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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-08/0006
besitzt er 2500 Reichsgulden, die sein Vormund
— Sebastian Währer aus Hausen — verwalten
wird. Bei sparsamer Wirtschaft reicht der Betrag
, das Studium zu ermöglichen. Der Hofdiakonus
Preuschen, der zu Schopfheim als
Vikariatspräzeptor sein Lehrer gewesen und
einem Rufe nach Karlsruhe gefolgt ist, nimmt
sich des Verwaisten an. Hanspeter bleibt vorerst

R. Nutzinger:

In einem Brief an den Rechnungsrat Gyßer
in Müllheim, mit dem er als dem Einzigen
in alemannischer Mundart korrespondiert, vom
November 1802 — also aus der Epoche seiner
alemannischen Dichtung — tut Hebel eines berühmten
Basler Mannes Erwähnung mit folgenden
Worten:

„Mini gnädige Heren und Oberen im Chleine
Roth selig z'Basel hen allmig au gmeint, der
Rotschriiber Iseli schrib gar sölli flötig am
Brotokoll. Nei, by Gott! An sine Hemeroide der
Menschheit het er gschriebe, und het d'Nare lo
sch wetze."

Die Erwähnung dieses damals vielgenannten
Basler Ratschreibers und Schriftstellers muß uns
aufhorchen lassen, auch wenn, ja gerade weil sie
nur so nebenhin und mit leiser Ironie geschieht,
und wenn Hebel auch gar noch dessen Ephemeri-
den (Tagebuchblätter) der Menschheit spaßhaft
in Hemeroiden umwandelt. Hinter diesem Humor
versteckt Hebel wie so oft einen großen Ernst,
und dieser eigentümliche Basler Herr kann Hebel
nicht gleichgültig gewesen sein. Es ist stark zu
vermuten, daß der junge Hanspeter ihn — schon
auch als Verwandten der Herrschaftsleute seiner
Eltern — kennen gelernt hat. In Hebels Kindheit
fällt die Blütezeit des Schaffens von Iselin.
Als Hebel dann als Präzeptoratsvikar von Hertingen
nach Lörrach kam, war Iselin — als erst
Vierundfünf zig jähriger — gerade verstorben;
man hat ihn — das zeugt für das Ansehen, das
dieser Ratschreiber in seiner Vaterstadt genoß —
im Kreuzgang des Münsters beigesetzt. So gehört
Iselin wohl zu denen, deren der Dichter in der
„Vergänglichkeit" gedenkt:

„Un mengge, woni gchennt ha, lyt scho lang

im Chrützgang hinterm Münsterplatz un schlooft".

Ich selbst stand schon manches Mal vor dieser
Grabplatte, die den Isaak Iselin als großen
Menschenfreund rühmt.

Im Zusammenhang jener Brief stelle ist die
Rede vom Nebeneinander von Poesie und Prosa.
Der Ratschreiber, bestellter Protokollant bei den
oft trockenen Sitzungen des Basler Stadtrats, hat
sich bei diesen Beratungen also offenbar lieber
der poetischen Beschäftigung mit seinen Ephe-
meriden hingegeben, die als Monatsschrift herauskamen
. Will Hebel — wohl unbewußt und
uneingestanden — hier leise andeuten, daß er
die guten Gedanken, die Iselin nur in Prosa ausdrückte
, durch die alemannischen Gedichte in
Poesie umsetzt? Jedenfalls haben viele Züge aus
den Ephemeriden und dem Buch Iselins: „Die

in Schopfheim bei einem seiner Lehrer — Obermüller
heißt er und ist ein Mann vorbildlicher
Treue —, wird vorzeitig konfirmiert und siedelt,
vierzehnjährig, auf das Gymnasium der Hauptstadt
Karlsruhe über.

Aus: Theodor Seidenfaden „Johann Peter Hebel. Das
Leben eines Dichters". Verlag Sebastian Lux, Murnau,
München, Innsbruck.

Geschichte der Menschheit" frappante Ähnlichkeit
mit Hebels alemannischen Gedichten.

Da ist einmal der Tenor aller Abhandlungen
Iselins seine große Menschenliebe, die reine
Menschlichkeit, die mit einem geradezu unerschütterlichen
Optimismus an die stetig fortschreitende
Entwicklung der Menschheit zu einer
göttlichen Vollkommenheit glaubt. Ähnlichen
Gedankengängen begegnen wir bei Hebel auf
Schritt und Tritt. Jedenfalls ist dieses ideale
Menschenbild und die reine Menschlichkeit auch
unseres Dichters Leitbild. Gerade in diesem
Menschsein spricht er uns so lebendig an. Nur
ist Hebel Wirklichkeitsmensch genug, um nicht
Bedenken zu hegen an die ständige Aufwärtsentwicklung
. Vom Jahr 2000 meint er ja: „Un
sinn bis dörthi d'Lüt so närsch wie jetz" . . . Und
er kennt auch sehr wohl den Menschen in seiner
dämonischen Entartung etwa beim Michel im
„Karfunkel".

Es könnte freilich dieser Glaube an die
menschliche Glückseligkeit als Allgemeingut vieler
Dichter jener Zeit nachgewiesen werden und
nicht nur als besondere Ähnlichkeitssymptome
bei Hebel und Iselin. Aber noch viel auffälliger,
ja geradezu überraschend erkennen wir diese
Ähnlichkeit zwischen den beiden an den gemeinsamen
Stufen, durch die nach ihrer beiden Ansicht
dieser glückselige Zustand erreicht werden
kann. Da ist als erstes genannt die Rückkehr
zum ländlichen Leben. Isaak Iselin, der einen
seiner Söhne dazu zwang, Bauer zu werden,
sagt: „Die edelste Beschäftigung des Menschen
ist der Feldbau". Wir stellen Hebel daneben, von
dessen alemannischen Gedichten Goethe als
charakteristisch ausspricht, daß er das Universum
aufs anmutigste verbauere, und fragen uns
einmal: Woher hat denn Hebel diese einseitige
und ausgesprochene Vorliebe für die in so vielen
Gedichten als ideal geschilderte landwirtschaftliche
Beschäftigung? Vom Zuhause her gewiß
nicht: Seine Eltern sind Webersleute, vielleicht
mit kleinen Äckerchen, aber sicher ohne „Laubi
und Merz". Sein Götti Georg in Hausen betätigt
sich im Schmelzofen und der andere Onkel ist
Nachtwächter dort, und die Tante, die vielleicht
noch landwirtschaftlich interessiert ist, hat sich
nach Wehr an einen Bauern verheiratet. Sollten
die zwei Jahre als Hauslehrer in Hertingen ihn
dergestalt umgewandelt und zur Freude am
Bauern veranlaßt haben? Oder wirkt da eben
nicht sehr stark Isaak Iselin mit seinen Gedanken
über die edelste Beschäftigung des Menschen auf
Hebel ein?

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