn das rothäutige
Teuf eis jung volk doch derart durch den
Holzschuh in sein linkes Bein gebissen, daß er
seitdem nicht mehr recht drauftreten könne. Und
die Teufelalte hätte ihm einen glühenden Schürhaken
ins Gesicht gehauen und dabei sein Auge
getroffen. Das Aug' da — deuteten dann die

eteffcn, hzn KopFnedjt

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