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Diesem Ausblick schließt der Domherr nun die
Geschichte Müllheims an, — in noch holperigeren
Hexametern, deren Lektüre man niemanden
mehr zumuten kann.
Zeitlich die nächste Notiz über Müllheim
findet sich in H. Schreibers „Handbuch für Eisenbahnreisende
durch das Großh. Baden" (Karlsruhe
1846). Schreiber, der als Historiker der
Stadt Freiburg bekannt geworden ist, beginnt
(S. 396) die Besprechung Müllheims — die wir
uns jedoch schenken können, um bereits Bekanntes
nicht zu wiederholen — mit der Erwähnung
Hebels. Nach der damals vielleicht noch
originellen Anführung der Strophe ,,Z' Müllen
an der Post. . " fährt er aber fort:
Wobei man nur bedauert, daß man der lockenden
Einladung nicht nachkommen kann, indem schon
längst mit der Post keine Gastwirtschaft mehr verbunden
ist.
Den gleichen Mangel, daß nämlich an der Alten
Post in Müllheim keine Wirtschaft mehr gehalten
wurde, rügt auch Gustav Schwab im Band 1
(Schwaben) des Werkes „Das malerische und
romantische Deutschland" (Bd. 1, 2. Aufl., Leipzig
1846). Dort heißt es Seite 160 — und das ist
das einzige, was Schwab zu Müllheim zu sagen
weiß:
Nur eine halbe Stunde von dem Bade (Badenweiler)
liegt das freundliche Städtchen Müllheim, zu welchem
der Alemannendichter den durstigen Wanderer
mit so saftigen Worten einlädt:...
Und nun folgt wieder die vieltraktierte Strophe
aus dem „Schwarzwälder im Breisgau". Dann
heißt es — inhaltlich mit Schreibers Feststellung
korrespondierend, aber in originellerer Form:
Schade, daß der Reisende, der in der Post zu Müllheim
anlangt, um Hebels Markgräflerwein zu trinken
, nur das unfruchtbare Postamtszeichen anstatt
des Wirtsschildes an das Posthorn angeheftet findet
und daß ihm die Pforte jetzt mit dem Donnerworte
auf getan wird: „Mer wirtet nümme!" (Wir schenken
keinen Wein mehr aus.)"
Mehr fiel dem Württemberger Schwab an Müllheim
nicht auf. Aber er rechnete offenbar auch
nicht mit Lesern, die an Müllheim interessiert
waren — also Einheimischen —, sonst hätte er
wohl nicht für nötig befunden, die ihm mundartlich
an der Alten Post gegebene Antwort ins
Hochdeutsche zu übertragen.
Auch der Verfasser des nächstfolgenden Buches
hat Müllheim nur wenige — es sind ganze
fünf — Zeilen widmen zu dürfen geglaubt. Es
handelt sich um das schöne und wertvolle Werk
„Das Großh. Baden in malerischen Original-
Ansichten in Stahl gestochen von Joh. Poppel
und anderen. Begleitet von einem historischtopographischen
Text von Dr. Eugen Huhn"
(Darmstadt 1850). — Immerhin aber wird Müllheim
durch eine wohlgelungene Ansicht im Bilde
vorgestellt (Abb. 2), die nicht nur topographisch
wichtig ist, sondern auch künstlerisch befriedigt;
es mag daher gestattet sein, näher auf sie einzugehen
: Müllheim präsentiert sich hier bereits
städtisch. Vor der lockeren, baumdurchsetzten
Bebauung des Ortsrandes reihen sich gedrängt
die Wohnhäuser und erheben sich anspruchsvoll
die größeren, charakteristischen Gebäude; im
Hintergrund reihen sich die Bergketten, von der
Sirnitz bis zum Hochblauen. Im Mittelgrund
etwa ist links der Römerberg und nach rechts
hin der Burghügel von Badenweiler zu sehen.
Entsprechend der Gedrängtheit des Mittelgrundes
sind die Bergformen überhöht und romantisch
gesteigert. Die zarte Bewegtheit des Mittel-
und Hintergrundes wiederholt sich in der
kontrapunktisch komponierten romantisierenden
Ausstattung des rahmenden Vordergrundes mit
seiner kräftigen, fast derb gezeichneten Staffage
aus Bäumen, Menschen und Tieren. Der Charakter
der Landschaft mit ihren Rebbergen und
obstbaumbestandenen Wiesen ist trotz der Überhöhung
und dem zeitlichen Kolorit recht gut
erfaßt. Es müßte für einen Müllheimer von
heute reizvoll sein, die Landschafts- und Hausformen
des Stiches mit der Wirklichkeit und die
Ausdehnung des Städtchens von damals mit der
Größe des heutigen Müllheim zu vergleichen.
Die Qualität der Ansicht rechtfertigt ein Eingehen
auf ihre Gestalter: Der Zeichner, Konrad
Corradi (geb. 1813 im Thurgau, gest. 1878 bei
Schaffhausen) war Schüler von H. Uster und
von Schirmer in Düsseldorf; er hat für das oben
genannte Ansichtenwerk eine beachtliche Anzahl
2<eichnungen geliefert. Die Darstellung der Landschaft
war seine Stärke, er ist als Urheber vieler
Schweizer Ansichten bekannt geworden. Der
Stecher unserer Ansicht, Joh. Gabr. Fr. Poppel
(geb. 1807 in Hammer bei Nürnberg, gest. 1882
am Starnberger See), war als Stahl- und Kupferstecher
sowie als Landschaftsmaler tätig; auch
die Architekturmalerei pflegte er. Das Stahlstechen
hatte er 1829 bei C. L. Frommel in Karlsruhe
gelernt, wo er auch später noch wirkte.
Viele Ansichten- und Prachtwerke der Zeit sind
mit Illustrationen aus seiner Hand geschmückt.
Seine Arbeiten zeichnen sich aus durch Flüssigkeit
und Lebendigkeit der Lineatur wie durch
relative Treue in der Wiedergabe der Objekte
bei einer gewissen Überhöhtheit der Formen; in
den Staffagen und im Vordergrund ist Maniriert-
heit zu bemerken.
Greifen wir nun zur nächsten Notiz über
Müllheim. Sie findet sich in einem dünnen, broschierten
Heftchen in kleinem Format und betrachtet
Müllheim unter dem ganz bestimmten
Gesichtspunkt des Fremdenverkehrs — freilich
nicht des überschwemmenden Fremdenverkehrs,
wie er heute in Stößen über Stadt und Land
hereinbricht, sondern jenes gemäßigten, vornehmen
, wie ihn die Badeorte jener Zeit liebten
und anzogen. Der Titel der Broschüre ist „Wegweiser
für Fremde in Badenweiler und seiner
Umgebung" (Freiburg i. Br. 1853, 28 Seiten). —
Der Verfasser war, wie sich aus seiner Anzeige
auf der letzten Umschlagseite ergibt, offenbar
Galanterie- und Papierwarenhändler in Badenweiler
„zunächst der Kurhalle"; er hieß Joseph
Wetzel. Nachdem er Badenweiler selbst besprochen
hat, fährt er fort (S. 13 f.):
Hiermit schließen wir die näheren Ausflüge und
wenden uns vorerst in westlicher Richtung nach
Müllheim, des Sitzes des Bezirksamtes und der
dazu gehörenden Behörden mit 2900 Einwohnern.
Schöne und große, der Stadt oder Privaten angehörende
Gebäude geben auch dem Fremden Zeugnis
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