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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-07/0015
Wenn heute auch noch der Mond im Stadtwappen
sitzt, so scheint die Sonne (wenn sie
scheint) doch ausgiebig auf die Müllheimer
Reben, und unser Markgräfler ist immer hoffähig
gewesen, davon sagt ein letztes Gedicht
aus.

„Die Markgräfler bei der Einzugsfeierlichkeit
des Erbgroßherzoglichen Paares in Karlsruhe am
28. September 1885".

Die Anrede sprach Fräulein Marie Keller aus
Hügelheim.

Mer chömme-n us der Markgrofschaft,
vo Mülle, bringe Rebesaft
und schöni, frischi Trübel mit.

Ihr liebe, edle Fürstelüt,

o nehmet's denn in Gnaden a,

's hangt luter Glück un Sege dra

für Euer Hus un bsunders au

für unsi jungi Fürstefrau.

E herzliche Willkumm derzue —

drum simer jetz in Karlisrueh —

Jetz b'hüet Euch Gott, Ihr Fürstelüt,

und blibet gsund recht langi Zit

e so wie jetz in voller Chraft,

und — chömmet au in d'Markgrofschaft!"

Beim Überreichen der Flaschen vieler Jahrgänge
wird jede Flasche von einem Vers begleitet
. Der älteste Jahrgang ist von 1800, der
zweite von 1802. Der folgende 1811er ist „der
guet Kumetewii" und zugleich ein Tröster in der
Trauer um den verstorbenen letzten Markgrafen
Karl Friedrich, der 1806 als erster den Titel
eines Großherzogs von Baden annahm und als
musterhafter Regent sehr geliebt war. Ein 1822er
erinnert an ein Jahr einer großen Wassersgefahr,
in dem aber ein guter und großer Herbst gedieh.
Der 1834er wuchs „wo Bade mit em Preußeland
— isch trete in e Zollverband". 1857 bringt
einen Freudenwein, weil ein Prinz geboren
wurde, der spätere Großherzog Friedrich II. Der
1859er soll ein „heißer" gewesen sein, der auch
im Alter noch die stärksten Männer zwang. Den
Jahrgang 1865 begleitet, etwas abgewandelt,
Hebels ,,Z' Müllen an der Post". Der 1868er
rühmt sich, in jedes Fürstenhaus zu kommen,
während der letzte Jahrgang, der 1870er den
Trumpf ausspielt: er ist „der Kaiserwii" der
prophezeit:

„Wenn i längst scho trunke bi, —
's Kaiserrich blibt stoh!"

Wie die „Deutsche Einheit" ist auch das
Kaiserreich zerfallen, nur die Erinnerung ist
geblieben, von der Lenau spricht als dem einzigen
Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden
können.

Im Markgräflerland vor hundert Jahren (22)

'JFtülltjeim m ^efdjmbungen unb anflehten öec ?eft um 18SO

Die Stadt Müllheim könnte am 27. Oktober
ihr 1200jähriges Bestehen als urkundlich nachweisbare
Siedlung feiern. An diesem beachtlich
großen Zeitraum gemessen, mag von geringerer
Wichtigkeit erscheinen zu erfragen und vorzuführen
, wie Müllheim sich vor kurzen hundert
Jahren dem Bewußtsein und den Augen der damals
Lebenden dargeboten habe. Dennoch hat
auch dieser vergleichsweise bescheidene Blickpunkt
seine Berechtigung: einmal ist die Zeitspanne
zwischen 1800 und etwa 1860 für die
Formung und Ausprägung dessen, was man das
badische Oberland zu nennen pflegt, entscheidend
gewesen — in politischer wie in geistiger
Hinsicht. In dieser Zeitspanne bildete sich der
Staat des Großherzogtums Baden aus seinen
einzelnen Teilen, unter denen — zählt man sie
der Wichtigkeit nach auf — die sog. Markgrafschaft
gewiß nicht an letzter Stelle zu nennen
ist; in diese Zeitspanne auch fällt die grundlegende
Wirksamkeit Hebels, seine persönliche
sowohl wie seine Nachwirkung durch die Verbreitung
und das Verstandenwerden seiner
Werke, in deren Umkreis sich jenes bewußte
„Markgräflertum" (wenn dieses Wort erlaubt ist)
bildete, das auch heute noch wesentlich das
Andenken Hebels trägt. — Zum andern wuchs
in dem genannten Zeitraum Müllheim in seine
Rolle als Stadt und Amtsstadt, die es zu Beginn
des 19. Jahrhunderts übernommen hatte, recht

eigentlich hinein; vergessen wir nicht, daß Karten
des 18. Jahrhunderts am Klemmbach noch
keine eigentliche Ortschaft Müllheim zeigen,
sondern zwei Siedlungspunkte, die sich „Obermüllen
" und „Niedermüllen" nennen. Um 1850
hat Müllheim die entscheidenden Jahre seiner
städtischen Entwicklung soeben hinter sich gebracht
und den Grund zu jenem Müllheim gelegt,
das es heute ist.

Wie also stellte sich die Stadt Müllheim um
1850 dar? Nehmen wir zur Beantwortung dieser
Frage zuerst ein Buch zur Hand, das aus der
Markgrafschaft selbst erwachsen ist. Sein Verfasser
war der Feldberger Pfarrer J. Schneider;
es führt den Titel „Das Badische Oberland. Lithographische
Ansichten mit Text..." und erschien
1841 bei C. R. Gutsch in Lörrach. Es ist ein
bescheidenes, liebenswürdiges und von begeisterter
Liebe zur Heimat geschriebenes Buch, dem
jeder schriftstellerische Anspruch fremd ist, —
durchweht von der zarten Empfindsamkeit und
dem romantisierenden Schwärmen des Spätbiedermeier
und manchmal rührend und unbeholfen
im Ausdruck. Trotzdem oder gerade deshalb
ist es als Spiegelbild des Damaligen von
Wert. Hören wir, was Pfarrer Schneider über
Müllheim zu sagen weiß (S. 56—60):

Nicht immer steht es dem Landmädchen gut, wenn
es eine Städterin wird. Wie es ihm so wohl steht —
dem Kinde der Natur — das Einfache, Ländliche! Es

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