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ruht das Auge mit Wohlgefallen auf der reizenden
Dörferin. Eben als solche gefällt sie, während das
städtische Gewand mißbehaglich an ihr erscheint.
Müllheim! Du bist zu Anfang dieses Jahrhunderts
eine Städterin geworden: allein der obige Tadel
trifft dich nicht; denn es ist dir gelungen, beizubehalten
die freundliche Sitte des Landes. Einfachheit
mit Zierlichkeit — ein anspruchsloses Wesen mit
feiner Urbanität — stille Religiosität mit heiterem
Sinne und lebendiger Tatkraft zu verbinden. Der
Genius der Zeit bekränzt mit blühenden Rosen deine
Stirne, und freudig bringt dir der Sänger des Oberlandes
auch seine Huldigung und sein Lob.
Müllheim — diese schöne heitere Stadt des Breisgaues
, am Fuße des hohen Blauen in einem herrlichen
und fruchtbaren Tale liegend, einerseits von
den Waldungen des Blauen, andererseits von sanften
Rebhügeln begrenzt — zählt etwa 560 Häuser, 420
Familien und 2600 Einwohner ...
Was Pfarrer Schneider zur Geschichte Müllheims
zu sagen weiß, können wir getrost überschlagen;
es mag genügen zu wissen, daß ihm jene Urkunde
mit der ältesten Nennung Müllheims vom
Jahre 758 bekannt ist. In unserem Zusammenhang
ist von größerem Interesse, wie sich ihm
„Müllheim, wie es ist", — dies seine Worte —
darstellt:
Breite, sehr gut gepflasterte Straßen und geräumige,
in edlem, modernen Stil gebaute Wohnungen geben
der Stadt ein lichtes Ansehen; vortreffliche Gasthöfe,
die kaum etwas zu wünschen übrig lassen, erfreuen
die Reisenden. In landwirtschaftlicher Beziehung
verdient Müllheim sowohl seiner äußerst günstigen
Lage, als auch der regsten Tätigkeit seiner Bewohner
wegen, vielleicht als Muster genannt zu werden.
Acker- und Wiesenbau in bedeutender Ausdehnung,
dann die Kultur des trefflichsten Weines, verbunden
mit ziemlich lebhaftem Handel und zahlreichen
Gewerben, sichern den Einwohnern immerwährend
den reichlichsten Erwerb. Unter den hier gepflanzten
Weinen wird der Reckenhager „der König der
Markgrafschaft" genannt; der nordöstliche Gipfel
dieses Berges, der bekannte, durch seine herrliche
Aussicht mit Recht gefeierte „Lug in's Land", ist
mit einer einfachen, jedoch wunderbarlichen Anlage
geschmückt, und gewährt nach vollendeter Weinlese
dem Freunde der Natur und des Frohsinns in ländlichen
Festlichkeiten, die daselbst veranstaltet werden
, manche heitere Stunde.
Nach dem Zeugnis achtungswerter Männer darf des
Charakters der Bewohner Müllheims im allgemeinen
nur rühmlich gedacht werden. Häusliche Zucht und
Ordnung, gute Sitten, Fleiß und rege Betriebsamkeit
sind daselbst keine seltene Erscheinung. Ausnahmen
finden sich überall, sie können also da am wenigsten
fehlen, wo Wohlstand, feine Lebensbildung, eine
glückliche Natur und schöne menschliche Formen
der Sittlichkeit nicht geringe Gefahren bereiten.
Im Jahre 1822 gründete sich hier eine Lesegesellschaft
, die bereits hundert Mitglieder zählt und im
Besitz einer bedeutenden und auserlesenen Bibliothek
ist.
Unter den übrigen Vereinen nennen wir noch den
landwirtschaftlichen, den Sparkassenverein; eine besondere
Zierde der Stadt ist das Bürger-Cavallerie-
Corps.
Die rühmlichste Anerkennung verdienen indes die
Leistung der Stadtgemeinde. Neue Straßenanlagen;
die Einfassung des sogenannten Kleinbaches — eines
wilden Waldstromes — in einen schönen, als Promenade
dienenden Kanal, welcher wenigstens 26 000 fl.
kostet; die Erbauung eines neuen Schulhauses, welches
wohl das geräumigste im badischen Oberland
ist, im Preis von 18 000 fl. Der Ankauf der städtischen
Zehntscheuer zu einem Spital, mit vorläufiger Gründung
einer Spitalverrechnung; die förmliche Herstellung
des Straßenpflasters, der größere Aufwand
für die höhere Bürgerschule. — Diese Leistungen
alle sind so bedeutend und erheischten einen solchen
Aufwand an Zeit und Mühe, daß es fast unglaublich
ist, wie dieselben — ohne außerordentliche Beiträge
von den Bürgern zu verlangen — zu Stande kommen
konnten.
Außer den beiden Jahrmärkten hat die Stadt alle
Freitage einen sehr starken Viktualien- und Fruchtmarkt
. Die öffentliche Metzig (sog. Schole) ist musterhaft
. Ebenso die Feuerordnung, im Laufe des vorigen
Jahres neu organisiert. Bemerkenswert ist ferner
das neue Rathaus, das Bürgergefängnis, ein
schönes, massives Gebäude.
Veranlassung zu angenehmen Ausflügen bieten die
benachbarten Orte Niederweiler, Badenweiler (eine
kleine Stunde von Müllheim entfernt), Vögisheim,
Hach, Hügelheim, Neuenburg, Auggen usw. reichlich
dar. Der alte Kirchhof und die Kirche in der Unterstadt
ist in einen Promenadeplatz umgeschaffen; der
neue hat eine gar liebliche Lage. Schöne öffentliche
Brunnen liefern gutes Quellwasser; eine hübsche
Allee vom Gasthaus zum Kreuz gegen Neuenburg
hin und zur Stadt gibt Müllheim von dieser Seite
her eine angenehme Einfassung.
Schöne Privat- und Gemeindewaldungen vergrößern
noch den Wohlstand seiner Bewohner.
Der im März 1839 von mehr als 300 Bürgern einstimmig
gefaßte Gemeindebeschluß rücksichtlich der
Beibehaltung der Naturalleistung der hiesigen Gemeinde
ist ein Beweis, daß die Bürgerschaft immer
noch Lust und Mut genug hat, mit vereinter Kraft
zur industriellen Belebung und Erhebung der Stadt
nach möglichst gleicher Zuteilung im allgemeinen
Interesse noch manches Gute zu wirken.
Erwähnen wir zum Schlüsse noch einige Männer
Müllheims, die in jüngstvergangener und neuester
Zeit genannt zu werden verdienen.
Im Jahre 1832, in einem Alter von 84 Jahren, starb
zu Müllheim der verehrungswürdige Geheime Hofrat
Wild, Ritter des Zähringer Löwenordens. Ein
Mann von umfassender gründlicher Gelehrsamkeit
besonders in der Mathematik; von dem biedersten
Charakter, von der liebenswürdigsten Bescheidenheit
, ein Freund der Kinder, ein Lehrer und Bildner
der Jugend, der manchen wackeren jungen Bürger
bildete. Ein besonderes Denkmal stiftete Wild am
städtischen Rathaus, indem er als Gründer des
Urmaßes (Dezimalmaß) dasselbe mit in Stein gravierten
Tafeln zierte. Bekanntlich hatte Wild um
das badische Maß- und Gewichtssystem bedeutendes
Verdienst. Das Gedächtnis des Edlen bleibt gesegnet!
Als einer der ersten Botaniker Deutschlands hat sich
in neuster Zeit Herr Dekan und Stadtpfarrer Lang
zu Müllheim vorzüglich namhaft gemacht; mehrere
von ihm entdeckte neue Pflanzenarten führen bereits
seinen Namen. Bäckermeister Breitenstein daselbst
erheitert zuweilen seine Freunde durch echt
humoristische Lieder, und Pfarrer Dorn in Kehl,
von Müllheim gebürtig, ist Willens, als alemannischer
Dichter die Kinder seiner Muse zu veröffentlichen
.
Müllheim erfreut sich einer trefflichen Leitung der
Gemeindeangelegenheiten, und unter der rastlosen
und uneigennützigen Tätigkeit des jetzigen hochachtbaren
Bürgermeisters kann nur Gutes gedeihen,
da auch die Verwaltung des hiesigen Bezirksamtes
neuerdings in die Hände eines ausgezeichneten
Beamten gelegt ist.
Mit einer Stelle nach Platen laß mich die Skizze
schließen, mein freundlicher Leser!
Sei mir — werde gegrüßt, dreimal mir liebliches
Müllheim. Dreimal werde gegrüßt! Die Natur lacht
Segen, es wandeln liebliche Mädchen umher, und
gefällige Knabengestalten, wo du den Blick ruh'n
lässest in diesem Tale der Anmut! Ja, hier könnte
die Tage des irdischen Seyns ausleben — ruhen
wie schwimmendes Silbergewölk durch Nächte des
Vollmonds irgend ein Herz für Schönes empfänglich
in süßer Beschränkung!
Der Verleger Gutsch hat das Buch des Pfarrer
Schneider mit 26 Lithographien und einer Karte
ausgestattet. Auch dem Abschnitt über Müllheim
ist eine lithographierte Ansicht beigegeben.
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