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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1958-08/0015
kornblumenblauen, stachligen Stolzen Heinrich,
das schwefelgelbe Leinkraut, den hohen gelben
Steinklee, das wuchernde gelbe Labkraut, die
zarte kleine Glockenblume, den hellbraunen
Taubenkropf und andere. Das- blüht und wuchert
in üppiger Buntheit. Die Nachtkerzen fallen
tagsüber kaum auf; sie machen den Eindruck
der Verwelktheit. Die Blüten, die sich in später
Abendstunde öffnen, welken bereits am folgenden
Tag. Eine einzige Nacht stehen die zartgelben
Blüten der Nachtkerze, die mit Recht
diesen Namen trägt, in voller Pracht. Über den
Blüten stehen zahlreiche Knospen, die des
. Erblühens harren.

Da wir in der achten Abendstunde an den
Bahndamm kamen, waren noch fast alle Blüten
der Nachtkerze geschlossen. Je mehr sich die
Dämmerung über Stadt und Landschaft senkte,
desto rascher vollzog sich das Wunder der
Blütenöffnung. Es ist schön, dem Gesang der
Nachtigall zu lauschen. Das Blütenöffnen der
Nachtkerze zu schauen, ist nicht weniger schön.
Man schaut in Gottes Werkstatt. Es ist, als wenn
eine Menschenhand sich entfaltet, als wenn ein
kostbarer seidener Fächer sich auftut. Man
wandert von Pflanze zu Pflanze. Allmählich sind
die rosa Abendwolken vom Himmel verschwunden
. Ein Schleier legt sich über die Pflanzen des
Schuttplatzes. Unscheinbar werden Stolzer Heinrich
und Taubenkropf, Glockenblume und Steinklee
. Sie haben ihre Blüten geschlossen. Die
Nachtkerzen aber leuchten. Ihr Gelb erstrahlt in
wunderbarer Schönheit bei beginnender Nacht.
Die Blüten harren der Abend- und Nachtfalter.

jözv ßaifecmantel

Ein F e r i e n e r 1 e b n i s von Wilhelm Zentner

Ein dringendes Telegramm hatte mich noch
vor dem Abend in die Stadt zurückbeordert: es
handle sich um eine unaufschiebbare, äußerst
wichtige, meine Anwesenheit unbedingt erfordernde
Besprechung. Bei einer solchen mag man
nicht fehlen, und so stieg ich, um wenigstens
noch einen Zipfel des vorzeitig abzubrechenden
Ferientages zu erhaschen, die Waldschlucht mit
ihren vielen kleinen Wasserstürzen zwischen den
umbuschten Ufern bis zu jenem Punkte hinan,
der einen Ausblick in das mattengrüne Hochtal
mit den schindelbedeckten Gehöften und der
über diesen thronenden Wallfahrtskirche erlaubt.
Ein paar Atemzüge lang genoß ich das Bild und
machte) mich dann an den Abstieg, denn ein Blick
auf die Uhr verriet die baldige Abfahrt des
Autobus.

Bei der letzten jener kleinen Brücken, die
den Wanderer in launiger Unberechenbarkeit
bald links, bald rechts des Gießbachs führen,
hemmte ich plötzlich den eilenden Schritt. Auf
den Holzbohlen hatte sich dicht vor meinen
Füßen ein Schmetterling, ein üppiger Kaisermantel
, niedergelassen und spreitete wie huldigend
die leise erbebenden Flügel im flirrenden
Glast der Mittagssonne. Gleich einem Boten aus
einer geheimnisvollen Welt, dem ein überraschender
Auftrag geworden, schien er sich vor

mir zu neigen und zwang, wollte man ihn nicht
mit Gewalt verscheuchen, zum Verweilen. Die
Klamm, in der ich mich fragend umsah, durch-.
rieselte ein beredtes Schweigen, und der Perlmutterglanz
der Schwingen leuchtete wie zur
Feier.

Ich kann nicht sagen, wie lange ich dort auf
der Brücke gestanden habe. Waren es Minuten,
waren es nur Sekunden? Jedenfalls reichten sie
hin, im Geiste ein Antworttelegramm zu entwerfen
, das lautete: „Kommen heute unmöglich.
Wichtigerer Anlaß nötigt zum Bleiben".

Emil Baader:

Selöblumen

Ein Strai^ß Feldblumen, ein Strauß des Hochsommers
, steht an meinem Fenster. Die blaue
Kornblume ist dabei und der rote Mohn, die
violette Kornrade und die weiße Schafgarbe, die
duftende Kamille und der üppige Bärenklau, die
rosa gestreifte Blüte der wilden Malve vom Wegrand
, die rote Kerze des Weiderich vom Ufer
der Schutter, die cremegelbe Spierstaude vom
Grabenrand; Kräuter und Unkräuter aus Acker
und Matte, aus Feld und Flur, von Schuttplätzen
sogar. Niemand hegt und pflegt sie. Der Bauer .
und Gärtner hat nicht viel für sie übrig.

Aber der Strauß ist schön. Er ist mir eine
Erinnerung an eine Wanderschaft durch heimatliche
Landschaft, durch reifende Kornäcker, eine
Erinnerung an entlegene, stille Feldwege ohne
Motorengebrumm, an schattige Bachufer mit
Gebüschen, umsponnen von den weißen Blüten
der wilden Clematis. Sogar Disteln finden sich
in meinem Feldblumenstrauß, auch Skabiosen,
Brunellen und alle Arten von Klee.

In diesem hochsommerlichen Feldblumenstrauß
lebt die Erinnerung an das Lied des
Zilpzalp, an den Flug des Distelfink und die
Erinnerung an Verse des Donaueschinger Lyrikers
Max Rieple. In seinem in der Silberdistel-
Reihe des Verlags Moritz Schauenburg erschienenen
Gedichtband „Bodensee-Sonette" steht ein
Gedicht, das betitelt ist „Feldblumenstrauß für
Dich". Es lautet:

-^

Haben Sie Ihren Verwandten und Bekannten unser
Blatt schon gezeigt? — Wenn nicht, holen Sie es
bitte nach. Für jeden Neuabonnenten zahlen wir
1.— DM Werbeprämie.

v__y

13

". Es lautet:

Grillenzirpen, Lerchensingen,
band ich in meinen Strauß,
möchte dir in ihm nach Haus
allen Duft der Wiesen bringen.

Nimm des Mondes helles Glühen
und der Margeriten Stern,
aus den spitzen Disteln lern,
daß sie zwischen Blumen blühen.

Auch die Ähre, die allein
einst darf fruchtgesegnet sein,
laß im Strauße, den ich band,

daß der Erde reiche Fülle
in der schlichten Blumenhülle
ruhe nun in deiner Hand!


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