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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-08/0011
Gesegnet Los: Volle Garben — Mutterschoß

gewachsene, blauäugige und blonde Jungfer eine
gelobte Schönheit gewesen — wußte um seine
inneren und äußeren Nöte wie kein anderer. Er
wußte umgekehrt die ihrigen, und die Briefe, die
sie wechselten, gehörten zum Schönsten seines
vielgestalteten Wandern und Steigens. Wenn er
ihr schrieb, hörte er stets, wie notwendig es sei,
hin und wieder zu fühlen, man gehöre der Erde
nicht an, und ihr, der Jungfer, werde-es — dachte
er, indes er sie, umgeben vom Zauber der Septembersonne
, spürte — nicht anders sein.

Warum sie nicht geheiratet hatten, er Junggeselle
wie sie Jungfer geblieben war: wer will
das sagen?

Was sie band, blühte im Unbewußten, dem
Unausgesprochenen: es genügte ihm und ihr, und
während der jungen Jahre des Übermutes hatten
sie sich gefürchtet, der Neigung zueinander den
rechten Namen zu geben.

Wenn die Gretl Schöpflin, lächelte er der
Freundin zu, wisse, was er wisse, würde sie
heute im „Tanzenden Bären" das Wort führen,
das darstelle, wie gut sie mit dem Hausfreund
gefahren sei!

Und Gustave Fecht hob, so glaubte er, den
Finger und sagte, in welchem Maße er doch der
Markgräfler Schalk in dem steifen Karlsruhe
geblieben sei; sie denke es oft, wenn sie abends
sitze und spinne!

Ihm aber fiel ein — der Fuhrmann ließ den
Schimmel vor wie nach im Gleichmaße gehen —
was er nicht alles geschrieben hatte, auch dies:
daß die alemannischen Gedichte, die der Geheime

Holzschnitt von R. Warnecke

Rat von Weimar überschwenglich gelobt hatte,
ihm zwar sechshundert Gulden eingetragen, er
mit einem Teil drückende Schulden bezahlt, den
anderen jedoch in fröhlichem Leichtsinn vertan
hätte, daß er so arm bleiben und sterben werde,
wTie er sein Leben lang gewesen wäre, er stets
so viel gebrauche, wie er habe!

Auch der Tadel, den er in dem Brief ausgesprochen
hatte — im Spätjahr 1803 — war ihm
gegenwärtig: sie habe unter den Stücken, die ihr
besonders gelungen schienen, das „Spinnlein"
vergessen, und das sei heute noch sein Liebling!

„Es gibt wunderliche Verbindungen unter den
Menschen": murmelte er vor sich hin, schüttelte
den Kopf und dachte an jene liederliche Bruchsaler
Woche, von welcher er der Freundin einmal
berichten mußte!

Da sie ihm zulächelte, erzählte sein Inneres
ihr das Erlebte noch einmal und sprach: er habe
Wilhelm Engelhard Sonntag verloren, seinen vertrautesten
Freund, der zuerst Lehrer der lateinischen
Schule zu Kandern, dann Pfarrer in
Bötzingen gewesen und dort sechsunddreißig-
j ährig gestorben sei, und der habe ihm seinen
Freund vererbt, mit welchem er ständig korrespondiere
: einen Weltreisenden, dessen Namen
er kenne, und den er einmal gesehen habe: eben
in jener Woche!

„Und werden Sie mir glauben" — wörtlich
fiel dem Fahrenden die Briefstelle ein —, „daß
ich außer seinem Namen nicht eigentlich weiß,
wer, noch was er ist, noch weniger, was er in
Asien, am Kaspischen Meere zu tun hat, ob ich

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