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Kinder dem Steffen ins Gesicht. — Das Aug'
da, sagte der und zwinkerte.
Und der Hausvater lachte und schenkte dem
Steffen ein extra großes Glas Kirschwasser ein.
Ich weiß nicht, ob der Steffen wegen dieser
Gebrechen einen Trost brauchte. Er sagte nichts
davon und aß die gebackenen Eier und trank
seinen Schoppen und erzählte weiter und kaute
und lachte. Seinen besten Witz hob er immer
bis zuletzt auf. Lachte dann alles, stand der
Steffen schnell auf, strich den atemlos staunenden
Kindern über die Köpfe, gab den Großen
die Hand und stülpte seine graue Schildmütze
schief aufs Haar. Und war draußen schon wieder
mit Steh! und Houfzruck! beim Schirren und
Anspannen, während die Frauensleute noch die
Köpfe darüber schüttelten, was der Steffen doch
für ein Heidenkerl sei.
Ich weiß aber nicht, ob dem Steffen die
Sympathie, die er bei den Frauen für sich erweckte
, etwas genutzt und ob ihn eine geheiratet
hat, oder ob er immer noch mit Roß und Wagen
als einschichtiger Knecht durchs Land fährt. Ich
habe ihn aus den Augen verloren, als ich älter
wurde. Aber es ist möglich, daß die Kinder in
meinem Dorf und dort herum auch heute noch
auf den Winter nicht nur wegen des Schnees
warten, sondern weil mit ihm auch der Steffen
kommt und sie reiten läßt und ihnen Geschichten
erzählt, an die sie noch manchen Abend mit
lüstigem Schaudern denken, wenn man sie ins
Bett gesteckt und ihnen das Licht gelöscht hat.
Im Markgräflerland vor hundert Jahren (21)
Oängettfrteg um ein ©ängerfeft
Ende Mai des Jahres 1858 hatte in Haltingen
ein Sängerfest stattgefunden. Wie es sich gehörte,
brachte die offizielle Zeitung des Markgräfler-
landes, der „Oberländer Bote" (Nr. 64 v. 2. Juni
1858) einen längeren Bericht darüber, der aber
in seinem zweiten Teil eine merkwürdige Abwehrstellung
gegen eventuell mögliche Vorwürfe
einnimmt. War in Haltingen etwas schief gegangen
an jenem Sängerfest? Und was? — All das
wird sich zeigen. Hören wir aber zunächst, was
die Haltinger selbst in besagtem Bericht über ihr
Fest zu melden wissen:
Haltingen, 30. Mai. An dem am letzten Montag da-
hier abgehaltenen Sängerfest, welches vom herrlichsten
Wetter begünstigt war, beteiligten sich mit
Einschluß des hiesigen 24 Gesangvereine, nämlich:
Auggen, Buggingen, Brombach, Egringen, Efringen,
Fischingen, Haagen, Haltingen, Heitersheim, Rändern
, Kirchen, Liel, Lörrach, Mappach, Schopfheim,
Steinen, Tannenkirch, Tumringen, Waldshut, Weil,
Wittlingen, Wollbach, Wyhlen, Zell.
Dem Programm gemäß versammelte sich der
hiesige Verein und das Komitee am bestimmten Ort
und begab sich unter Musikbegleitung in feierlichem
Zuge an den Bahnhof, wo bald darauf, unter dem
Donner der Geschütze und dem fortwährenden Klang
der Musik, der Zug vom Unterland mit 5 Vereinen
ankam, welche zum freundlichen Willkomm ins
Gasthaus „Zum badischen Hof" geleitet wurden, wo
unter der Zeit auch der Verein von Zell eingetroffen
war.
Nach und nach rückten sämtliche Vereine entweder
zu Fuß oder auf schön geschmückten Wagen
hier ein, bis mit dem Eisenbahnzug nach 10 Uhr die
Vereine von Waldshut und Wyhlen ankamen und an
der Eisenbahn wie die ersten empfangen und begleitet
wurden. Inmitten des Ortes, am „Rebstock" war
über die Straße ein großer Bogen erbaut, worauf eine
große Fahne in der Landesfarbe aufrecht stehend
flackt, während sich alle 24 Sängerfahnen gegen
dieselbe senkten, was einen herrlichen Anblick bot.
Nach einiger Erholung fand die Probe und bald
nachher die Verlosung zum Festzug statt. Voran die
Festmusik, folgten sämtliche Vereine mit ihren Fahnen
, während die Weiler Blechmusik in der Mitte
spielte. Der imposante Zug bewegte sich nun gegen
den Festplatz, wo derselbe nach 1 Uhr vollständig
angekommen war. Nach einer kurzen Pause begann
die Produktion der vorgeschriebenen Musik- und
Gesangsstücke, und wenn auch der starke Westwind
derselben etwas hinderlich war, ist diese doch eine
gelungene zu nennen, namentlich verdienen die beiden
Direktoren, Herr Jost vom Gesang und Herr
Fingerlin von der Musik, volle Anerkennung.
Nach derselben begann das Festessen, während
welchem mehrere Toaste, zuerst auf die Großherzogliche
Familie, ausgebracht wurden.
Man unterhielt sich nun auf dem geräumigen,
einfach aber geschmackvoll dekorierten Festplatz
ganz gemütlich und in voller Harmonie, so daß auch
nicht die geringste Störung vorkam.
So viel sich das Komitee auch Mühe gab, sa
konnten einige kleine unbedeutende Vorfälle nicht
verhindert werden; ich glaube aber, daß im allgemeinen
jedermann zufrieden den Rückweg nach
Haltingen antrat, obschon er manchem trotz seiner
Breite etwas eng vorgekommen ist. So viel ich vernehmen
konnte, war der weitaus größte Teil mit
den Wirtschaften wohl zufrieden und wurde namentlich
den Weinen alles Lob gezollt.
Einige schätzen die Menschenmasse, die sich hier
und auf dem Festplatz befand, auf 8—10 000 Personen
; ich glaube aber, die Ab- und Zugehenden
gerechnet, wohl letztere Zahl annehmen zu dürfen.
Die stark besuchten Festbälle dauerten bis zum
andern Morgen in aller Eintracht und Harmonie.
Leider mußte aber die Tagreveille sowie der Ausflug
nach Tüllingen und Lörrach des schlechten
Wetters wegen unterbleiben, was dem Komitee und
dem hiesigen Verein sehr leid tat.
Wenn auch einige das Gewünschte nicht fanden
oder weniger zufrieden waren, am guten Willen hat
es nicht gefehlt. Möge das künftige Jahr ein ähnliches
Volksfest in einer hiezu geeigneten Gemeinde
des Oberlandes bringen, von hier aus wird es mit
Freuden besucht werden.
Soweit also der offizielle Haltinger Bericht. Man
kann ihm guten Gewissens entnehmen, daß das
Fest nicht ganz nach Wunsch verlaufen war. In
dieser Annahme wird man bestärkt, wenn man
gleich unter dem Bericht folgende Notiz zu lesen
bekommt:
Auf den Correspondenz-Artikel in der „Bad. Ldztg."
Nr. 123 von Waldshut, in welchem das Haltinger
Sängerfest geschmäht wurde, erhielt Herr Bürgermeister
Fingerlin in Haltingen folgende Zuschrift:
„Gestern abend erhielten wir die „Bad. Ldztg."
Nr. 123 und mit ihr den schönen (!) Artikel von
Waldshut vom 27. Mai. Mit diesem bezwecke ich
nur, Ihnen anzuzeigen, daß dieser Artikel nicht
vom hiesigen Gesangverein ausgegangen ist und
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