http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-06/0017
die Mitglieder auch damit nicht einverstanden sind.
In den nächsten Tagen wird die „Bad. Ldztg." eine
Verwahrung unsererseits bringen, und ersuchen wir
Sie deshalb, bis dahin Ihr Urteil zu verschieben.
Waldshut, den 28. Mai 1858
J. Fuchs, Vorstand des Liederkranzes''.
Keine Frage, daß dieses Dementi selbst noch den
heutigen Leser erst recht neugierig darauf macht,
zu erfahren, was denn in Haltingen los gewesen
sein könnte. Neugierig auch auf jenen Artikel in
der „Badischen Landeszeitung". Er soll deshalb
vollständig hier abgedruckt werden. („Bad. Landeszeitung
" Nr. 123 vom 29. Mai 1858):
Waldshut, 27. Mai. (Nachklänge zum Haltinger
Sängerfest.) Verwundern Sie sich nicht, wenn Sie
nach der vielversprechenden Überschrift, welche ich
diesen Zeilen vorausschicke, nur reine Prosa lesen.
Anders zu schreiben, wäre mir unter den Eindrücken,
welche der Pfingstmontag in Haltingen auf mich
gemacht hat, durchaus unmöglich. Sie haben ohne
Zweifel das vielversprechende Programm zu diesem
Fest auch gelesen. Ja, danach hätte man glauben
sollen, das Fest in Haltingen werde selbst jenem in
Baden in keiner Weise nachstehen, und von solchen
Hoffnungen getragen, sicherten auch die Mitglieder
des hiesigen Liederkranzes bereitwilligst ihre Teilnahme
zu. Aber wie sehr enttäuscht mußten sie von
dannen ziehen und statt angenehmer Erinnerungen
nur die traurige Überzeugung mit sich nehmen, daß
es bei diesem Fest ausschließlich auf ihre Geldbörse
abgesehen war. Das Gesangsfest als solches kann nur
als mißlungen bezeichnet werden, obgleich es von
ziemlich guter Witterung begünstigt war. Der Festplatz
war ein freier, unbedeckter und dem Winde
ziemlich ausgesetzter Raum, in dessen Mitte eine
ebenfalls unbedeckte Tribüne angebracht war, auf
welcher die Aufführung der Gesangstücke stattfand.
Die Aufführung selbst konnte bei dem ziemlich
stark wehenden Westwind ganz im Freien durchaus
keinen guten Erfolg haben, worüber die Urteile
ziemlich gleichlautend waren. Das sogenannte „Festessen
" beschränkte sich auf Darreichung einiger
kalter Speisen und es mußte für das Gedeck einschließlich
einer Flasche Weines der enorme Betrag
von 1 fl. 12 kr. bezahlt werden. Warme Speisen zu
erhalten, war rein unmöglich, weil auf dem Festplatz
, der eine halbe Stunde von Haltingen entfernt
lag, dazu gar keine Einrichtungen getroffen waren.
Zu den im Programm gepriesenen sogen. „Festbällen
", die übrigens allen anderen Vorkehrungen
entsprachen, konnten die Sänger nur gegen bare
30 kr. Zutritt erhalten. Doch das Bemerkenswerteste
waren wohl die Nachtquartiere: den 24 Mitgliedern
des hiesigen Liederkranzes zum Beispiel wurden
zwei einzige Betten zur Verfügung gestellt! Glücklicherweise
wurde diese Entdeckung noch vor Abgang
des letzten Zuges nach Basel gemacht, wohin
sich die Sänger begaben, um — nie wieder zu einem
Gesangsfest nach Haltingen zurückzukehren!
Nun weiß man also, was man dem Haltinger
Sängerfest von 1858 und seiner Organisation
vorzuwerfen hatte bzw. vorwerfen zu können
glaubte. Doch wer will heute noch entscheiden,
wer damals recht hatte? Kümmern wir uns
lieber um den Fortgang der Geschichte: Der
Waldshuter Verein brachte die „Bad. Landeszeitung
" wirklich dazu, seine den Haltingern
angezeigte Erklärung zu drucken. Sie lautete:
Waldshut, 30. Mai. Die „Bad. Landeszeitung" Nr. 123
bringt von hier einen Artikel über das Haltinger
Sängerfest vom 27. ds. Mts. Um Mißverständnissen
vorzubeugen, erklären wir hiermit, daß derselbe
ohne unser Wissen und Willen eingerückt, und daß
wir denselben durchaus mißbilligen. Von einem Mitglied
unseres Vereins kann er deshalb nicht sein, da
wir nur Mitglieder haben, welche wissen, daß sie
ohne Auftrag nie im Namen des Vereins zu sprechen
haben. („Bad. Ldztg." Nr. 127 v. 3. Juni 1858)
Auf diese Erklärung des Waldshuter Sängervereins
bezog und stützte sich denn auch ein
umfangreicher Gegenartikel, den der „Oberländer
Bote" Nr. 66 (v. 7. Juni 1858) brachte; als
Wohnort des Einsenders ist Basel angegeben.
Lassen wir dahingestellt, ob wirklich ein Basler
Teilnehmer des Festes ihn aus eigenem Antrieb
verfaßt hatte oder ob der Haltinger Verein sich
ihn bestellt hatte, und sehen wir zu, was er als
Verteidigung gegen die Anschuldigungen des
Artikels in der „Bad. Landeszeitung" zu sagen
wußte:
Basel, 2. Juni. Mit den Worten „Nie wieder zu
einem Gesangsfest in Haltingen zurückzukehren",
schließt ein in die „Bad. Ldztg." von Waldshut eingerückter
Artikel...
Hier folgt zunächst als Fußnote der Redaktion:
Weder der Gesangverein in Waldshut, noch ein Mitglied
desselben ist Einsender.
(„Oberl. Bote" Nr. 64 und „Bad. Ldztg." Nr. 127)
Dann fährt der Artikel fort:
Die hierfür angeführten Gründe dürften diesen Ausspruch
rechtfertigen, wenn solche in Wirklichkeit
vorhanden gewesen wären.
Als Besucher des Festes habe ich den Gang desselben
zo ziemlich genau beobachtet und darf offen
gestehen, daß der Eindruck, den dasselbe auf mich
ausübte, ein recht freundlicher war, und daß die
Erinnerung genossenen, heiteren, frohen Beisammenseins
noch lange als lieblicher Nachklang in meinem
Herzen forttönen wird; eine Genugtuung, die gewiß
noch von vielen Mitwirkenden und Besuchern geteilt
wird und geteilt werden darf. — Das gastfreundliche
Haltingen hat sein Möglichstes getan, um den Wünschen
und Ansprüchen der Sänger und Gesangsfreunden
zu entsprechen, leider nun aber die bittere
Erfahrung gemacht, wie schwer es ist, nach aller
Menschen Sinn zu handeln.
Was die Gesang-Aufführung betrifft, so wäre
solche bei windstillem Wetter, nach den tüchtigen,
vorangegangenen Proben zu schließen, gewiß ganz
gehörig befriedigend abgelaufen, — daß sich leider
ein kleiner Wind erhob, welcher dem Gesang einigen
Abbruch tat, dafür kann Haltingen keine Schuld
beigemessen werden.
Essen und Trinken, wohl nicht die größte Hauptsache
bei einem Gesangsfest, war billig und in Fülle
vorhanden, und durfte man sich nicht ganz ins
Schlaraffenland versetzt glauben, wo einem warme
gebratene Tauben in den Mund fliegen; gerne und
bereitwillig sucht bei solchen Festen durch eigene
Bedienung der Gast den Festgebern die Mühe zu
erleichtern. Bezüglich der Festbälle befolgte Haltingen
nur die bei Festen dieser Art übliche Weise, auch
von den Beteiligten ein Entree zu erheben, und wird
sich niemand darüber besonders aufhalten.
Nachtquartiere nach Auswahl waren in jedem
Falle etwas schwierig zu finden, allein auch über
diesen Punkt wurde mir von mehr als einer Seite
gesagt, daß viele Bewohner Haitingens sich's zur
großen Ehre angerechnet haben würden, einen oder
mehrere Sänger zu gastieren. — Schmerzlich mag es
Haltingen berühren, nach so vieler Mühe solche
Früchte des Undanks zu ernten, allein ich bin gewiß
versichert, daß viele Gemüter die dargebrachten
Opfer anerkennen und mit Freuden bei einem früher
oder später in Haltingen wieder abzuhaltenden
Sängerfest sich sammeln werden.
Man muß zugeben: Das klingt alles sehr besonnen
und vernünftig, und es mag vielleicht doch
hinter dem Artikel ein echter Eidgenosse verborgen
gewesen sein, der die Dinge von außen her
und nicht von irgend welchen Fehden einzelner
Vereine — dies mag nämlich sehr wohl hinter
der ganzen Diffamierung des Haltinger Festes
stecken! — beeinflußt so sah, wie sie wirklich
15
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-06/0017